Hamburg. Der Verkehrsbetrieb hat ehrgeizige Ziele und krempelt den Betriebshof Bergedorf um. Was sich bei Infrastruktur und Personal getan hat.
Ab den 2030er Jahren sollen die Busse der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) emissionsfrei fahren, dank Elektroantrieben und Ökostrom. In der Zukunft sollen autonom fahrende Shuttle Fahrgäste aus dünn besiedelten Landstrichen der Metropolregion Hamburg abholen und sicher ans Ziel bringen. Große Ziele. Damit sie erreicht werden können, ist bei den Verkehrsbetrieben viel in Bewegung. „Wir schaffen ganz neue Berufsbilder“, sagt Lorenz Kasch und verweist auf die Zahlen. VHH-weit ist die Zahl der Mitarbeiter seit Ende 2017 von 1700 auf 2500 gestiegen. In Bergedorf arbeiten mittlerweile 700 Personen – 2017 waren es noch 400.
Durch die Herausforderungen der Mobilitätswende hat sich auch die Infrastruktur auf der Anlage am Curslacker Neuen Deich verändert. Wo früher ausschließlich ein Tankdienst Diesel in die großen Gelenkbusse füllte, stöpseln die Fahrer nun immer häufiger ihre Elektrobusse selbst an der Ladesäule an. Statt an einem Dieselmotor herumzuschrauben, müssen die Kfz-Mechatroniker in der Werkstatt jetzt die Funktion der sechs mächtigen Akkus sicherstellen.
VHH: Betriebshof Bergedorf verändert sich durch Verkehrswende
In Bergedorf ist die Elektrifizierung der Infrastruktur seit einigen Wochen abgeschlossen. 126 Ladestationen stehen nun bereit, die den Akku eines Busses in etwa drei Stunden füllen können. 250 bis 300 Kilometer können die Fahrzeuge damit zurücklegen. Bis zum Jahresende soll ein Drittel der VHH-Busse mit Strom unterwegs sein. Die zentrale Elektrowerkstatt des gesamten Verkehrsbetriebs befindet sich am Curslacker Neuen Deich und soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden.
Die Infrastruktur für die Elektrobusse besteht nicht nur aus Ladesäulen und Werkstattbuchten. „Um das Potenzial der E-Mobilität auszureizen, müssen die Ladevorgänge effizient gesteuert werden“, sagt Geschäftsführer Kasch. Grundsätzlich werden die Busse über Nacht im Betriebshof aufgeladen. Idealerweise jedoch dann, wenn der Strom gerade besonders günstig ist. Daher wird der Akku manchmal nicht vollständig gefüllt, sofern es die geplanten Fahrten für den nächsten Tag zulassen. Ein achtköpfiges Team aus Ingenieuren und Elektrotechnikern kümmert sich um die Feinplanung.
Rojda Yildirim ist Teil der Crew. Die 29-jährige Wirtschaftsingenieurin ist seit dem Ende ihres Studiums bei den VHH. Sie plante die Infrastruktur der Ladesäulen, kümmert sich auch um Konzepte für Wartung und Instandhaltung und dient auch als Schnittstelle zum Fahrbetrieb. „Den Busfahrern mussten wir den Wechsel auf Elektrobusse erstmal schmackhaft machen“, sagt Yildirim. Schließlich müssen diese die Fahrzeuge nicht nur sicher durch Bergedorfs Straßen steuern, sondern sind jetzt auch dafür verantwortlich, dass die Akkus ausreichend aufgeladen sind.
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Der Nachwuchs steht bereits hinter der Verkehrswende. Jonah Ben Marggraff aus Oststeinbek und Robin Timur aus Reinbek haben am Donnerstag beide ihre Ausbildung bei den VHH begonnen. Marggraff will Kfz-Mechatroniker werden, auch weil er dann sein eigenes Auto reparieren kann. Und das – da ist sich der 19-Jährige sicher – wird genau wie die meisten VHH-Busse mit Strom unterwegs sein. Robin Timur wird zur Fachkraft im Fahrbetrieb ausgebildet und ist ein bisschen wehmütig. „Ich wollte schon als Kind Großfahrzeuge fahren“, erzählt der 22-Jährige, der nach eigener Aussage das Dröhnen der Verbrennermotoren ein wenig vermissen wird. „Der Fahrkomfort ist aber vermutlich besser“, so der Reinbeker.
Der Fachkräftemangel stellt den Verkehrsbetrieb vor Herausforderungen. Um Spitzenkräfte gerade im IT- und Ingenieursbereich anzuwerben, müssen die VHH auch mit dem gesellschaftlichen Wert der Tätigkeit im ÖPNV werben. „Die Kollegen kommen auch, weil die Arbeit hier sinnhaft ist und sie mit ökologischen und nachhaltigen Themen zu tun haben“, sagt Geschäftsführer Lorenz Kasch. Auch Busfahrer werden weiterhin dringend gesucht, weil das Angebot an Verbindungen immer weiter ausgeweitet wird, um den Hamburgern den Verzicht aufs eigene Auto schmackhaft zu machen.
In Bergedorf wird die Zukunft des autonomen Fahrens entwickelt
Um Lücken im Busnetz zu schließen, setzt man in der Hansestadt im Pilotprojekt HVV hop zurzeit in Harburg auf kleine Shuttle, die bei Bedarf Passagiere zur nächsten ÖPNV-Station oder von dort ans Ziel bringen. Mit dem Projekt Ahoi plant der Verkehrsbetrieb im nächsten Schritt den Einsatz von autonomen Fahrzeugen. Bereits jetzt arbeiten zehn Mitarbeiter an der Zukunft der selbstfahrenden Autos. „Hier in Bergedorf schlägt unser Herz, was die Konzeption angeht“, sagt Lorenz Kasch.
„Wir brauchen dafür ein gesamtes Ökosystem“, betont Projektmanager Fabian Zimmer. Sein Kollege Andreas Bahr fügt hinzu: „Wir müssen alle Funktionen des fehlenden Fahrers ersetzen, wie zum Beispiel auch die Kommunikation mit den Passagieren.“ Ein Fahrzeugingenieur kümmert sich um das Design des Fahrzeugs, achtet darauf, dass Einstieg und Innenraum behindertengerecht sind. Auch die Sicherheitsprotokolle können nicht einfach aus dem Silicon Valley übernommen werden. „Wenn in den USA ein Unfall durch ein autonomes Fahrzeug geschieht, gibt es eben einen teuren Prozess. In Deutschland müssen wir alle Sicherheitsanforderungen übererfüllen“, betont Bahr.