Hamburg. Günstig und dennoch mit viel Platz: Bergedorf-Bille baut ehemaliges Verwaltungshaus um. Drei Wohnungen sind schon vergeben.

Es soll nicht weniger als ein „Experimentierfeld mit Leuchtturmcharakter“ werden, das alte Verwaltungsgebäude der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille. Ganz frisch eingereicht ist der Bauantrag für die Umgestaltung des Gebäudes an der Bergedorfer Straße 118. Hier wird es nicht nur sogenannte Cluster-Wohnungen geben, in denen sich die Bewohner ab Mitte 2026 generationsübergreifend eine Küche und das Wohnzimmer teilen. Auch steht beim Umbau das cradle-to-cradle-Prinzip im Vordergrund, die klimaschonende Wiederverwendung von recycelten Baumaterialien.

„Wir haben uns für die Entwurfsplanung ein bisschen Zeit gelassen. Denn die 118 soll uns eine Wegweisung sein für alle anstehenden klimaneutralen Sanierungen unserer 10.000 Wohnungen“, sagt Holger Diesing, der Leiter der Bereiche Neubau und Projektentwicklung bei der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille. Schon in diesem Jahr könnte der Rückbau beginnen, Baustart ist dann 2025: Der Leichtbau im dritten Obergeschoss wird abgerissen, danach kommen in Holzbauweise zwei Geschosse obendrauf.

Klimaneutrale Sanierung: Cluster-Wohnungen mit recycelten Baumaterialien

Dabei gilt es, Besonderheiten zu beachten, erklärt der Diplom-Architekt: Zum einen stehe das angrenzende Eckhaus zur Kreuzung hin unter Denkmalschutz: „Deshalb müssen wir einen Abstand von knapp fünf Metern einhalten und planen eine Dachterrasse“, erklärt der Architekt und zeigt auf den Plänen zudem das Gründach samt Luftwärmepumpen und Photovoltaikanlage.

Diplom-Architekt Holger Diesing (52) zeigt auf dem Bauplan die einzelnen Zimmer und Gemeinschaftsräume.
Diplom-Architekt Holger Diesing (52) zeigt auf dem Bauplan die einzelnen Zimmer und Gemeinschaftsräume. © bgz | Anne Strickstrock

„Zum anderen wünscht sich das Bezirksamt, dass an der Magistrale die Klinkerfassade erhalten bleibt.“ Also wird das Gebäude von innen gedämmt, sollen das neue vierte und fünfte Geschoss mit dem Klinker von der Rückseite versehen werden. Zunächst prüfte ein Labor, ob die Wiederverwendung des Klinkers sinnvoll, er also wirklich noch frostbeständig ist. „Nun wird er also abgenommen, gereinigt und bekommt eine neue Zulassung als Bauprodukt“, erklärt Diesing den schonenden Umgang mit Ressourcen: Sonst wäre der Klinker wohl geschreddert und als Wegschotter verwendet worden.

Alte Türen werden wiederverwendet

Das sogenannte zirkuläre Bauen hat sich das Berliner Start-up „Concular“ auf die Fahnen geschrieben, das eine Art Börse von gebrauchten Baustoffen und Materialien anbietet, die aus rückgebauten Gebäuden stammen. „Da werden wir auch all die leuchtenden Fluchtwegzeichen anbieten, die wir nicht mehr brauchen. Wohl aber behalten wir die alten Innentüren, die eine gute Schallqualität haben und früher zu Besprechungsräumen führten“, so der Projektleiter.

Wer aber wird in den neuen Räumen leben dürfen? Insgesamt wird es auf 1500 Quadratmetern acht Cluster-Wohnungen geben, bewohnt von 40 Menschen. Drei dieser Wohnungen hat sich bereits die Stiftung Rauhes Haus gesichert, die mit einem Dutzend Menschen einziehen will. Sie werden jeweils ein etwa 16 Quadratmeter großes Zimmer mit kleiner Teeküche und Bad haben. Dazu teilen sie sich die Gemeinschaftsräume im Haus. Da gibt es etwa ein Spielzimmer, ein Fernsehzimmer und einen Co-Working-Raum. Der ehemalige Eingangsbereich zur Baugenossenschaft könnte zudem zum Yoga-Raum werden, meint Diesing: „Es soll eben alles auf Gemeinschaft ausgelegt sein.“

Für die restlichen Clusterwohnungen können sich 28 Interessenten (zunächst Bille-Mitglieder) ab Mitte 2025 bewerben, in flexibler Konstellation: „Es gibt zum Beispiel eine Drei-Zimmer-Einheit für Eltern mit Kind. Daneben könnte sich auch die Oma ein Zimmer mieten“, überlegt der 52-Jährige, der im vierten Obergeschoss auch eine rollstuhlgerechte Wohnung mit Terrasse anbieten kann.

Drei Gewerbeeinheiten sind noch frei

Die Preise stehen schon ungefähr fest: Wer samt Balkon 26 Quadratmeter mietet, dazu die Gemeinschaftsflächen, zahlt eine Kaltmiete von 520 Euro. „Wir wollen nicht mehr als 14 Euro pro Quadratmeter berechnen. Da das Rauhe Haus 9 Euro zahlt, müssen wir für die Gewerbeeinheiten dann 16 Euro nehmen“, kalkuliert der Projektleiter. Denn tatsächlich sind auch noch vier Gewerbeeinheiten vorgesehen: Eine Physiotherapie sei ebenso denkbar wie ein kleiner Hofladen oder eine Tierarztpraxis. Das vierte Gewerbe steht schon fest: Das Rauhe Haus möchte in einem Schulungszentrum behinderte Menschen für den Beruf vorbereiten.

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Noch nicht genau steht fest, wie die 80 Quadratmeter große Ferienwohnung auf die Mieter umgelegt wird: „Die Vergabe können sich die Mieter selbst organisieren. Vielleicht hat ja ein Bewohner sein altes Haus verkauft und möchte nun Besuch zum Geburtstag von den Kindern bekommen“, so die Überlegungen in der Baugenossenschaft, die sich ein buntes Miteinander wünscht.

Wer durch den Eingang Am Pool 34 kommt, wird hier Bänke und einen Spielplatz finden, Fahrradstellplätze und Hochbeete, dazu als Besonderheit eine 64 Quadratmeter große Arena mit Sitzstufen. „Das könnte eine kleine Bühne für Opas Geburtstagslied sein. Oder man stellt hier einen Grill auf.“ Vor allem aber dient diese Arena als Auffangbecken für Starkregen: Auch diese Idee sei künftig übertragbar auf andere Wohnanlagen der Bergedorf-Bille.