Hamburg. Bergedorfs Linke um baulichen Zustand besorgt. Eine Anfrage der AfD sorgt für Irritation. Das sagt Hamburgs Sozialbehörde.
Man könnte vermuten, dass Menschen, die vor einem brutalen Krieg geflüchtet sind, nichts Besseres zu tun hätten, als ihren sicheren Zufluchtsort kaputtzumachen: So jedenfalls liest sich eine Anfrage der AfD-Fraktion in der Bergedorfer Bezirksversammlung: „Wie hoch waren die durchschnittlichen Renovierungskosten pro Wohnung, Flüchtlingsunterkunft, Hotel und anderen Unterbringungsmöglichkeiten in Bergedorf nach dem Auszug von Geflüchteten?“, wollen die Lokalpolitiker wissen und fragen nach einem „Trend steigender oder sinkender Kosten“.
Sehr detailliert und deutlich antwortet hier die Sozialbehörde nach Rücksprache mit Fördern und Wohnen: Das Merkmal „Geflüchtete“ sei nicht relevant und werde daher nicht gesondert erhoben. „Es findet lediglich eine Differenzierung von untergebrachten Personen in nicht-wohnberechtigte Zuwanderer und wohnberechtigte Zuwanderer sowie Wohnungslose statt. Auch Wohnungslose können eine individuelle Fluchtgeschichte haben.“
AfD-Anfrage: Wie teuer ist die Renovierung der Unterkünfte für Geflüchtete?
Die Höhe der Renovierungskosten im Zusammenhang mit der Unterbringung ausschließlich von Geflüchteten lasse sich nicht ermitteln. Im Übrigen gebe es keine Differenzierung zwischen laufenden Instandhaltungskosten und Renovierungskosten nach Auszug.
Dies vorausgeschickt, verhält es sich ähnlich bei der Interimsunterbringung in Bergedorfer Hotels: Für eine nutzungstypische Abnutzung müssen die Hotelbesitzer aufkommen. Doch es gibt einzelne Ausnahmen, wenn etwa „die Abnutzung das übliche Maß überschreitet“, so die Behörde, die in diesem Jahr 840 Euro dem Rcadia-Hotel am Oberen Landweg erstattete sowie 413 Euro dem NinetyNine-Hotel am Weidenbaumsweg. Im Vorjahr waren es 996 Euro für das Gästehaus Kirchwerder am Hower Hauptdeich.
Bei den anderen Unterbringungsformen sei ein Vergleich schwierig, da sie doch sehr unterschiedlich ausgestattet seien, erklärt die Sozialbehörde: „Wohnunterkünfte beispielsweise verfügen regelhaft nicht über Küchen, Interims- und Notstandorte.“ Natürlich spiele aber auch die Dauer und Intensität der Nutzung eine Rolle. Ein Gesamttrend lasse sich also nicht erkennen, jedoch: „Die jährlichen Kosten bewegen sich jeweils auf einem ähnlichen Niveau.“
AfD fragt nach Vergleich zu anderen Städten und Regionen
Und was den Vergleich der Renovierungskosten in Bergedorf mit anderen Städten und Regionen in Deutschland angeht, stellt die Behörde fest: Ein Vergleich findet nicht statt, und es gäbe auch keine aktuellen Studien über die diesbezüglichen Kosten.
Die Fraktion der Linken hatte sich zuletzt ebenso um den Zustand der Unterkünfte gesorgt und fragte deren baulichen Zustand an. Schließlich wisse man von Kakerlaken in mehreren Häusern, von einem Heizungs- und Warmwasserausfall am Curslacker Neuen Deich, von einem Legionellen-Befund im Männerwohnheim am Achterdwars: „Diese Vorkommnisse überraschen nicht, die Einrichtungen sind in der Bausubstanz teilweise veraltet und entsprechend anfällig geworden.“
Großes Problem mit Kakerlaken in den Unterkünften
Hamburgs Sozialbehörde weiß um die hygienischen Probleme und listet ausführlich jede Schabenbekämpfung und jede ausgelegte Falle samt deren Kontrolle durch eine Fachfirma auf: Am Gleisdreieck und Auf dem Sülzbrack, am Rahel-Varnhagen-Weg und am Sandwisch seien allein in diesem Jahr „mindestens einmal eine Schabenbekämpfung beauftragt“ worden, ebenso an der Brookkehre, am Ladenbeker Furtweg, am Binnenfeldredder sowie am Curslacker Neuen Deich.
Bergedorfs Linke fragen zudem nach den vorgesehenen Baumaßnahmen, um das Leben in den Unterkünften zu erleichtern. Und so sollen nach Auskunft der Stadt noch in diesem Jahr 26 Bäder in der Unterkunft am Binnenfeldredder saniert werden, dazu seien Maler- und Bodenbelagsarbeiten notwendig.
WLAN-Zugang für alle: Nur Unterkunft an Brookkehre fehlt noch
Nicht zuletzt hakt die Linksfraktion nach, ob denn alle Bewohner inzwischen auch einen WLAN-Anschluss nutzen können. Und das sieht inzwischen wirklich gut aus, antwortet die Sozialbehörde: Allein die Unterkunft an der Brookkehre fehle noch, doch hier solle die Internetversorgung noch in diesem Sommer erfolgen.
Das möge erledigt sein, wenn Bergedorfs Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration wieder tagt und die Anträge beider Fraktionen bespricht: am Dienstag, 3. September, um 18 Uhr im Rathaus an der Wentorfer Straße 38.
Diakonisches Werk: „Unterkünfte sind kein Ersatz für eigenen Wohnraum“
Hier wird wohl auch die Wohnungslosenstatistik ein Thema sein: Mehr als 13.000 Menschen in Hamburg leben bereits länger als zwei Jahre in Wohnunterkünften, darunter viele Familien mit Kindern.
„Nirgendwo sonst leben im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viele Menschen so lange in Wohnunterkünften. Sie alle haben Anspruch auf eine ‚Dringlichkeitsbestätigung‘, müssten also vorrangig mit Wohnraum versorgt werden“, fordert das Diakonische Werk. Dessen Sozialexperte Dirk Hauer betont: „Wohnunterkünfte sind als vorübergehende Notlösung gedacht. Sie können eine eigene Wohnung nicht ersetzen.“
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Als Sofortmaßnahme will das Diakonische Werk stärker die Saga als städtisches Wohnungsunternehmen in die Pflicht nehmen. Dirk Hauer: „Die Saga muss zurzeit knapp 1100 Wohnungen für Menschen mit Dringlichkeitsbestätigung zur Verfügung stellen. Diese Zahl sollte auf mindestens 2000 Wohnungen erhöht werden.“
Um sicherzustellen, dass die Wohnungen tatsächlich Leute aus öffentlichen Unterkünften bekommen, sollen die bezirklichen Fachstellen für Wohnungsnotfälle eigene Kontingente erhalten – und die Vermittlung entsprechend belegen.