Hamburg. Der BMW X1 von Burkhard Zieroth soll sich plötzlich selbstständig gemacht haben. Aus Geesthacht wird ein ähnlicher Unfall berichtet.

Am 17. Oktober ist Burkhard Zieroth auf dem Weg zu seinem Juweliergeschäft in Lohbrügge. Der Unternehmer will seinen elektrischen BMW X1 in der Nähe abstellen, in einer Parkbucht an der Hein-Möller-Straße. Dort ist an diesem Tag reichlich Platz, kein anderes Auto steht in diesem Abschnitt am Straßenrand. Zieroth fährt vorwärts auf die Stellfläche und legt den Rückwärtsgang ein. Dann geschieht es. „Das Auto hat von allein Vollgas gegeben“, schildert der Juwelier die Situation. Das E-Auto beschleunigt unkontrolliert rückwärts über mehr als zehn Meter und prallt mit voller Wucht gegen ein Bäumchen am Ende der Parkbucht.

„Zum Glück haben die Türen nicht geklemmt und es hat auch nicht gebrannt“, beschreibt Burkhard Zieroth die Folgen des Unfalls. Er kann das Fahrzeug selbstständig verlassen. Allerdings leidet er seit dem Aufprall an Rückenschmerzen. „Das Auto ist nach meiner Einschätzung ein Totalschaden“, so der Kfz-Besitzer. Das Heck sei komplett kaputt. Der Bergedorfer hat das fast neuwertige Elektroauto vor weniger als einem Jahr angeschafft. Derzeit wird das Ausmaß des Schadens in einer Fachwerkstatt abgeklärt. Doch der Pkw-Besitzer stellt sich vor allem die Frage: Warum ist sein Auto plötzlich einfach losgerast? Denn Zieroth ist sich sicher, dass er nicht selbst das Gaspedal durchgetreten hat.

Unfall in Bergdorf: E-Auto soll sich selbstständig gemacht haben

Der Lohbrügger Geschäftsmann vermutet, dass er nicht der einzige Fahrer in der Region ist, dessen E-Auto sich selbstständig gemacht hat. Am 16. Oktober berichtete die Bergedorfer Zeitung von einem Unfall in Geesthacht, bei dem ebenfalls ein BMW X1 auf einem Parkplatz plötzlich beschleunigte und über Straßen und Gehwege raste, bis er gegen eine Straßenlaterne prallte. Der Fahrer blieb unverletzt. „Die Schilderung in der Zeitung deckt sich mit dem, was ich erlebt habe“, sagt Zieroth.

Das Magazin der „Der Spiegel“ berichtete im September über den Fall von Simone Stolz. Die Autofahrerin aus Greven in Nordrhein-Westfalen fuhr nach ihrer Schilderung mit ihrem VW ID.3 im sogenannten Kriechmodus an eine Kreuzung heran – sie hatte also den Fuß nicht auf dem Gaspedal, das Fahrzeug bewegte sich mit circa fünf Kilometern pro Stunde. Als sich vor ihr ein Stau bildete, trat sie auf die Bremse, doch das E-Auto stoppte nicht. Stattdessen rollte das Fahrzeug zunächst in das Heck des vor ihm stehenden Pkw hinein und beschleunigte dann sogar. Der VW schob so laut Simone Stolz mehrere Fahrzeuge ineinander, obwohl sie das Gaspedal nicht getreten habe.

E-BMW verpasst Kreisel in der Geesthachter Rathausstraße und brettert Verkehrsschild um
In Geesthacht prallte ein BMW X1 mit Elektromotor gegen eine Straßenlaterne, weil das Auto von einem Parkplatz aus plötzlich beschleunigte. © Leimig, Christoph | Leimig, Christoph

VW wies die Beschwerde der Frau zurück und sagte, laut Unfalldatenschreiber habe Stolz das Gaspedal voll durchgedrückt. Bis heute wehrt sich die Grevenerin gegen diese Einschätzung und beharrte gegenüber dem „Spiegel“ auf ihrer Version der Ereignisse. In deutschen Internetforen zum VW ID.3 berichten Fahrer vereinzelt ebenfalls davon, dass ihre Autos beim Einparken ungewollt beschleunigen. Eine Theorie ist, dass durch einen Touch-Screen am Lenkrad ungewollt der Tempomat eingeschaltet wird. Auch Elektroauto-Pionier Tesla wird immer wieder mit Berichten über ungewollt losfahrende Autos konfrontiert. Im Sommer 2023 begann die amerikanische Behörde für Fahrzeugsicherheit eine erneute Untersuchung.

TÜV und ADAC: Meist steckt menschliches Versagen hinter den Fällen

TÜV und ADAC zeigen sich auf Nachfrage der Bergedorfer Zeitung dagegen skeptisch. „Das Phänomen der selbstständigen Beschleunigung ist gefühlt genauso alt wie das Auto selbst“, erklärt TÜV-Sprecher Claas Alexander Stroh. Er bestätigt, dass sich in Medien und Internetforen viele Berichte zu dem Thema finden – sowohl über E-Autos als auch über Verbrenner. Stroh betont aber auch: „In den meisten Fällen sind es Bedienungsfehler der Fahrerinnen oder Fahrer“. In der Rückrufdatenbank des deutschen Kraftfahrtbundesamts gebe es aktuell bei keinem Hersteller entsprechende Hinweise auf eine Fehlfunktion.

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Auch ADAC-Sprecher Christian Hieff kann sich zwar nicht zum konkreten Fall von Burkhard Zieroth äußern. Grundsätzlich würde auch er aber in solchen Fällen von menschlichem Versagen ausgehen. Moderne Fahrzeuge hätten eine sogenannte Blackbox, die genau dokumentiert, wie stark ein Fahrzeug beschleunigt hat und ob Gas- oder Bremspedal betätigt wurden. Er gibt außerdem zu bedenken: „E-Autos beschleunigen viel stärker als Verbrenner, weil das Drehmoment sofort anschlägt.“ Ein ungewollter Druck auf das Gaspedal könne also gravierende Folgen haben. Hieff setzt daher eher auf neue technische Lösungen. Ein Notbremsassistent könnte solche Situationen in Zukunft verhindern.

Burkhard Zieroth möchte der Ursache für seinen Unfall weiter auf den Grund gehen, fragt sich auch, warum das automatische Bremssystem nicht eingriff. Daher würde sich der Lohbrügger Geschäftsmann gern mit dem Fahrer des Unfallwagens aus Geesthacht austauschen, um mögliche Parallelen bei den Vorfällen zu besprechen. Der Fahrer des anderen BMW X1 kann sich unter (040) 72566239 bei der Redaktion der Bergedorfer Zeitung melden. Der langjährige BMW-Kunde Zieroth hatte zwar viel Spaß mit seinem E-Auto. Als Ersatz für sein stark beschädigtes Fahrzeug würde er aber doch wieder auf einen Verbrenner setzen.