Bergedorf. 8. Mai: Gedenktag zum Ende des 2. Weltkriegs soll „würdig“ organisiert werden. Warum nicht jeder Partei Picassos Friedenssymbol passt.
Hamburg begeht 2023 zum ersten Mal den 8. Mai als offiziellen Gedenktag. Alle sieben Bezirke sind dazu aufgefordert, eine entsprechende Gedenkfeier „würdig“ zu organisieren. Die Bergedorfer Koalition möchte es fast allen anderen Bezirken gleichtun und das Ende des 2. Weltkriegs am 8. Mai 1945 mit einem besonderen Symbol eines besonderen Künstlers feiern.
Wie SPD, Grüne und FDP gemeinsam mit der Linken befürworten, wird vor dem Rathaus eine Flagge mit der Friedenstaube nach Pablo Picasso gehisst. Stand Freitagnachmittag (5. Mai) machen sechs der sieben Bezirke das ebenso, nur das Bezirksamt Mitte hatte sich noch nicht offiziell zum Friedenssymbol geäußert. In Bergedorf war zuvor ein Disput über die Beflaggung entbrannt.
Gedenktag nach Ende des Krieges: Flagge mit Friedenstaube soll gehisst werden
Dass zu diesem Datum, bei dem Nazi-Deutschland militärisch vor den Alliierten kapitulierte und Millionen Menschen von einer Terrorherrschaft befreit wurden, überhaupt irgendeine Form des Gedenkens zustande kommen würde, daran war jahrzehntelang niemand so recht interessiert. Als Bundeskanzler Willy Brand (SPD) am 8. Mai 1970 eine Regierungserklärung zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs abgab, kam seitens der Union die Replik: „Niederlagen feiert man nicht“ – was bis zum heutigen Tag die Ambivalenz und die Gegensätze zum Thema zeigt.
Am 8. Mai 1985 sprach es der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) aus, benannte diesen Tag vor 40 Jahren als „Tag der Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Und endlich wurde mit dieser Rede eine Debattenkultur geschaffen, wofür dieser Tag denn stehen sollte: für die totale militärische Niederlage Deutschlands oder die Befreiung vom Nationalsozialismus.
Nur in drei europäischen Ländern ist der 8. Mai offizieller Feiertag
Für Petra Petersen-Griem von der Bergedorfer SPD aus heutiger Sicht „eine befremdliche Debatte“, denn: „Kein klar denkender Mensch würde ernsthaft bestreiten, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist.“ Dafür brauche es starke Symbole. Gerade Picassos Lithographie, eine weiße Taube auf blauem Grund, stehe wie kein zweites Symbol weltweit für Hoffnung, Völkerverständigung und nicht zuletzt Frieden. Petersen-Griem findet das absolut treffend: „Eine Flagge, die die Friedenstaube nach Picasso zeigt, ist absolut großartig und in einer Zeit wie dieser passender denn je“, kommentiert sie. Nichts drücke die „Schutzbedürftigkeit“ von Menschen treffender aus.
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Da geht Lenka Brodbeck (Grüne) voll mit. Seit 13 Jahren lebt die gebürtige Tschechin in Deutschland und ist darüber verwundert, „dass es hier bisher kein großes Gedenken“ gab. In ihrer Heimat, der Nachbarrepublik Slowakei und Frankreich ist der 8. Mai ein offizieller Feiertag. Damit verbindet Brodbeck aber keinesfalls die Forderung, dass nun in Deutschland unbedingt ein Feiertag „aufoktruiert“ werden müsse.
Welche Flaggen CDU und Rechtspopulisten hissen wollen
Anders Bergedorfs Links-Partei: Obwohl sie den Antrag einer jährlich wiederkehrenden, einheitlichen Beflaggung aller Bezirke unterstützt, gibt sie weitere Denkanstöße. Der weltbekannte Künstler und Kommunist Picasso sei „richtig was Anständiges“, findet Robert Gruber. Er will aber weitergehen: „Eine Fahne hissen und Gedenken ist ein bisschen wenig für diesen Anlass“, spricht sich Gruber für die Einführung eines gesetzlichen Feiertags aus. Eine weitere Idee wäre es, einen interfraktionellen Antifaschismus-Antrag mit allen in der Bezirksversammlung vertretenen Parteien (bis auf AfD) auszuarbeiten.
Für die weiteren Oppositionsparteien wiederum ist die Friedenstaube das falsche Symbol, ein genereller Feiertag am 8. Mai nicht denkbar. Lars Dietrich (CDU) reicht die weiße Taube auf blauem Grund anlässlich des Kriegsendes nicht aus. Seine Partei sieht eher „eine zentrale öffentliche Veranstaltung“ des Gedenkens. Dafür erachtet Dietrich die deutsche Nationalflagge sowie die Hamburg-Flagge „als angemessen, weil das die offiziellen Fahnen sind, die diesem Anlass gerecht werden. Deshalb lehnen wir als CDU die Taubenfahne ab.“ Das tut auch die AfD, die ebenfalls die deutsche und Hamburger Flagge favorisiert.
8. Mai ist in Deutschland bisher kein offizieller Feiertag
Am Freitagnachmittag werden dann aber alle Seiten besänftigt – was die Beflaggung angeht: Der Hamburger Senat gibt für den 8. Mai eine offizielle Beflaggungsanordnung bekannt. Das bedeutet laut Bergedorfs Verwaltungsdezernent Ulf von Krenski, dass dann auch Deutschland- und Hamburg-Flagge zu hissen sind. An der Wentorfer Straße wird zudem die Flagge mit dem Bergedorf-Wappen neben der Friedenstaube über dem Eingang zum Bezirksamt wehen. Letztere kam übrigens fast zeitgleich zur Senatsanordnung in der Poststelle der Verwaltung an und misst stolze 3,30 x 1,45 Meter.
Einzig und allein der Tag der Deutschen Einheit wurde durch den Bund als gesetzlicher Feiertag verfügt. Welche Feiertage sonst gelten, bestimmen die Länder selbst. Bisher wird der 8. Mai in keinem Bundesland als gesetzlicher Feiertag begangen.