Hamburg. Im KulturA wollen Interessierte am Projektdialog teilnehmen. Doch das Format und die Thementische halten nicht, was sie versprechen.

Die Stoppuhr läuft. Ist das wirklich ein Dialog? Da, wo beide Seiten zu möglichst gleichen Teilen zu Wort kommen? Der Besucher des Projektdialogs Oberbillwerder im Saal des KulturA hat sich in der letzten Sitzreihe erhoben, spricht in Richtung des Moderators und Geschäftsführers der IBA Hamburg, Kay Gätgens, und seinen Referenten: „Ich habe mitgestoppt: Sie haben bisher 40 Minuten gesprochen, die Bürger nur fünf Minuten. Für mich“, sagt der Zeitnehmer, „ist das eine reine Werbeveranstaltung für Oberbillwerder und kein Dialog.“

Dicke Luft bisweilen in Neuallermöhes Bürgerzentrum: Dorthin hatten IBA und Bezirksamt eingeladen für den jährlichen Informationsaustausch mit Bürgern. Das hatten sich die Gastgeber Gätgens und Bezirksamtschefin Cornelia Schmidt-Hoffmann dieses Mal „nicht als Frontalveranstaltung“ vorgestellt, wie sie betonen. An drei Thementischen sollten die Gäste nachfragen dürfen zum wasserplanungsrechtlichen Stand des Megaprojekts, zur sozialen Infrastruktur, zu Belangen der Natur und des Umweltschutzes. „So kommen mehr Menschen zu Wort“, meint Gätgens.

Projektdialog Oberbillwerder: An Thementischen werden Grundsatzfragen gestellt

Jedoch treffen, das ist der erste Eindruck, weder Format noch Thementische das, was den Kritikern auf den Nägeln brennt. Sie wollen lieber Grundsätzliches zu Oberbillwerder diskutieren, besprechen, infrage stellen. Wenn 7000 Wohnungen auf 118 Hektar Fläche gebaut werden: Wie kommen Autofahrer trotzdem hinein ins „autoarme“ Quartier? Reichen die bisher geplanten drei Anbindungen, um einen Verkehrskollaps im restlichen Bergedorf zu verhindern? Wie funktioniert dort denn Arbeiten und Wohnen nebeneinander? Das interessiert nicht nur Skeptiker. Und immer wieder ist diese Frage herauszuhören: „Welche Belastungen erwartet uns als umliegende Bewohner?“

Doch es gibt auch diejenigen, die ernste Absichten für ein Leben in Oberbillwerder hegen, sich für eine Wohnung oder Haus am liebsten mit Garten dort begeistern können. Sieben Interessierte zeigen auf, als Moderator Gätgens anfangs genau dies abfragt, wer denn wirklich über Oberbillwerder als Lebensmittelpunkt nachdenkt. Henry Schmoldt tut das zum Beispiel: Der 34-Jährige ist extra aus Neugraben nach Neuallermöhe gekommen. Gemeinsam mit seinem Partner sucht Schmoldt ein neues Zuhause in einem innovativen Stadtteil, nachdem beide seit neun Jahren in einem Neubaugebiet nahe der S-Bahnstation leben. Jetzt soll es Oberbillwerder werden: „Das Quartierskonzept finde ich ansprechend, vor allem diesen durchlaufenden Grünen Loop.“

Wer sich bewerben will, braucht jahrelange Geduld

Allgegenwärtig sind auch die Vertreter der Dorfgemeinschaft Billwärder, erklärte Oberbillwerder-Gegner, die ihre Flugblätter „Oberbillwerder stoppen! Es ist nie zu spät“ schon am Eingang des Bürgerzentrums verteilen. Auch an Schmoldt, der sich aber nicht beirren lässt: „Ich habe diese zumeist älteren Leute auch gefragt, wie sie denn wohnen, wie groß ihr Haus ist.“ Diese doppelte Moral findet der Werftinstallateur fadenscheinig.„Wir sollten uns generell wieder mehr urbanisieren. Meine Generation hat das Geld, bekommt aber keinen ausreichenden Wohnraum mehr.“

Oberbillwerder
Eigentlich hatte der Thementisch von Andreas Prochaska und Arne von Maydell die Überschrift „Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren“, doch die Nachfragen gingen dann doch mehr in Richtung Grundsätzliches. © BGDZ | Jan Schubert

So ganz kann der Gast aus dem Bezirk Harburg aber eine gewisse Ernüchterung nicht verbergen. Denn Schmoldt hätte konkreter interessiert, ab welchem Zeitpunkt und wo sich Interessierte für Wohnungen und Häuser in Oberbillwerder bewerben können. „Ich hatte eigentlich auf ein persönliches Gespräch mit einem Fachmann gehofft.“ Der IBA-Chef muss da noch ein wenig vertrösten, denn vor der ersten Bewerbung braucht es ja Bauinvestoren und zwingend auch einen gültigen B-Plan. „Ich gehe davon aus, dass die Vermarktung der Grundstücke nicht vor dem Jahr 2027 startet“, sagt Kay Gätgens. 15 bis 20 Jahre soll es wohl dauern, bis das Gesamtgelände komplett erschlossen und bebaut ist.

Bezirksamtsleiterin informiert auch zum Thema Evokation

An den Infotischen ging es übrigens im gesitteten Ton zu, was nach der Einleitung mit Grußworten, Planungsstand und kleiner Fragerunde zumindest zweifelhaft war. Vor allem umlagert wurden Andreas Prochaska (Technische Leitung IBA) und Pressesprecher Arne von Maydell, die Fragen zum wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren so geduldig wie möglich beantworten wollten. Dort wollten sie eigentlich darüber sprechen, dass dieser Beschluss frühestens 2027 steht, doch bis dahin alle Vorhaben, die nicht Wasserrecht oder Grabensystem betreffen, vorangetrieben werden dürfen. Doch dieser am meisten umlagerte Tisch wurde dann für Grundsätzliches „missbraucht“ – für Fragen vor allem nach dem Mobilitätskonzept, was Anbindungen, Verkehrszahlen, ÖPNV und weiteres angeht.

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Auch Bezirksamtsleiterin Schmidt-Hoffmann ging noch ins direkte Gespräch mit Bürgern, die die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts infrage stellen. Skeptisch wurde gefragt: „Welcher Investor zahlt denn diese Summen und wer soll sich diese Wohnungen leisten können? Das sind doch Traumwelten.“ Doch Schmidt-Hoffmann blieb souverän und ging von sich aus auf das Thema der Planungsübernahme durch den Hamburger Senat ein. Eine Evokation sei bei Projekten dieser Größenordnung „nichts Außergewöhnliches“, vielmehr die Regel. Und weiter: „Wir Bergedorfer hätten natürlich auch gern über Oberbillwerder entschieden, aber der B-Plan ist ja hier auch mit erarbeitet worden.“