Kirchwerder. Karin Gladiator aus Kirchwerder hat 1971 bereits mit 22 Jahren ihre Meisterprüfung abgelegt. Ihre Karriere führte sie bis nach Moskau.
Dank einer Ausnahmegenehmigung konnte Karin Gladiator schon im Alter von nur 22 Jahren ihre Prüfung zur Friseurmeisterin ablegen – als bis dato jüngste Friseurmeisterin Hamburgs. Das war im Juli 1971. Nun wurde die Vierländerin mit einem Goldenen Meisterbrief ausgezeichnet – nach 26 Männern seit Beginn der Vergabe vor sieben Jahren durch den Kreis der Altmeister Bergedorfer Handwerk als erste Frau überhaupt.
Bei Friseurmeister Bendorf am Süderquerweg in Kirchwerder wurde Karin Gladiator von 1965 bis 1968 ausgebildet. „Er suchte damals Lehrlinge und ich dachte mir: ‚Warum nicht‘“, sagt die 75-Jährige und fügt hinzu: „Bendorf betrieb damals elf Friseursalons. Nach der Lehre arbeitete ich in seinen Salons am Norderquerweg und am Kirchwerder Hausdeich.“ Dort war die junge Friseurin beschäftigt, als der Chef 1970 starb. Die Salons wurden verkauft – bis auf einen, berichtet Karin Gladiator. „Ich habe damals mit Bendorfs Witwe gesprochen, weil ich mich gern selbstständig machen wollte.“
Nach 26 Männern: Goldener Meisterbrief erstmals an eine Frau
Die Witwe fand die Idee gut – und Karin Gladiator besuchte den Meisterlehrgang in Altona. Denn damals konnte nur ein Handwerksmeister ein Geschäft betreiben und Lehrlinge ausbilden. Direkt nach der bestandenen Prüfung übernahm sie den Salon am Kirchenheerweg 166 mit den beiden bereits dort arbeitenden Mitarbeiterinnen – und betrieb das Geschäft fast 42 Jahre lang, bis sie im Alter von 63 Jahren 2012 in den Ruhestand ging. Eine langjährige Mitarbeiterin, Sylke Meyns, übernahm das Geschäft und führt es bis heute.
„Ich wollte gleich, als ich das Geschäft 1971 übernommen hatte, Lehrlinge ausbilden. Doch trotz meines frisch erworbenen Meistertitels durfte ich das aufgrund meines jungen Alters nicht“, sagt Karin Gladiator. Sie musste erst eine zusätzliche Prüfung bestehen, in der es um Personalführung ging. Natürlich meisterte die junge Friseurin auch diese Hürde und stellte 1972 die ersten beiden Auszubildenden ein.
In den 1970er-Jahren beschäftigte die junge Friseurmeisterin bis zu zwölf Mitarbeiterinnen
Als Karin Gladiator Kamm und Schere beiseite legte, beschäftigte sie fünf Mitarbeiterinnen. In Spitzenzeiten, in den 70er-Jahren, waren es sogar bis zu zwölf. „Damals brummte das Geschäft, brauchten sich die Kunden nicht anmelden“, erinnert sie sich. Karin Gladiator hatte sich im Laufe der Jahrzehnte einen guten Ruf erarbeitet, ihr Geschäft hatte Hunderte Stammkunden. „Nicht selten waren kurzfristig keine Termine mehr zu bekommen“, sagt sie.
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In den Jahrzehnten am Kirchenheerweg hat Karin Gladiator als Friseurmeisterin auch über die Grenzen Deutschlands hinaus viel angeschoben, bewegt und geleistet. Sie bildete rund 20 Lehrlinge aus. „Sie haben oft den ersten Preis bei Wettbewerben gewonnen“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich habe aber auch viel außerhalb des Salons gearbeitet.“ Karin Gladiator organisierte Modenschauen, etwa in den 80er-Jahren in der früheren Bergedorfer Gaststätte Tschako und in der ehemaligen Diskothek Capeletti in Kirchwerder-Howe, bei denen es natürlich auch auf die Frisuren der Models ankam. Sie schulte Berufskollegen und informierte sie über aktuelle Trends und Techniken bei den Haarschnitten von Damen, Herren und Kindern.
Die Fußballer des FC St. Pauli erwiesen sich als zickige Fotomodelle
Ihr guter Ruf machte die ganz große Runde: Einmal, 1979, wurde die Vierländerin sogar von Moskauer Friseuren in die russische Hauptstadt eingeladen. „Das lief damals über die Innung. Mit Kolleginnen aus Hamburg habe ich auf einer Bühne Models frisiert.“ Für den Bauer-Verlag frisierte sie häufig Fotomodelle, einmal verpasste die Vierländerin den Fußballspielern des FC St. Pauli in den 80er-Jahren neue Frisuren. „Die sollten für Unterhosen in der Neuen Revue werben, hatten aber keine Lust auf anständige Frisuren und waren zickig“, sagt Karin Gladiator und fügt hinzu: „Aber ich habe zurück gezickt.“
Die in Neuengamme aufgewachsene Friseurmeisterin, die seit 1976 an der Heinrich-Osterath-Straße in Kirchwerder lebt, engagierte sich auch in vielen berufsbezogenen Ehrenämtern, etwa in Delegierten-Fachausschüssen, bei Wettbewerbsprüfungen und auch bei Gesellinnenprüfungen.
Die Mitarbeiterinnen schnitten ihrer Chefin die Haare, ohne das sie genörgelt hat
Von wem sich die Meisterin die Haare schneiden lässt? „Von einer befreundeten Friseurmeisterin in Reinbek.“ Ob das für ihre Freundin ein undankbarer Job ist, bei einer so anspruchsvollen Kundin? „Nein, da bin ich entspannt. Früher haben mir meine Mitarbeiterinnen auch die Haare geschnitten, ohne dass ich genörgelt habe.“