Bergedorf. Die knapp 200 Quadratmeter große „Willers’sche Kate“ an der Bergedorfer Straße/Ecke Neuer Weg erzählt eine lange Geschichte.

Man sollte viel Zeit mitbringen, denn die Geschichte der kleinen Kate ist lang, und Hans-Helmut Willers erzählt gern von dem hübschen Fachwerk-Häuschen an der Ecke Neue Weg/Bergedorfer Straße. Dass er in der sechsten Generation nun das Familieneigentum verkaufen möchte, liegt eher an der siebten Generation: „Meine Kinder haben keinen Bezug zu Bergedorf. Und auch ich werde mich hier aus dem Geschäftsleben zurückziehen“, sagt der 71-Jährige. Vermutlich noch in dieser Woche werde Makler Pipping ein Schild aufstellen: Für 1,25 Millionen Euro kommt die knapp 200 Quadratmeter große Kate auf den Markt.

1750 wird dem Maurermeister Michael Detlef Michaelsen als Baujahr angegeben, als er 33 Jahre später per Handschlag das Haus für 800 Mark Lübsche Courant erwirbt. Der Name Willers kommt erst später ins Spiel, als Anna Michaelsen 1896 den Tischlermeister und Beerdigungsunternehmer Gustav Willers aus Sande heiratet. „Das waren meine Großeltern, die es lange als Wohnhaus nutzten und dann am 24. Dezember 1910 einen Krämer- und Kolonialwarenladen eröffneten.“ Butter im Block, Wurst, eingelegte Gurken, Sauerkraut und Margarine werden beworben – und laut Anzeige in der Bergedorfer Zeitung bekommt am Eröffnungstag jedermann ab einem Einkauf von 1,50 Mark eine „hochfeine Tafel Chocolade gratis“.

Vielleicht wäre die B5 heute breiter – ohne den Widerspruch der Tante

1938 übernimmt Tochter Emma den elterlichen Laden und muss ihn schwer verteidigen, da ab 1956 die Bergedorfer Straße quer durch das Städtchen gebaut wird: „Ich hab’ noch den alten Schriftverkehr. Damals sollten alle auf den Gojenberg umsiedeln, wurde sogar mit Enteignung gedroht“, weiß Hans-Helmut Willers – und überlegt: „Ohne den Widerspruch meiner Tante wäre die B 5 vielleicht breiter geworden.“

Im selben Jahr übrigens schließt Hans Willers seinen Lebensmittelladen an der Vierlandenstraße und leitet nun den Bergedorfer Schlachthof an der Ecke zum Frascatiplatz, noch vor den Gleisen: „Wenn ich Papa in der Mittagspause besucht habe, verschenkte er Ochsenaugen und Schweineblasen, mit denen wir Jungs kicken durften“, erinnert sich der 71-Jährige, der bis 1960 sein Kinder-Klappbett im Obergeschoss stehen hatte.

Bundeskanzler Schmidt und Loki sind kurz nach der Eröffnung zu Gast

Nach dem Tod von Tante Emma übernimmt er selbst 1976 das Haus – und diskutiert mit den Denkmalschützern. Denn die loben einerseits den „kleinstädtischen Stadtbildcharakter“, wollen aber kein Geld in die „zu wenig erhaltenswerte Bausubstanz“ investieren.

Das tut nun der Eigentümer, der 1981 eine 400.000 Mark teure Grundrenovierung startet: Der alte Ölofen fliegt raus, Dach und Fenster werden erneuert, ebenso die Träger aus Eichenholz. Im Erdgeschoss zieht nun „Der Bücherwurm“ ein, im ersten Stockwerk eröffnet ein Bistro. Und das sollte berühmten Besuch erhalten: „Ich hatte eine handschriftliche Einladung ans Bonner Kanzleramt geschickt. Zur Antwort kam, Bundeskanzler Schmidt habe keine Zeit und werde seinen Besuch zeitnah nachholen. Doch schon einen Tag nach der Eröffnung standen drei schwarze Limousinen vor der Tür, stiegen Loki und Helmut aus.“

Nun folgen Zeiten, die noch viele Bergedorfer erinnern, da sie hier zu Geburtstagen und Hochzeiten schmausten: Nahezu legendär war das italienische Restaurant „Enzo“, gefolgt vom „Casa Vecchia“.

Das Modell zeigt, wie ein zweigeschossiger Erweiterungsbau mit Glasdach aussehen könnte.
Das Modell zeigt, wie ein zweigeschossiger Erweiterungsbau mit Glasdach aussehen könnte. © BGZ | strickstrock

Ein Anbau ist nach hinten raus zu einem kleinen Platz ist denkbar

Die ersten Ideen für einen Umbau wurden 2016 ausgetüftelt: Eine Erweiterung würde gut 50 Quadratmeter mehr bringen, betont Willers, der in den nächsten Wochen mit der Baugenehmigung für den Anbau rechnet – natürlich nach hinten raus zu dem kleinen Platz, den die Stadt mit Rise-Mitteln neu pflastern ließ. „Der Platz kann auch für gastronomische Zwecke gemietet und genutzt werden“, sagt Willers.

Nachdem die Idee eines Cateringanbieters geplatzt war und inzwischen Corona alle Pläne auf Eis legte, wäre er auch froh, zögen eine Kanzlei oder eine medizinische Praxis ein, auch ein Showroom sei denkbar. Unterdessen freut sich Immobilienkaufmann Hans-Helmut Willers auf ein entspannteres Leben: „Ich möchte noch viel Trompete spielen und mit meiner Frau schöne Reisen machen.“