Hamburg. Lukas Thiele (28) will am 2. März 2025 auf die Stimmzettel und braucht 100 Unterstützer: Dafür ist der Weihnachtsmarkt nun sein Revier.
Demokratie bedeutet harte Arbeit und kostet viel Zeit – jedenfalls wenn man sie so ernst nimmt, wie Lukas Thiele: Der 28-Jährige ist in diesen Tagen dabei, sich als unabhängiger Direktkandidat im Wahlkreis Bergedorf für die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 aufstellen zu lassen. „Ich will nicht bloß meckern über die Politik, sondern ein Zeichen setzen für unsere Demokratie“, sagt Thiele, der in Altengamme aufgewachsen und nach dem Architekturstudium in Erfurt erst vor knapp einem Jahr zurückgekehrt ist und nun mit seiner Freundin in Bergedorf wohnt.
Doch der Weg auf den Stimmzettel ist kein Spaziergang. Das hat Lukas Thiele in den vergangenen zwei Monaten live lernen müssen: So lange ist er schon unterwegs, um die erforderlichen 100 Unterschriften von Menschen zu sammeln, die in Bergedorf gemeldet sind und seine Kandidatur unterstützen. Eigentlich geht es nur darum, dass sich jeder auf einem Exemplar des erforderlichen Formblatts mit Namen, Geburtsdatum, Anschrift und Unterschrift verewigt.
Endspurt der Suche nach Unterstützern auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Schloss
Doch weil die Unterschrift eigenhändig im Original auf dem zweiseitigen Papier geleistet werden muss, reicht keine Mail und auch kein Eintrag auf der Homepage. „Ich muss die Leute auf der Straße oder an der Haustür persönlich ansprechen und sie davon überzeugen, mich zu unterstützen. Das kann auch mal frustrierend sein, wenn nach zwei Stunden keiner unterschrieben hat.“
Aber jetzt läutet Lukas Thiele den Endspurt ein: „Nach dem dritten Adventswochenende will ich 100 Unterstützer zusammen haben, also hoffentlich so um die 120 Unterschriften. Man kann ja nie wissen, ob alle Unterzeichner auch wirklich in Bergedorf gemeldet sind, was für mich als Bürgerschaftskandidat für den Bezirk aber formal entscheidend ist“, sagt der parteilose Bewerber. Bisher habe er knapp 90 ausgefüllte und unterschriebene Formblätter, „und nun setze ich auf die Besucher des Bergedorfer Weihnachtsmarktes“.
Anmeldeliste wird Heiligabend um exakt 16 Uhr geschlossen
Tatsächlich drängt die Zeit, denn schon am Montag, 16. Dezember, will Thiele den Stapel beim Bürgerservice Hamburg im Harburger Rathaus abgeben. Dort wird dann geprüft, ob er wirklich mindestens 100 Bergedorfer Unterstützer gefunden hat. Und mit dieser Bestätigung in der Tasche kann er seine Kandidatur dann in der Wahlgeschäftsstelle im Bergedorfer Rathaus offiziell einreichen.
Möglich ist das nur noch bis Heiligabend um exakt 16 Uhr. Dann wird die Anmeldeliste geschlossen, auch für die Parteien. „Ich hoffe also sehr, dass in Harburg schnell genug geprüft wird“, sagt der parteilose Jungpolitiker.
In der Nachbarschaft der Eltern in Altengamme Unterstützer gefunden
Dass er den Weihnachtsmarkt zu seinem Revier für die Suche nach Unterstützern gemacht hat, liegt an den Erfahrungswerten der vergangen Monate: „Erst stand ich wochenlang immer nach Feierabend vor dem Bahnhof und in der Fußgängerzone Sachsentor. Aber dort haben die Leute kaum Zeit“, erinnert sich Thiele, der zwar auch in der Nachbarschaft seiner Eltern in Altengamme einige Unterstützer fand. Aber weil er in Hamburg zur Schule gegangen und zuletzt viele Jahre für das Studium in Erfurt war, kennt er darüber hinaus kaum Menschen in Bergedorf.
„Meine Akquise stagnierte Mitte November bei kaum mehr als 30 Unterstützern. Ich wollte schon aufgeben, aber dann öffnete der Weihnachtsmarkt auf der Schlosswiese“, sagt der engagierte Demokrat. „Hier stehen die Leute an kleinen Tischen, haben Zeit für ein kurzes, manchmal auch etwas längeres Gespräch.“ Das potenzierte die Zahl der Unterschriften und mache ihn auch für das Finale an diesem Wochenende optimistisch. „Vor allem hoffe ich, viele Bergedorfer zu treffen.“ Immer nach Feierabend werde er mit seinem Klemmbrett voller Formblätter hier unterwegs sein.
Lukas Thiele: Politisch fast ein Grüner, wäre da nicht seine Haltung zu Oberbillwerder
Politisch steht Lukas Thiele eher etwas links der Mitte. In seinem Info-Flyer, den jeder Gesprächspartner bekommt, spricht er sich für eine bessere medizinische Versorgung, eine Optimierung von ÖPNV und Bildung sowie aktiven Natur- und Umweltschutz aus. Aber auch gegen den Abriss prägender Gebäude und gegen den Bau von Oberbillwerder. Mit Ausnahme seiner Haltung zum Zukunftsstadtteil, dessen Genehmigung der Hamburger Senat gerade an sich gezogen hat, ist Thiele also durchaus auf Linie der Grünen.
„Aber mich hat keine Partei bisher so überzeugen können, dass ich mich für sie engagieren würde“, sagt der 28-Jährige, der bei einem großen Hamburger Architekturbüro in Hammerbrook als Projektleiter arbeitet. Grundsätzlich vorstellen könne er sich weiteres politisches Engagement aber schon, auch wenn er am 2. März nicht als Direktkandidat in die Bürgerschaft einziehen sollte. Wie er im Januar und Februar seinen Wahlkampf organisieren wird, hat Thiele denn auch noch nicht im Detail geplant. „Erst mal ist mein Ziel jetzt, überhaupt auf den Stimmzettel zu kommen.“
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Wer den engagierten Demokraten kennenlernen will und in diesen Tagen nicht auf dem Bergedorfer Weihnachtsmarkt ist, schaut auf seine Homepage: Unter www.lukas-thiele-fuer-hamburg.de ist viel mehr über ihn und seine politischen Ziele zu lesen, als sein Flyer verrät. Zudem gibt es hier ein Formblatt für Unterstützer zum Herunterladen und Ausfüllen. „Wäre toll, wenn ich auch so noch Unterschriften bekäme“, sagt Thiele, der darum bittet, ihm das Blatt anschließend zuzumailen. „Allerdings muss ich dann trotzdem noch persönlich Kontakt aufnehmen, was ich in jedem Fall tun werde. Denn die Unterschrift gilt nur im Original.“