Hamburg. Drucke, Fotos, Skulpturen, Gemälde: Die Bergedorfer Kunstschau zeigt ein buntes Kaleidoskop an Werken. Einige sind sehr speziell.

Am liebsten zeichnet er nachts zwischen 2 und 4 Uhr am Küchentisch. Das kommt vielleicht noch aus der „echt heftigen“ Zeit als Taxifahrer, mit vielen Nachtschichten auf der Reeperbahn. Da geht selbst beim Einschlafen noch vieles am inneren Auge vorbei: Gesichter, Sequenzen, Momentaufnahmen. „Aber man kann üben, das anzuhalten oder zu verlangsamen“, meint Andreas Lösch – und macht darauf Kunstwerke, die nur eine einzige Linie brauchen.

Der 50-Jährige, der sich Larry Lösch nennt, wenn er die Augen schließt, wird bei der Bergedorfer Kunstschau ausstellen, die vom 24. August bis 1. September an fünf verschiedenen Orten zu sehen sein wird: Drucke, Fotos, Skulpturen und Gemälde unterschiedlichster Fasson werden dabei sein. Werke von gleich 20 Künstlern werden im Bergedorfer Schlossmuseum zu sehen sein, 15 im Plietsch am Sachsentor 23. Dazu gibt es Kunst in der Bergedorfer Mühle an der Chrysanderstraße 52a, im Kulturzentrum Lola sowie erstmals auch in der HAW am Ulmenliet. Das Foyer der Fachhochschule ist täglich von 8 bis 21 Uhr geöffnet, sonnabends von 8 bis 16 Uhr.

Bergedorfer Kunstschau: 54 Künstler stellen an fünf Orten aus

„Kunst und Kultur finden nicht nur in Altona statt. Bergedorf ist ein lebendiger Stadtteil und hat auch eine lebendige kreative Kunstszene“, meint das ehrenamtliche Organisationsteam um Ute Becker-Ewe. Das genaue Programm ist auf der Webseite der Kunstschau nachzulesen, dazu zehn „Kreativorte“, also Bergedorfer Ateliers, die während der Kunstschau ebenfalls ihre Türen öffnen. Hier findet sich auch der Hinweis auf den neuen Publikumspreis: Die Besucher können ein Foto ihres Lieblingskunstwerks einschicken (info@bergedorfer-kunstschau.de). Für das meist geschätzte Werk bekommt der Künstler 300 Euro.

Sehr unterschiedlich sind die abstrakten Zeichnungen, die Andreas Lösch von sich selbst fertigt.
Sehr unterschiedlich sind die abstrakten Zeichnungen, die Andreas Lösch von sich selbst fertigt. © bgz | Anne Strickstrock

Larry Lösch ist mit Sicherheit eine Besonderheit unter den 54 Ausstellenden, denn er malt blind, quasi nach seiner eigenen Erinnerung: „Mit geschlossenen Augen“ nennt er alle seine Selbstbildnisse. „Ich nehme meist einen schwarzen Fineliner in die rechte Hand, schließe die Augen und betaste mit der linken Hand meinen Bart, meine Nase, die Ohren und den Hut“, erzählt der Künstler.

Larry Lösch zeichnet seine Werke, ohne auf Motiv oder Blatt zu schauen

Auf die Idee kam er, als er von einer Übung in der Kunsthochschule hörte: „Beim blind drawing schaut man nur auf das Motiv und nicht aufs Papier. Ich aber schaue gar nicht und schaffe ohne das Kontrollorgan Auge sehr abstrakte Zeichnungen.“ Mal ist es ein argwöhnlischer Blick, ein versetzes Kinn, sehr grüblerische Augen: „Man muss dem blindlings vertrauen, also eine Zuversicht haben, ohne zu gucken“, sagt Lösch, der in Hamm wohnt.

Dabei ist er am Grasredder in Bergedorf aufgewachsen: „Wir waren vier Generationen unter einem Dach, samt Uroma und Schwester.“ Ganz traditionell ging es bei St. Petri und Pauli in den Kindergarten, danach auf die Grundschule Sander Straße. „Da erinnere ich noch einen Malwettbewerb zum Thema Verkehr, bei dem ich einen zweiten Platz gewonnen hatte.“

Lohbrügger Kunstlehrer belohnte den Heavy-Metall-Fan mit Album

Ein zweites Mal stand er auf der Bühne mit seiner Schulband vom Lohbrügger Gymnasium: „Mein Kunstlehrer hatte mir das Album Black Sabbath geschenkt. Denn ich hatte schulterlange Haare, stand auf Heavy Metall und spielte Gitarre.“ Und so nahm es wenig Wunder, dass beim ersten öffentlichen Auftritt im Lichtwarkhaus Songs von ACDC und Metallica gefetzt wurden.

Manchmal mit Hut oder Sonnenbrille, immer mit geschlossenen Augen: Zeichner Andreas Lösch
Manchmal mit Hut oder Sonnenbrille, immer mit geschlossenen Augen: Zeichner Andreas Lösch © bgz | Anne Strickstrock

Und nachmittags wurde nicht nur gezeichnet, sondern auch viel geskatet: „Da war noch Philipp Grütering dabei, der bei Deichkind singt. Damals gab es noch den Streit mit der Stadt, ob wir auf die Rollschuhbahn im Schlosspark dürfen. ,Skating is not a crime‘ stand auf den Aufklebern, die wir überall hinklebten.“

Der „Lebenskünstler“ freut sich auf seine allererste Ausstellung

Nun ist er also wieder im Bergedorfer Schlosspark angekommen, kniet auf der Wiese, zeigt ein Selbstporträt mit Krone und freut sich auf seine allererste Ausstellung. „Ich bin ein Lebenskünstler“, erzählt er freundlich grinsend. Denn es waren immer Gelegenheitsjobs, die ihn über Wasser hielten. Mal auf einem Gemüsehof in Reitbrook, als Jugendlicher trug er im Villengebiet das Hamburger Abendblatt aus, „für 130 Mark, also echt gutes Geld“. Nach der Schule arbeitete er „sogar sieben Jahre lang“ als Betreuer in Neuallermöhe und Bergedorf, wo es Wohngruppen von Leben mit Behinderung gibt.

Aktuell ist Andreas Lösch viel an der Ostsee: „Dort betreue ich meinen Vater, der eine halbseitige Querschnittslähmung hat.“ Auch beim Vater lockt der Küchentisch, manchmal farbenfroh: „Das Prinzip heißt one-line. Und hier habe ich mit Schwarz, Rosa und Blau übereinander gemalt. Auch mit geschlossenen Augen.“

Bergedorfer Kunstschau läuft vom 24. August bis zum 1. September

Sehr wachsam indes dürfen die Besucher im Schloss seine Kunstwerke anschauen. Noch ist er nicht sicher, ob er auch von ihnen Porträts malen wird, dazu bedarf es Konzentration. Ein anderes Projekt hat der 50-Jährige indes schon sehr konkret im Auge: „Für das Fusion-Festival habe ich mal bunte Krokodile aus Holz gemacht. Und die 70 Zentimeter lange Deko gefiel so gut, dass viele Tiere geklaut wurden.“ Aber die könne man ja erneut herstellen und eines Tages auf dem Bergedorfer Schlossteich schwimmen lassen.

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Die Vernissage zur Bergedorfer Kunstschau beginnt am Sonnabend, 24. August, um 11.30 Uhr im Schloss, wo Museumsleiterin Dr. Schanett Riller ein Grußwort spricht, bevor Vize-Bezirksamtsleiter Ulf von Krenski die Schau eröffnet, begleitet von dem Musiker Fedor Erfurt. Die Finissage am Sonntag, 1. September, beginnt ebenfalls 11.30 Uhr im Schloss, wo dann auch die Preisverleihung erfolgen wird. Der Eintritt ist übrigens überall frei, bloß das Museum im Schloss, geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, verlangt einen Obulus von 5 Euro.