Hamburg. Sebastian Struss war 15 Jahre lang für acht freiwillige Wehren zuständig. Dabei gab es auch tragische Ereignisse zu bewältigen.
Umzugskartons musste Sebastian Struss noch nie packen. Zeit seines Lebens hat der 45-Jährige bisher am Allermöher Deich gelebt. Doch nun heißt es doch bald Kartons und Koffer einräumen. Denn Sebastian Struss wird umziehen. Und das bedeutet gleichzeitig, dass 279 Kameradinnen und Kameraden in acht Marschländer Feuerwehren einen neuen „Häuptling“ bekommen.
Der 45-Jährige verlässt nicht nur Allermöhe, sondern auch die Marschlande und wird damit nach 15 Jahren als Bereichsführer der Freiwilligen Feuerwehren zurücktreten. Der 30. September ist offiziell sein letzter Tag in diesem Amt. Doch einfach so lassen ließen ihn „seine Wehren“ keineswegs ziehen: Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Delegationen der Marschländer Wehren machten am Donnerstagabend (26. September) vor seinem Haus Halt, um ihn zur großen Verabschiedung im Feuerwehrhaus Allermöhe abzuholen.
Feuerwehr: Sebastian Struss nimmt Abschied von seiner Marschländer Heimat
Jetzt, wo sein Amtsende immer näher rückt, fühle es sich schon komisch an, gibt Sebastian Struss zu. Doch er freut sich auch sehr auf das, was kommt und mehr Zeit, für seine Familie zu haben, zu der Ehefrau Sarah und seit zwei Jahren auch Söhnchen Milan gehört. Und das ist auch der Grund für den Umzug. Denn mit der Geburt des Sohnes wurde es in der Wohnung in seinem Elternhaus am Allermöher Deich allmählich zu eng, passe die Wohnsituation nicht mehr zur Lebenssituation, erklärt Sebastian Struss.
Eigentlich ist das Grundstück am Allermöher Deich groß genug, um dort noch ein weiteres Häuschen für seine Familie zu errichten. Doch da dort kein Bebauungsplan existiert, schied diese Option aus. Man habe alles Mögliche versucht und etwa zwei Jahre lang nach einer Immobilie gesucht, aber habe einfach nichts Passendes gefunden. Und damit ereilt ihn selbst genau das Schicksal, was er wohl von Beginn an als Bereichsführer angemahnt hat.
In Börnsen hat die Familie ein neues Zuhause gefunden
„Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, gerade auch für junge Kameraden“, erklärt Sebastian Struss. Viele ausgebildete Einsatzkräfte würden daher ihre Heimat und damit auch ihre Wehr verlassen, weil sie nach dem Auszug aus dem Elternhaus schlichtweg keine Wohnung in der Nähe finden würden. Etwa 15 Kilometer weiter östlich, aber eben raus aus Hamburg und den Marschlanden, sind Sarah und Sebastian Struss schließlich fündig geworden. In Börnsen sanieren sie seit Juni ein Haus und möchten noch in diesem Jahr einziehen. „Ich möchte dort unterm Weihnachtsbaum sitzen“, sagt Sebastian Struss.
Nachdem er mit 17 Jahren in die Feuerwehr Allermöhe eingetreten war und sich mit Ende 20 bereits als Bereichsausbilder für die Marschländer Wehren engagiert hatte, wurde er 2009 im Alter von 30 Jahren zum Bereichsführer gewählt. Und war damals hamburgweit mit Abstand der Jüngste in diesem Amt. Historisch sei er zwar nicht der Jüngste aller Zeiten, aber dafür derzeit der Jüngste, der am längsten im Amt ist, stellt Sebastian Struss fest, der beruflich als Abteilungsleiter in einer Bergedorfer Firma für Anlagenbau, Lüftung und Klima tätig ist.
Aufgaben des Bereichsführers sind viel umfassender geworden
Das erste Feuer als Bereichsführer im November 2009 war sogleich eine besondere Herausforderung, als in Billwerder das Elternhaus des örtlichen Wehrführers abbrannte. Es war das zweite tragische Ereignis in der Wehr innerhalb von nur eineinhalb Jahren, nachdem im März 2008 die Verlobte des vorherigen Wehrführers bei einem Unfall auf dem Billwerder Billdeich zu Tode gekommen war, als ein Auto sie erfasste. Am Steuer saß ein junger Feuerwehrkamerad aus der FF Billwerder. Die Nachwirkungen seien noch sehr lange zu spüren gewesen, weiß Sebastian Struss.
Als Bereichsführer führte er zahlreiche Gespräche dazu. Zu dem Zeitpunkt hatte der Posten noch keine größeren Aufgaben, war er selten am Einsatzgeschehen beteiligt und eher ein Bote gewesen, der Dienstpost ausgefahren hat. Die Zeiten sind allerdings längst vorbei und vielfältige Aufgaben hinzugekommen. Bei Großfeuern, wie am Moorfleeter Deich, am Stenzelring oder immer wieder an der Billstraße koordinierte Sebastian Struss die gesamte Wasserversorgung.
Mit 45 Jahren geht es nun in die Ehrenabteilung
Ebenso wenn die Marschländer Wehren auf dem Wasser im Einsatz waren, etwa wenn ein Schiff auf der Elbe havarierte oder vermisste Personen in einem der Badeseen gesucht wurden, war Sebastian Struss dabei, um die Boote per Funk zu koordinieren. Auch in der Deichverteidigung oder als Mitglied der Vertreterversammlung der hanseatischen Feuerwehrunfallkasse Nord engagierte sich der Bereichsführer in den vergangenen Jahren. Die vielen Ehrungen und das jährliche Treffen mit den Mitgliedern der Ehrenabteilungen haben ihm besonders gut gefallen.
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All diese Aufgaben und Termine werden künftig wegfallen. Ist ein Leben ohne Freiwillige Feuerwehr für ihn überhaupt denkbar? Zu den Börnsener Kameraden würden bereits Kontakte bestehen, gibt Sebastian Struss zu. Aber erst mal möchte die Familie dort ankommen und sich einleben. Und er wird nun erneut einen Rekord aufstellen: Mit 45 Jahren wird Sebastian Struss das mit Abstand jüngste Mitglied in der Ehrenabteilung der FF Allermöhe-Billwerder sein. Denn so wird er weiterhin Teil der Wehr bleiben können, auch wenn er nicht mehr in ihrem Bereich wohnt: „Denn es ist und bleibt eben meine Heimat.“