Bergedorf. Großer Empfang in der Lola. Die ersten drei Abgeordneten der GAL-Fraktion erinnern sich an ihre Anfänge – und was erreicht wurde.

Hamburgs Vize-Bürgermeisterin Katharina Fegebank wird genauso beim Empfang dabei sein wie Umweltsenator Jens Kerstan und Jenny Jasberg, die Vorsitzende des Kreisverbandes der Grünen: Mit etwa 100 Gästen rechnen Bergedorfs Grüne, wenn am Freitag, 23. Juni, das 40-jährige Bestehen der grünen Fraktion in Bergedorf gefeiert wird. Im Kulturzentrum Lola mögen alle in die energiegeladene Zukunft schauen, aber auch einen Blick in die Vergangenheit wagen. Der ist nämlich gar nicht mal so inaktuell:

„1982 forderte ich in meinem ersten Antrag, in der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung auch die weiblichen Formen aufzunehmen. Bis dahin gab es nämlich immer nur DEN Bezirksamtsleiter“, erinnert sich Karen Matthiesen: „Und der Antrag wurde angenommen, obwohl die CDU das albern und total bescheuert fand.“ Mit Ulrich Wolgast und Peter Wesenberg zählte die heute 67-Jährige zu den ersten drei grünen Abgeordneten in der Bezirksversammlung – inzwischen gibt es zehn.

Empfang in der Lola zum 40-jährigen Bestehen der Grünen-Fraktion

Ende 1981 hatte sich die Alternative Liste mit den Grünen zur GAL zusammengetan. Anstelle der Sonnenblume, die ihnen „zu niedlich“ und „zu vegetarisch“ vorkam, wählte die Grün-Alternative Liste den Biber zu ihrem Symbol: „Der kann Dämme des Widerstands errichten“, soll der junge Politiker Kurt Edler damals in einer Hamburger Kneipe erklärt haben.

Schmückt im Sachsentor noch immer den Eingang zur Geschäftsstelle: Der Biber.
Schmückt im Sachsentor noch immer den Eingang zur Geschäftsstelle: Der Biber. © BGZ | strickstrock

Zunächst war es ein wilder Haufen aus linksradikalen Organisationen, darunter natürlich Atomkraftgegner, Hausbesetzer und Antifagruppen aus dem autonomen Jugendzentrum Unser Haus, das 1979 an der Wentorfer Straße gegründet worden war. „Wir waren gegen die ignoranten Entscheidungen der selbstgefälligen SPD, die erstmalig keine absolute Mehrheit mehr hatte. Aber in der Bezirksversammlung ging es rau und ruppig zu, wir wurden angepöbelt und ausgelacht“, erinnert sich Peter Wesenberg, der damals noch lange Haare hatte – und im Finanzausschuss lernte, wie ein Haushalt aufgestellt wird.

Erinnerung an anfängliches „Macho-Gehabe“ der SPD

An das „verdammt arrogante Macho-Gehabe“ kann sich Karen Matthiesen auch heute noch erinnern: „Man hat versucht, uns zu diskreditieren, uns nicht ernst genommen. Die dachten, wir wären in spätestens zehn Jahren verschwunden“, sagt die einstige NDR-Redakteurin.

Man traf sich in der Privatwohnung an der Hassestraße, im Gewerkschaftshaus, bei Kneipenwirt Dimi oder im GAL-Büro am Grasredder, erinnert sich der IT-Projektleiter Ulrich Wolgast (69), der auch bei „Grabenkämpfen mit den heftigen Fundis“ die Diskussionen sanft lenkte und moderierte – allerdings nach nur sechs Monaten wieder aus dem Parlament ausschied, als nach den Neuwahlen plötzlich die erforderlichen Stimmen fehlten.

Grüne Politiker vor rotem Rathaus: Peter Wesenberg, Karen Matthiesen und Ulrich Wolgast erinnern sich gern an kämpferische Zeiten vor 40 Jahren.
Grüne Politiker vor rotem Rathaus: Peter Wesenberg, Karen Matthiesen und Ulrich Wolgast erinnern sich gern an kämpferische Zeiten vor 40 Jahren. © BGZ | strickstrock

Themen, Ziele und Forderungen gab es viele in Bergedorf: Die Beleuchtung im Schlosspark musste verbessert, ein Frauen-Nachttaxi eingeführt werden. Das ehemalige Konzentrationslager in Neuengamme sollte zu einer Gedenkstätte werden. Die Idee für ein alternatives Wohnprojekt mündete schließlich in Greves Garten hinter dem Mohnhof.

„Wir sind stolz darauf, gewisse Dinge angeschoben zu haben“, sagt Peter Wesenberg (65), der als Soziologe und Sozialpädagoge 20 Jahre lang das Lohbrügger Jugendzentrum am Kurt-Adams-Platz leitete, von 1985 bis 2005.

Personeller Aderlass bei der GAL nach dem Militäreinsatz im Kosovo

Auch nach der Wiedervereinigung, als es wieder die Sonnenblume gab, blieben die Bergedorfer bei ihrem Biber. Der schmückt heute noch die Geschäftsstelle am Sachsentor 12, wo besonders häufig Liesing Lühr anzutreffen ist. Durch das zweijährige Rotationsprinzip rückte sie 1998 in die Bezirksversammlung, wo die 72-Jährige bis heute den Haupt- und den Umweltausschuss besucht und den für Stadtentwicklung.

Sie erinnert vor allem 1998 den Militäreinsatz im Kosovo: „Das war damals ein großer Aderlass in der GAL, weil die linke Seite dann Regenbogen gegründet hat, die später in der Linken aufgegangen ist. Jedenfalls waren wir plötzlich nur noch ein kleiner Haufen, wenn auch mit schwächeren Flügelkämpfen.“

Zu der Zeit leitete Dr. Christoph Krupp die Umweltgruppe der SPD, so Lühr: „Ich war schon beim Nabu, mochte aber lieber die Diskussionskultur der Grünen“, erklärt die Lebensmittel-Chemikerin, die mit ihrer jungen Familie schon 1984 nach Neuallermöhe gezogen war: „Da gab es erst vier Reihenhäuser, und wir haben das Musterhaus mit den drei verschiedenen Fliesensorten gekauft.“

Gegen eine Transrapid-Strecke zwischen Hamburg und Berlin

Was stand politisch an? Das Thema Feldhofe wurde eifrigst im Ortsausschuss diskutiert. Und Klaus Gärtner, der damals für die Grünen in der Bürgerschaft saß, beschäftigte sich mit dem Boehringer-Skandal und der Südtrasse Sander Damm. Eifrig blättert Liesing Lühr in vergilbten Unterlagen: „1986 haben wir ein Tempolimit von 100 km/h auf der A25 gefordert. Später kamen die Bevölkerungsbeteiligung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung. Und der Kampf gegen eine Strecke für den Transrapid zwischen Hamburg und Berlin.“ Natürlich erinnert sie auch ihren ersten eigenen Antrag, der prompt Zustimmung fand: Es ging darum, den Reetwerder für den gegenläufigen Radverkehr zu öffnen.

Liesing Lühr mit dem damals beliebten Bergedorfer Wimmelbild: „Stoppt den Verkehrswahn“, heißt es da etwa von Demonstranten in der Bergedorfer City.
Liesing Lühr mit dem damals beliebten Bergedorfer Wimmelbild: „Stoppt den Verkehrswahn“, heißt es da etwa von Demonstranten in der Bergedorfer City. © BGZ | strickstrock

Für Furore sorgte die GAL-Chefin im Jahr 2006, denn „wir waren mit Ute Becker-Ewe und Annette Vollmer die einzige reine Frauen-Fraktion.“ Und niemals seien sie in einer Koalition gewesen, wollten lieber „die Bergedorfer Verhältnisse“. Das hieß „trotz guter Kommunikation mit dem CDUler Dennis Gladiator, dass wir lieber unabhängig und themenbezogen arbeiteten, mit wechselnden Mehrheiten“, betont Liesing Lühr.

Was natürlich bedeutet habe, dass mit jeder neuen Bezirksamtsleiterwahl eine Forderung umgesetzt werden konnte: „Das Kulturzentrum Lola haben wir bei der Wiederwahl von Christine Steinert gekriegt. Und die Fahrradstation am Bahnhof bei der Wiederwahl von Christoph Krupp. Bei Arne Dornquast forderten wir, einige Flächen im Landgebiet aus dem Wohnungsbauprogramm zu nehmen. Stattdessen wollen wir höhere Bauten in Oberbillwerder haben.“

Erst mit der Wahl 2019 erklärten sich die Grünen zur Koalition bereit – um die Mehrheit in der BV zu haben, damit das Thema Oberbillwerder in der Planungshoheit des Bezirks bleibt. Grün solle es dennoch in Bergedorf bleiben, betont Liesing Lühr: „Wir waren der erste Bezirk mit einem Klimaschutzkonzept, das der Bund zu 65 Prozent fördert, die Umweltbehörde übernimmt 35 Prozent.“ Wenn auch die geförderte Stabsstelle der Ende 2017 eingeführten Klimaschutz-Managerin kommenden Herbst auslaufe, so bleibe Bergedorf doch hoffentlich in Sachen Klimaschutz federführend für alle Bezirke.

Solche Themen lassen sich natürlich trefflich beim 40. Geburtstag besprechen – wenngleich es in der Lola (Lohbrügger Landstraße 8) am Freitag, 23. Juni, von 18.30 Uhr an auch fröhlich und entspannt zugehen soll – schließlich musste man das Fest schon wegen Corona ein wenig verschieben. Für die Musik sorgen übrigens Pianistin Leonore Georgi und die alevitische Gemeinde Bergedorf.