Hamburg. Bezirk informiert über den geplanten Neubau für 350 Geflüchtete. Vor allem die Menge der Menschen schürt Ängste bei den Nachbarn.
350 Menschen könnten ab dem 1. Quartal 2025 in der neuen Flüchtlingsunterkunft in Lohbrügge wohnen. Zuletzt lebten in dem bisherigen Notstandort in der ehemaligen Förderschule 107 Personen, meist Ukrainer. Dass sich die Zahl der Bewohner verdreifachen soll, bereitet so manchem Nachbarn Kopfzerbrechen. Bei der Informationsveranstaltung von Stadt Hamburg und dem Bezirk Bergedorf am Mittwochabend betonte eine Anwohnerin: „Wenn dort 150 Leute einziehen würden, wäre ich heute gar nicht gekommen. Aber 350 Menschen ist eine anonyme Menge“.
Die Frau betonte vehement, dass sie kein grundlegendes Problem mit Geflüchteten in der Nachbarschaft habe. Tatsächlich wurde zwar aus dem Kreis der etwa 40 Besucher in der Aula der Stadtteilschule Lohbrügge auch gefragt, ob Familien oder alleinstehende Männer in den Neubau einziehen sollen. Doch die meisten Anwesenden äußerten ganz grundsätzliche Bedenken, ob die teils schon arg strapazierte Infrastruktur rund um die Straße An der Twiete und Leuschnerstraße 350 neue Nachbarn verkraften kann.
Lohbrügge: Anwohner sehen Probleme durch Unterkunft für 350 Flüchtlinge
Ein Problem: Die Buslinie 234 verkehrt direkt bei der geplanten Unterkunft. Doch die Verbindung gilt bereits jetzt als unzuverlässig, Fahrgäste beklagen regelmäßig ausfallende Fahrten. „Weil gerade an dieser Stelle so viele Schüler einsteigen, ist der Bus oft voll. Ältere Menschen mit Rollator müssen dann auf die nächste Fahrt warten“, beklagte eine Frau im Publikum. Christoph Jermann von Fördern und Wohnen sowie Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann versprachen, sich mit den Verkehrsbetrieben in Verbindung zu setzen, falls sich die Probleme verschärfen sollten. „Wir haben in anderen Fällen schon in Absprache mit dem HVV die Taktung erhöht“, sagte Jermann.
Dass Fördern und Wohnen bislang keine Parkplätze für die Unterkunft einplant, sorgte ebenfalls für Unmut. „Bisher hatten zehn bis 15 Prozent der Flüchtlinge ein Auto. Das ist ja auch vollkommen verständlich, wenn sie damit aus der Ukraine geflohen sind. Aber es ist ein Problem, selbst einen Parkplatz zu finden“, sagte ein Anwohner. Gabriele von Stritzky, Bereichsleiterin Fördern und Wohnen, versuchte, die Planung zu begründen. Bisher habe sich An der Twiete ein Notstandort befunden, der eben vorwiegend von Ukrainern genutzt wurde. „Aus unserer Erfahrung mit normalen Unterkünften kann ich sagen, dass die wenigsten Bewohner dort ein Auto haben, da eben mehr Menschen zum Beispiel aus Afghanistan kommen.“
Lärmende Jugendliche machen jetzt schon Ärger
Rein rechnerisch können sich die Lohbrügger auf 52 Kita-Kinder und 60 Kinder im schulpflichtigen Alter einstellen, die in der neuen Unterkunft wohnen werden. Die neuen Teenager in der Nachbarschaft machen so manchem Anwohner Sorgen. Schließlich gibt es schon jetzt regelmäßig Ärger mit jungen Leuten, die auf dem Spielplatz bei den Genossenschaftswohnungen An der Twiete bis spätabends Lärm machen. „Akut hat das wohl nichts mit der Unterkunft zu“, sagte Cornelia Schmidt-Hoffmann. Schließlich herrscht zurzeit Leerstand, während der Neubau vorbereitet wird. Sollten doch Jugendliche aus der Unterkunft Ärger machen, stünde ein Beschwerdemanagement der Betreiber bereit.
Der Baubeginn der neuen Flüchtlingsunterkunft ist derzeit für das 3. Quartal 2024 geplant. Bis 2030 könnte die umgebauten alten Schulgebäude und die neuerrichteten aufgehübschten Wohncontainer dann genutzt werden. Langfristig soll das Grundstück aber für einen möglichen Schulneubau zurückgehalten werden. Deswegen baut die Stadt auch keine dauerhaften Wohngebäude auf dem Areal, wie es einige Besucher am Mittwoch vorschlugen. Wie viel der Neubau kosten soll, konnten die Mitarbeiter von Fördern und Wohnen bei der Informationsveranstaltung noch nicht sagen.
Neue Kita könnte direkt neben Unterkunft gebaut werden
Die ebenfalls An der Twiete angedachte Kita soll ausdrücklich eine Einrichtung für den ganzen Stadtteil werden. Die Tagesstätte könnte auf einem eigenen Grundstück neben der Unterkunft gebaut werden und soll räumlich abgetrennt werden. Natürlich sollen die Kinder aus der Unterkunft dort ebenfalls betreut werden. Wann die Kindertagesstätte gebaut werden könnte, steht bisher noch in den Sternen.
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Trotz aller Bedenken der Anwohner – als Cornelia Schmidt-Hoffmann die Veranstaltung beendete, ertönte warmer Applaus in der Aula der Stadtteilschule. „Lohbrügge ist für seinen Gemeinschaftssinn bekannt. Wir brauchen Sie, damit wir hier einen sicheren Hafen für diese Menschen erschaffen können“, hatte die Bezirksamtsleiterin zu Beginn des Abends betont.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Eine Wahl haben die Lohbrügger nicht. Thomas Melchert, Leiter der Stabsstelle für Flüchtlinge und übergreifende Aufgaben, machte klar, dass zurzeit so viele Menschen in Hamburg ankommen wie zuletzt 2016. „Im Herbst und Winter werden die Zahlen weiter hochgehen“, sagte Melchert. Die Hansestadt stehe kurz davor, wieder Notstandorte einzurichten. Schaut man auf den Verteilungsschlüssel, nimmt Lohbrügge derzeit weniger Menschen auf, als eigentlich vorgesehen. Aus Sicht der Stadt ist der Bau der neuen Unterkunft daher dringend nötig.