Hamburg. ...und er hat einen Zweitwohnsitz in Altengamme. Alles über das verrückte Fußball-Wochenende der Vierländer Vereine.
Ausnahmezustand am Deich: Über die gesamte Straße „Auf dem Sülzbrack“ in Kirchwerder hinweg stehen die Autos beim Derby in der Fußball-Landesliga zwischen dem SC Vier- und Marschlande und dem SV Curslack-Neuengamme. 400 Meter Blech an Blech. Wohl über 300 Zuschauer – die Zahl war schwer zu schätzen – drängen sich auf dem Sportplatz am Zollenspieker. „Das ist ein echter Hexenkessel hier“, lobt Curslacks Trainer Olaf Poschmann.
Deutlich gemächlicher geht es einige Kilometer entfernt beim zweiten Derby zwischen dem VfL Lohbrügge und dem SV Altengamme zu. Knapp 100 Interessierte wollen wissen, ob die jungen Himmelsstürmer des VfL als Tabellendritter oben dran bleiben würden, oder ob der SV Altengamme nach sechs sieglosen Spielen nun endlich die Kurve kriegen wird. Nach dem Ende der beiden Partien ist klar: Der Fußballgott ist ein Curslacker, aber er hat einen Zweitwohnsitz in Altengamme!
Drama am Zollenspieker: Der Fußballgott ist ein Curslacker
Ein Fußball-Drama war es hüben wie drüben. Am Zollenspieker sahen die Vier- und Marschländer schon wie die sicheren Sieger aus, als sie nach Toren von Lars Vollrath (24.) und David Toth (31.) zur Pause schon mit 2:0 in Führung lagen. Doch ein schneller Anschlusstreffer kurz nach dem Wechsel durch Luca Winterfeld war der Beginn der Wende (48.), die Stjepan Brkic (55.) und Witalij Wilhelm (85.) schließlich perfekt machten.
„Das zeichnet diese Mannschaft einfach aus, dass sie immer zurückkommt“, schwärmte Poschmann hinterher von seinem Team. „Sie hat diese Mentalität, wenn sie zurückliegt, die Situation anzunehmen und die Partie dann noch zu drehen. Wobei natürlich das Tor zum 1:2 für uns genau zum richtigen Zeitpunkt so kurz nach der Pause gefallen ist.“
SCVM-Kapitän Lars Vollrath: „Diese Landesliga ist unberechenbar“
„Wir haben trotzdem kein schlechtes Spiel gemacht“, betonte SCVM-Kapitän Lars Vollrath. „Für mich war es einfach eine Phase von acht, neun Minuten zu Beginn der zweiten Halbzeit, in der wir die Kontrolle verloren haben. Diese Landesliga ist so unglaublich ausgeglichen, so unberechenbar. Da kann wirklich jeder jeden schlagen.“
Bitter für den SC Vier- und Marschlande: Vollrath sah genauso wie Stürmer David Toth Gelb-Rot. Beide fehlen damit im Auswärtsspiel am kommenden Freitag beim SC Schwarzenbek (20.15 Uhr, Schützenallee). Das ist dann ein echtes Kellerduell, denn beide Teams trennen nur drei Punkte, und Schwarzenbek liegt auf einem Abstiegsplatz.
Curslacker feierten den Derbysieg noch lange nach dem Schlusspfiff
Die Curslacker hingegen feierten noch lange nach Spielschluss mit ihren Fans. „Aber komm‘ mir jetzt bloß nicht mit Oberliga-Aufstieg“, nahm Poschmann ein Thema sofort von der Agenda. Also gut: Dann vermerken wir halt ganz sachlich, dass die Curslacker nach Punkten mit Spitzenreiter HT 16 gleichgezogen haben. „Das war heute ganz, ganz wichtig“, atmete Sportchef Torsten Henke auf.
Ein Satz, dem wohl auf dem anderen Platz jeder Altengammer beigepflichtet hätte, nachdem der 2:1-Auswärtssieg beim VfL Lohbrügge feststand. VfL-Coach Elvis Nikolic war frustriert: „Wir sind heute an unserer mangelnden Chancenverwertung gescheitert.“ Selbst eine 1:0-Führung durch Owusu Kofi Manu, der im Strafraum gedankenschnell und erfolgreich nachsetzte (23.), sowie eine Überzahl nach der Gelb-Roten Karte für Altengammes Christopher Kleinert reichte den Lohbrüggern nicht.
Altengammes schmerzhaftes Ausgleichstor bringt die Wende
Denn die Vierländer warfen alles rein, was durchaus wörtlich zu nehmen war, als Laurin Pax am zweiten Pfosten in eine scharfe Flanke hechtete und äußerst schmerzhaft auf die rechte Schulter prallte. Doch der Ball war drin, es war das hart erkämpfte 1:1 (55.). Und es sollte noch besser kommen, als Jonas Buck in der Nachspielzeit den Ball an der Strafraumgrenze bekam, sich die Kugel bedrängt von drei Gegenspielern in aller Ruhe zurechtlegte und sie zum 2:1-Siegtreffer rechts oben in den Winkel schlenzte (90.+5).
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Den anschließenden Sprint zum Siegtorschützen gewann Co-Trainer Alexander Müller. Er war der Erste in der Jubeltraube. „Bei mir war halt die Kraft noch da“, schmunzelte Müller. Angesichts des späten Happy Ends war es dann auch völlig egal, dass die Altengammer über weite Phasen nur ideenlos mit langen Bällen agiert hatten. „Das war nicht unsere Spielidee“, gab Müller zu. „Aber wenn wir heute halt so gespielt haben, dann ist es okay. Wenn man sechs, sieben Wochen lang nie gewinnt, dann ist natürlich Verunsicherung da. Und diese langen Bälle geben Sicherheit.“
SV Altengamme imponierte vor allem in kämpferischer Hinsicht
Seinem Team hatte er zuvor schon im abschließenden Mannschaftskreis ein dickes Lob ausgesprochen. „Taktisch, kämpferisch, moralisch war das heute richtig gut! Geht feiern!“, rief Müller in die Runde. Und das war ein Motto, dem sie in Altengamme genauso wie in Curslack nach diesem denkwürdigen Spieltag sicher gerne nachgekommen sind.