Hamburg. Die Genossenschaft Bergedorf-Bille errichtet derzeit in Lohbrügge 24 neue Wohnungen – und plant dabei vor allem in die Höhe.
Die Meldungen sind alarmierend. Keiner baut, obwohl Wohnraum dringend gebraucht wird. Die Branche klagt über gestiegene Kosten und gestörte Lieferketten. Hinzu kommen Förder-Wirrwarr und undurchdringliche Bauvorschriften. Unter diesen schlechten Rahmenbedingungen wird es auch bei der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille 2025 keine Neubau-Fertigstellungen geben. Für dieses Jahr listet die Homepage der Genossenschaft fünf laufende Neubauprojekte auf. Mit dabei: die Goerdelerstraße.
In Lohbrügge entstehen derzeit 24 Wohnungen in modularer Holzbauweise. Das Besondere daran: Die Module werden auf die vier bestehenden Häuserstränge an der Goerdelerstraße 1-7 aufgesetzt. Eine Maßnahme, wie sie in Zeiten der energetischen Modernisierung und Nachverdichtung beispielhaft sein könnte. Bei der Umsetzung bekamen Bauherr und Mieterschaft jedoch die erschwerten Bedingungen beim Bauen im Bestand zu spüren.
Für bezahlbaren Wohnraum: Genossenschaft stockt auf
Warum man sich überhaupt für die Aufstockung auf einem eigenen Grundstück entschied, erklärt Rolf Below von der Baugenossenschaft: „Städtische Grundstücke werden weitgehend wettbewerbsorientiert vergeben. Die Stadt will daran verdienen. Die knappen Baugrundstücke werden mittlerweile zwar nach Konzept und nicht mehr allein nach Höchstpreis vergeben, aber die Bodenpreise sind hoch und die angebotenen Baugrundstücke oftmals nur kostspielig zu bebauen.“ Laut Below kommen so Preise zustande, die eine Genossenschaft wie die Bergedorf-Bille nicht auf ihre Mitglieder umlegen kann. Die erforderlichen Mieten wären nicht mehr bezahlbar und sozial vertretbar.
Das sieht die Mieterin einer Erdgeschosswohnung in der Goerdelerstraße genauso. „Um die 500 Euro kalt“ zahle sie für ihre Dreizimmerwohnung. Ein Mietpreis, von dem Wohnungssuchende im Speckgürtel Hamburgs nur träumen können. Das weiß sie – und hält das Leben auf der Baustelle gut aus.
Gebäude in der Goerdelerstraße werden auch saniert
Das nahe Einkaufszentrum am Binnenfeldredder, die vorhandene Infrastruktur und Erschließung machen das Bauen im Bestand attraktiv. Im Zuge der Maßnahmen werden auch die Alt-Geschosse aus den 60er-Jahren zukunftsfähig saniert. Das verursacht jetzt Kosten, sorgt aber auf lange Sicht für sinkende Nebenkosten. „Wenn eine Modernisierung ansteht, schauen wir immer, was wir in einem Zug erledigen können“ erklärt Rolf Below. In der Goerdelerstraße wurde energetisch saniert, die Versorgungsleitungen erneuert, die Außenanlagen verbessert und die Aufstockung realisiert. Bei den Maßnahmen nimmt die Genossenschaft möglichst alle öffentlichen Förderungen mit, was am Ende den Mietern zugutekommt.
Gut gedacht und zusammen mit den generellen Vorzügen des Nachverdichtens ein attraktives Paket. Zu Ende geschnürt ist in der Goerdelerstraße aber noch nichts. Obwohl Bauen im Bestand immer Unabwägbarkeiten mit sich bringt, entschied man sich bei Baubeginn gegen eine Entmietung, also gegen die Umsetzung der Mieterinnen und Mieter in andere Wohnungen. Dann schlug Mutter Natur zu: Ein Brand auf dem Dach und nachfolgender Starkregen sorgte dafür, dass einige Mieter die Baustelle nicht nur vorm Fenster, sondern auch in den eigenen vier Wänden hatten.
„Die Schäden durch Feuer und Starkregen sind inzwischen beseitigt, für unsere Mieter war es aber nicht einfach“, weiß Rolf Below. Den Betroffenen wurde eine entsprechende Entschädigung gezahlt und die Kollegen auf dem Dach haben viel gelernt. „Jede Baustelle ist anders“, sagt Below: „Das muss man berücksichtigen und die Abläufe bei ähnlichen Projekten in Zukunft weiter optimieren.“
Großes Interesse an neuen Dachgeschosswohnungen
Für die Vermietung der neuen Dachgeschosswohnungen mit Weitblick zu Bille und grünem Zentrum ist Belows Kollegin Nadine Baumann zuständig. „Das Interesse war riesig“, sagt sie. Ziemlich sicher werden alle Einheiten der öffentlich geförderten Wohnungen an Genossenschaftsmitglieder vermietet. Eigentlich sollten die Wohnungen des ersten Bauabschnitts schon übergeben sein. Die Vermietungen aus dem zweiten Bauabschnitt beginnen im Herbst. „Bitte fragen Sie nicht nach konkreten Einzugsterminen“, seufzt Baumann nach den Erfahrungen des letzten Jahres.
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Auch Bergedorfs Pressesprecher Lennart Hellmessen hält sich auf die Frage nach großflächiger Aufstockung in Bergedorfs Quartieren bedeckt: „In Lohbrügge-Nord, wo Zeilenbebauung mit Flachdächern in großem Umfang vorhanden ist, liegt grundsätzlich in Teilbereichen ein Potenzial für derartige Aufstockungen vor“, so lautet die vorsichtige Prognose. Dann wird der Ball auch schon zurückgespielt: „Im Detail ist von den Wohnungsgebern zu prüfen, ob eine derartige Nachverdichtung auch wirklich vorgenommen werden kann.“
Mit jedem zu prüfenden Punkt sinkt die Hoffnung auf schnelle Umsetzbarkeit. Dazu passend ist auch die für Wohnungssuchende ernüchternde Antwort des Bezirks nach laufenden Verfahren: „Es gibt aktuell keine Bauanträge in der Bearbeitung bezüglich umfangreicher Nachverdichtung und Baumaßnahmen im Bestand.“