Hamburg. Primär fliegt der Bundeswehr-Helikopter aus Wandsbek Einsätze in Bergedorf und Umgebung, obwohl in Boberg Christoph Hansa stationiert ist.

Wenn der dröhnende Lärm von Rotorblättern den Himmel über Bergedorf erfüllt, richtet sich so mancher Blick nach oben. Obwohl sich die Heimat des ADAC-Rettungshubschraubers Christoph Hansa direkt in Boberg am dortigen BG Klinikum befindet, fliegt regelmäßig der orangefarbene Helikopter Christoph 29 vom Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek durch das Sichtfeld. Eine harmlose Beobachtung?

Dennis Gladiator sieht das anders. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete fragt gegenüber dem Senat nach: Kann es sein, dass der Bundeswehr-Heli für Rettungseinsätze im Süden und Südosten von Hamburg sowie in den angrenzenden Regionen unterwegs ist, obwohl der näher stationierte Christoph Hansa verfügbar wäre?

Hubschrauber aus Bergedorfer soll weniger Rettungseinsätze fliegen

Seine Anfrage hat Gladiator nach Hinweisen aus dem Umfeld der Hamburger Luftrettung formuliert. Der Christdemokrat spricht von möglichen Einsatzverzögerungen und Patientengefährdung. Schließlich geht es bei schweren medizinischen Notfällen um Minuten. „Offenbar gibt es eine Änderung bei der Disposition von Rettungshubschraubern in der Notfallrettung in Hamburg“, betont der Bergedorfer Abgeordnete.

Nach den Anweisungen aus dem November 2023 soll der Hubschrauber eingesetzt werden, der näher am Einsatzort ist. Seit April gelte laut Gladiators Informationen jedoch eine neue Regel: Nun fliege der Bundeshubschrauber regelmäßig über Bergedorf hinweg, während Christoph Hansa am Boden bleibt. Aber warum?

Senat verweist auf unterschiedliche Aufgabenfelder der beiden Helikopter

Die Antwort des Senats ist eindeutig: „Die räumliche Nähe des Rettungsmittels ist dabei nicht immer das alleinige Auswahlkriterium.“ Stattdessen sei der Bundeswehrhelikopter aufgrund seiner Ausstattung grundsätzlich für Primäreinsätze vorgesehen, bei denen ein Notarzt zum Einsatzort gebracht wird, um Patienten zu versorgen. Der Hubschrauber Christoph Hansa aus Boberg ist dagegen vor allem für Sekundärtransporte eingeplant – soll also Intensivpatienten möglichst schnell von einem Krankenhaus in ein anderes verlegen.

Die neue Dispositionsregel für die zuständige Rettungsleitstelle der Feuerwehr soll die vorhandenen Ressourcen optimieren. Würde allein nach räumlicher Nähe zum Einsatzort alarmiert werden, bestünde laut Senat die Gefahr, dass Christoph Hansa Primäreinsätze fliegt und dann nicht für Krankentransporte zur Verfügung steht. Diese müssten dann von der Bundeswehr übernommen werden. Eine Änderung der Strategie sei daher nicht geplant.

Der Bundeswehrhubschrauber Christoph 29 wird nach aktueller Strategie vor allem für Rettungseinsätze gerufen.
Der Bundeswehrhubschrauber Christoph 29 wird nach aktueller Strategie vor allem für Rettungseinsätze gerufen. © NEWS & ART | Carsten Neff

Dennis Gladiator stellt diese Antwort nur teilweise zufrieden. „Ich finde es nachvollziehbar, dass man sagt: Die Hubschrauber haben verschiedene Spezialausrüstungen und sind für unterschiedliche Einsätze unterschiedlich gut geeignet.“ Allerdings dürfen solche Erwägungen aus der Sicht des Christdemokraten nicht das Prinzip der schnellstmöglichen Hilfe verwässern. „Das muss oberste Maxime bleiben“, betont der CDU-Mann. Das Personal in der Leitstelle sei kompetent genug, um diese Entscheidungen ohne eine strikte Anweisung umzusetzen.

Tatsächlich gilt laut ADAC-Website Christoph Hansa zwar immer noch als Intensivtransporthubschrauber. Die Crew des Helikopters fliegt aber längst mehr Primäreinsätze, vor allem seitdem das neue Hubschraubermodell H145 seit Anfang 2022 im Einsatz ist. Die größere Maschine bietet zwar auch mehr Platz an Bord für die Betreuung von Intensivpatienten. Durch die nachgerüstete Rettungswinde kann sich der an Bord befindliche Notarzt aber direkt zu einem Patienten in unzugänglicher Lage abseilen oder die Person sogar direkt bergen. Der Bundeswehrhubschrauber Christoph 29 verfügt nicht über ein solches Gerät.

Christoph Hansa wurde nach Flutkatastrophe im Ahrtal mit Winde ausgestattet

Die Winde wurde auch als Reaktion auf die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 angeschafft. Das Gerät dient jedoch nicht nur der Wasserrettung, sondern kommt auch dann zum Einsatz, wenn der Landevorgang des Hubschraubers in einer kritischen Situation zu viel Zeit kosten würde oder der Patient anders nicht zu erreichen wäre. So seilte sich ein Boberger Notarzt im August 2023 in Lohbrügge im engen Brüdtweg ab, als ein Kind aus dem vierten Stock gestürzt war.

Angesichts der relativ kurzen Distanzen in Hamburg ist der Senat in seiner Antwort nicht der Ansicht, dass eine mögliche Verzögerung die Patienten in Gefahr bringe. Die Entfernung zwischen dem Standort des Bundeswehr-Helikopters in Wandsbek und der Christoph-Hansa-Basis in Boberg beträgt Luftlinie 11,6 Kilometer. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 220 km/h könnte ein Rettungshubschrauber diese Strecke in drei Minuten zurücklegen – potenziell kostbare Zeit bei einer akuten Herzerkrankung.

Herzerkrankungen sind der häufigste Einsatzgrund für Christoph Hansa

Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen machten im vergangenen Jahr 33 Prozent der Einsätze bei der ADAC-Luftrettung in Boberg aus – der häufigste Grund, um in die Luft zu gehen. Aktuelle Einsatzzahlen für 2024 liegen für die Rettungshubschrauber noch nicht vor. Die aktuellen Einsätze – wie von Dennis Gladiator gewünscht – auszuwerten war laut Senat aus Zeitgründen nicht möglich.

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Der Senat argumentiert außerdem, dass die Erstversorgung in Hamburg meist schon von Rettungsdiensten übernommen werde, die mit dem Auto vor Ort ankommen. Gerade im ländlichen Raum ist der Arzt im Helikopter jedoch immer wieder als Erstes vor Ort. Eine längere Flugzeit kostet zudem Geld. Eine Flugminute eines Rettungshubschraubers wird mit 40 bis 90 Euro abgerechnet.

Der Rettungsauftrag am Standort Boberg wird im Jahr 2025 für weitere 15 Jahre ausgeschrieben. Der ADAC wollte sich auf Nachfrage der Bergedorfer Zeitung nicht zu der Situation äußern. Dennis Gladiator hat angekündigt, das Thema in der Bürgerschaft erneut zur Sprache zu bringen.