Hamburg. Grüne drücken Vorstoß durch. Doch noch reicht Bergedorfs überraschend bunte Einigkeit nicht: Gleich drei Ausschüsse sind jetzt gefragt.

Die Grünen verstehen es als Weihnachtsgeschenk für junge Leute, die SPD zweifelt am Erfolg und die CDU hat grundsätzliche Bedenken: „Neue legale Graffitiflächen für Bergedorf“, so der Titel des Grünen-Antrags in der Bezirksversammlung, haben das Zeug zur ideologischen Auseinandersetzung. Das zeigte die beherzte Diskussion, die das vier Absätze kurze Papier am vergangenen Donnerstag in der letzten Sitzung des Gremiums vor den Weihnachtsferien auslöste.

Lenka Brodbeck versuchte es in ihrer Rede zur Begründung des Antrags mit viel Fingerspitzengefühl: „Graffiti ist eine Kunstform, die immer mehr Präsenz im öffentlichen Raum gewinnt“, sagte die Grünen-Fraktionschefin. Dabei habe ihr lange das Manko der Illegalität angehaftet. „Doch spätestens seit es Künstler wie Banksy gibt, hat sich das geändert, hat Graffiti sogar Einzug in Galerien gefunden.“ Deshalb brauche es Platz, damit sich auch Bergedorfs Nachwuchs legal an der Farbdose ausprobieren kann. Gern angeleitet von Künstlern im Rahmen der Schule oder des Jugendtreffs.

Mit öffentlichen Flächen für Graffiti gegen illegale Schmierereien – CDU und SPD haben große Bedenken

Bei SPD-Fraktionschefin Katja Kramer kam bei diesem Thema deutlich weniger Weihnachtsstimmung auf, als beim ehemaligen grünen Koalitionspartner: „Ich hätte gern gewusst, wo genau sich die Antragssteller die geforderten Flächen vorstellen können“, kritisierte sie die pauschale Formulierung, das Bezirksamt vorzuschicken, um eine Liste möglicher und sinnvoller Flächen zusammenzustellen. Offenbar befürchtet die Sozialdemokratin, das Amt so zum Sündenbock zu machen, sollte die mittlerweile alltägliche Invasion von Schmierereien im öffentlichen Raum so nicht gestoppt werden: „Wir müssen uns im Klaren sein, dass auch Projekte wie dieses nicht dazu führen werden, dass illegale Graffiti-Aktionen aufhören, egal ob sie nun als Schmiererei oder Kunst empfunden werden.“

So sieht es auch Bernd Capeletti (CDU): „Gerade für ältere Menschen ist das Thema Graffiti schwer nachvollziehbar, auch wenn wir in den Vier- und Marschlanden mit den so gestalteten Schaltkästen und Bushaltestellen bereits ein Zeichen gesetzt haben.“ Andererseits sorge die Masse der gerade überall auf Schaltkästen, Laternen und Wänden verewigten Farben der Kicker von HSV und St. Pauli für erhebliche Unmut. „Dafür kann es keinen rechtsfreien Raum geben“, stellte der Christdemokrat klar. „Hier sind die Ordnungskräfte gefordert, energisch dagegen vorzugehen.“

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So ganz mochte sich aber auch die CDU dem Vorstoß der Grünen nicht entziehen, vielleicht weil gerade Weihnachten ist: „Wenn Schulklassen oder Jugendorganisationen die Anforderung haben, Flächen für Graffiti zur Verfügung zu stellen, sind wir gern dabei, das Bezirksamt bei der Suche zu unterstützen.“

Tatsächlich gelang Lenka Brodbeck das Kunststück, die legalen Graffiti-Flächen nicht nur vor einem Veto der anderen Fraktionen zu bewahren, es wurde sogar einstimmig in den für potenzielle Flächen zuständigen Umweltausschuss überwiesen. Dort soll es im neuen Jahr nun unter Hinzuladung von den Ausschüssen für Jugendhilfe und für Kultur von allen Seiten beleuchtet werden. Ob es nach der kunterbunten politischen Einigkeit aber auch diese Rosskur übersteht, ist offen, auch weil die Grünen-Fraktionschefin in der Bezirksversammlung bereits eine Kernforderung stellte: „Mindestens eine dieser neuen legalen Graffiti-Flächen muss in den Vier- und Marschlanden liegen.“