Hamburg. Im Landgestüt Redefin dreht sich alles um die Hengste. Gute Vererber sind für die Zucht entscheidend. Die Stuten hingegen zählen kaum.
Meine Tochter ist außer sich vor Begeisterung: „Hier gibt es sieben Ställe. Die müssen wir alle besichtigen!“ Wir sind auf dem Landgestüt Redefin in Mecklenburg-Vorpommern. Schon bei meiner ersten Frage wird klar, dass ich hier nicht wirklich hingehöre. „Ist denn nicht ein Stall wie der andere?“ Frau und Tochter rollen mit den Augen. „Nein, natürlich nicht“, bequemt sich meine Zwölfjährige zu einer Antwort. „Es gibt Ställe für Zweijährige, für Dreijährige und so weiter.“ Aha.
Unser Bergedorfer Blog „Volkers Welt“ ist unterwegs. Das Landgestüt Redefin ist ein Paradies für Pferde. Genauer gesagt: für Hengste. Denn ein Landgestüt beherbergt nur männliche Vierbeiner, ein Hauptgestüt hingegen sowohl Hengste als auch Stuten. Die Herren der Schöpfung spielen bei der Pferdezucht die Hauptrolle. Bei den Nachkommen ist es fast egal, wer die Mutter ist. Entscheidend ist immer die männliche Abstammung.
Landgestüt Redefin: Frodo, Legolas und Co. – Impressionen vom Paradies der Pferde
Das wird uns überdeutlich vor Augen geführt, als wir in einem der Ställe ein Pferd entdecken, das noch keinen Namen hat. „Sohn von Totilas“, steht da nur an der Box. Und Totilas, das weiß selbst ich, war das großartigste Dressurpferd, das es je gegeben hat. Ein lackschwarzer Hengst, der mit seiner Eleganz sämtliche Rekorde brach. Kurz gesagt: das perfekte Pferd. 8000 Euro kostete es einen Stutenbesitzer, wenn er sein Pferd von Totilas decken lassen wollte. Über 1000 Fohlen zeugte der 2020 an einer Kolik verstorbene Totilas. Dank eingefrorenem Sperma kommen immer noch welche hinzu.
Aber die Tochter zieht es zu den Dreijährigen. „Frodo, wo ist Frodo?“ Der war beim letzten Besuch vor einem Jahr ein „total süßer Zweijähriger“, wie sie versichert. Also muss er jetzt ja drei Jahre alt sein. Doch im Stall der Dreijährigen keine Spur von ihm. Genug andere Pferde, aber kein Frodo. „Der ist verkauft worden“, zielt eine der Bereiterinnen mit dem Dolch tief ins Herz. Tja, so ist das halt das Geschäft in einem Pferdezuchtbetrieb. Man züchtet Pferde nicht, um sie alle zu behalten. „Aber Legolas ist noch da“, tröstet die Bereiterin. „Die Gemeinschaft des Rings wurde getrennt“, sage ich, nur um auch mal was zu sagen.
Erfolgreiche Vererber werden „Stempelhengst“ genannt
Pferdebesitzer sind also offensichtlich auch Herr-der-Ringe-Fans. Wobei die Freiheiten bei der Namensfindung begrenzt sind. Denn den ersten Buchstaben gibt – wie sollte es anders sein – der Name des Vaters vor. Heißt der Vater Gandalf, kann Fohlen Galadriel heißen, aber niemals Arwen, Frodo oder Bilbo. Erfolgreiche Vererber, die über gute Anlagen als Arbeitspferde, für Pferderennen, Dressur oder Springreiten verfügen und diese Eigenschaften auch weitergeben, werden „Stempelhengst“ genannt, weil sie den nachfolgenden Generationen ihren Stempel aufdrücken.
Tradition ist wichtig im Pferdesport und in der Pferdezucht. „Das Landgestüt Redefin ist ein in Funktion befindliches Denkmal“, drückt es die kommissarische Geschäftsführerin Kristin Romanowski auf der traditionellen Hengstparade aus. Mehr als 1000 Besucher kommen regelmäßig zu diesen Pferdeschauen. Pferdezucht wurde in Redefin schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts betreiben. Im Jahr 1812 wurde dann das Landgestüt Redefin von Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin (1756-1837) gegründet. Der Herzog ging in die Geschichte ein, weil er in seinem Herrschaftsgebiet die seit dem Mittelalter existierende Leibeigenschaft aufhob.
28 Hengste, sogenannte „Landbeschäler“, sorgen für Nachwuchs
Die älteste Kutsche, die sich im Besitz des Landgestüts Redefin befindet, stammt aus dem Jahr 1863, aus einer Zeit also, bevor das Automobil seinen Siegeszug angetreten hatte. Heute umfasst der Bestand des Landgestüts 28 Hengste, sogenannte „Landbeschäler“, die auf zwei Besamungsstationen zum Einsatz kommen. Das ist nur noch ein geringer Betrieb, verglichen mit früheren Zeiten. Im Jahr 1920, dem Rekordjahr, zeugten 176 Hengste über 10.000 Fohlen, weil Pferde damals, vor der Technisierung der Landwirtschaft, noch sehr viel stärker als Arbeitstiere gefragt waren.
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Heute sind Pferde eher Sportpartner und Statussymbol. Ein niedliches braun-weißes Pony namens Lasse wird auf der Hengstparade unter den Zuschauern verlost. Jedes Los kostet nur zwei Euro. Doch gewinnen kann nur, wer in der Lage ist, dem Pferdchen ein angemessenes Zuhause zu bieten. Unser Garten würde dafür wohl kaum reichen.
In der Mythologie stehen die Pferde für die vier Elemente
Aber faszinierend ist sie schon, diese Welt der Vierbeiner. Pferde hatten früher eine so elementare Bedeutung für den Menschen, dass sie in der Mystik mit den vier Elementen verbunden werden: Der Rappe steht für die Luft, der Braune für die Erde, der Schimmel für das Wasser und der Fuchs für das Feuer. Gut, das braucht Fantasie, aber das Internet ist voll mit Esoterik-Ansätzen à la „Erkenne dein Pferd mit den vier Elementen“. Man muss halt nur fest dran glauben.