Hamburg. Die Bergedorfer AfD sieht einen Anstieg der Retttungswageneinsätze wegen Herzproblemen in Hamburg. Die Antwort der Behörde ist klar.

Hat die Corona-Impfung zu mehr Rettungswageneinsätzen wegen Herzproblemen in Bergedorf geführt? Die Hamburger Innenbehörde sieht dafür keine Anzeichen, wie sie in einer ausführlichen Antwort auf eine Anfrage der AfD in der Bergedorfer Bezirksversammlung betont. Anlass für die Nachfrage der Fraktion waren aktuelle Zahlen aus Berlin. Dort sei die Feuerwehr im Jahr 2023 zu mehr als 52.000 Einsätzen mit Verdacht auf Herzprobleme ausgerückt. „Das entspricht einem Anstieg von 10% im Vergleich zum Vorjahr“, schreibt die AfD in ihrer Anfrage.

Die Berliner Zahlen hatte der Abgeordnete Antonin Brousek (parteilos, früher AfD) beim Berliner Senat erfragt. Der Blick in die Antwort der Berliner Behörden zeigt allerdings: Tatsächlich stiegen die Einsätze wegen Herzbeschwerden von 50.753 Fällen im Jahr 2022 auf genau 52.182 im Jahr 2023. Dies entspricht lediglich einem Anstieg um 2,8 Prozent. In vielen Altersgruppen ging die Zahl der Notrufe im genannten Zeitraum sogar zurück. Von 2021 auf 2022 ist in der Tat ein Anstieg von 16 Prozent insgesamt festzustellen. Gerade bei jungen Menschen liegt die Zahl sogar deutlich höher.

Corona-Impfung im Faktencheck: Mehr Rettungseinsätze? Das sagt die Innenbehörde

Die Hamburger Behörde betont: „Der hier postulierte Zusammenhang von COVID-19-Impfung und der Häufigkeit der Rettungseinsätze aufgrund von Herzproblemen ist willkürlich und so nicht haltbar.“ Die Innenbehörde verweist darauf, dass nach dem Einsatz von mRNA-Impfstoffen zwar selten Fälle von Herzmuskel und Herzbeutelentzündung zu beobachten seien. „Das Risiko durch die Impfung ist jedoch deutlich geringer als das Risiko einer Herzmuskelentzündung im Rahmen der Infektion mit SARS-CoV-2.“

Unter anderem stellte eine Studie im New England Journal of Medicine im Jahr 2021 fest, dass eine mRNA-Impfung gegen SARS-CoV-2 das Risiko einer Herzmuskelentzündung um 2,7 Fälle auf 100.000 Menschen erhöhe. Die Infektion steigere das Risiko jedoch um 11 Fälle auf 100.000 Personen und führe darüber hinaus zu einer erhöhten Gefahr von weiteren Erkrankungen wie Herzbeutelentzündungen, Thrombosen oder Herzrhythmusstörungen. „Angesichts der hohen Fallzahlen [von Covid-Erkrankungen] kann eine Zunahme von Herzproblemen nicht allein mit den Folgen der Impfung begründet werden“, heißt es in der Stellungnahme der Behörde.

Einsatzzahlen für Bergedorf nicht aufgeschlüsselt vorhanden

Die AfD behauptet in ihrer Anfrage: „In den letzten Jahren kam es auch in Hamburg einem besorgniserregenden Anstieg der Rettungswageneinsätze (RTW) im Zusammenhang mit Herzproblemen.“ Tatsächlich liegen laut Innenbehörde entsprechende Zahlen für die Hansestadt oder gar für den Bezirk Bergedorf überhaupt nicht vor. Die entsprechenden Daten würden von der Feuerwehr nicht erfasst werden. Um die Entwicklung der Einsatzzahlen nach Herzbeschwerden festzustellen, müssten sämtliche Rettungsdienstprotokolle der Feuerwehr von Hand durchgesehen werden.

Die Behörde behilft sich daher mit einem Blick in eine andere Statistik, nämlich die Anzahl der Patienten, die nach einer überstandenen Erkrankung des Kreislaufsystems aus Hamburger Krankenhäusern entlassen wurden. Zahlen für 2023 liegen ebenfalls noch nicht vor. Von 2021 auf 2022 ging die Zahl der Herzpatienten jedoch von 63.439 auf 62.576 zurück. 2019, also vor dem Ausbruch der Pandemie, wurden ebenfalls 63.439 Menschen behandelt. Ein deutlicher Anstieg bei jüngeren Patienten lässt sich bei diesen Zahlen auch nicht feststellen.

Zahl der Todesfälle in Hamburg durch Herzerkrankungen stabil

Die Zahl der Todesfälle nach Erkrankungen des Kreislaufsystems ist nach Angaben des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein in der Hansestadt bei Frauen etwea gestiegen. Verglichen wurden die Jahre 2019 – also vor der Corona-Pandemie – und 2022. Die Steigerung geht von 298,4 Todesfällen auf 303,4 Tote (jeweils pro 100.000 Einwohner). Bei den Männern gingen die Zahlen im gleichen Zeitraum dagegen zurück. 2019 starben 263,3 Männer an Krankheiten des Kreislaufsystems, 2022 waren es 260 (jeweils pro 100.000 Einwohner).

In der Anfrage der AfD heißt es: „Medienberichten zufolge wird der Anstieg in Berlin teilweise mit den Folgen der COVID-19-Impfung in Verbindung gebracht.“ Tatsächlich hatte sich die nebulöse Vereinigung „Feuerwehrgemeinschaft“ mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet und einen Zusammenhang zu den Corona-Impfungen vermutet. Die Vereinigung ist im Internet weder mit einer eigenen Website, noch Accounts bei Facebook oder X zu finden, es soll sich um eine Telegram-Gruppe handeln.

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Auf der Website des Journalisten Boris Reitschuster, der häufig als vehementer Kritiker der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronaviruses aufgetreten war, wurde die Stellungnahme dann „exklusiv“ verarbeitet. Die „Berliner Zeitung“ griff das Thema später auf, vermutete nach eigenen Recherchen aber eher den ungesunden Lebenswandel vieler Menschen während der Pandemie als Ursache.

Antonin Brousek, der die Anfrage in Berlin ursprünglich gestellt hatte, hat übrigens eine ganz eigene Theorie für die möglicherweise gestiegene Zahl der Herzerkrankungen unter jüngeren Menschen – die sich nicht so einfach auf Bergedorf übertragen lassen dürfte. Die Boulevardzeitung „b.z.“ zitiert ihn mit der Vermutung, dass die Berliner „Drogen- und Clubszene“ einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit in dieser Alterskohorte habe.