Hamburg. Vom Abenteuer auf dem Bauernhof bis zur Suite mit Elbblick - die Gastbetriebe in den Vier- und Marschlanden sind wieder gefragt.
Die Vier- und Marschlande bieten Natur und die Nähe zur Hansestadt. Vor den Toren Hamburgs nehmen Kurz- und Durchreisende gern spontan Quartier. Vermieter müssen also flexibel und vor allem stressfest sein. Holger Heitmann hat damit kein Problem. Seit zehn Jahren vermietet der „Kirchwerder Jung“ großflächig im Reetdachhaus. Das kommt bei großen Reisegruppen gut an. Dass die nicht immer nur brav am Kaffeetisch sitzen, weiß Heitmann nur zu gut.
Inzwischen schützt er sich und sein Haus vor allzu lauten Feierbiestern: „Events wie die Fußball-EM, da muss ich aufpassen“, sagt er. Seine rigidere Vermietungspolitik sorgt für weniger Buchungen, schont aber die Nerven. Das Geschäft mit den Stammgästen ficht es nicht an. Viele Familien treffen sich seit Jahren in der „Diekstuuv“ am Kirchwerder Hausdeich. Manche Gäste fliegen von Südafrika oder Kanada zu diesen Treffen ein. Heitmann freut sich über die spannenden Besucher aus aller Welt. Aber er weiß auch: „Nur wegen Kirchwerder kommt hier keiner her.“
Tourismus Hamburg: Quartiere in Vier- und Marschlanden gut gebucht
Für ihn macht die Nähe zu Hamburg und die gute Anbindung an Stadt und Flughafen die Region attraktiv. Nach zwei Umbauten von Reetdachhäusern wünscht sich Holger Heitmann in Zukunft mehr Planungssicherheit: „Mal fordert der Denkmalschutz natürliche Farben, jetzt besteht er bei Ausbauten auf eine geschlossene Reetdach-Fläche. Nie weiß man, was als Nächstes kommt“. Dagegen stellt der Ferienhausvermieter eine einfache Rechnung auf: Ohne Fenster keine Wohnräume, ohne Wohnräume keine Einnahmen, ohne Einnahmen keine Restaurierung. „Hier ist schon viel verfallen, weil die Besitzer nicht wissen, wie sie es wirtschaftlich hinkriegen sollen.“ Heitmann sieht das mit Sorge und plädiert für ein Umdenken.
Wirtschaftliche Machbarkeit kriegen etablierte Hofbetriebe mit dem Mix aus Landwirtschaft und Ferienvermietung seit Jahren gut hin. In den Vier- und Marschlanden gibt es einige Höfe, die mit dem Abenteuer Bauernhof werben. Zu ihnen gehört der Erlebnisbauernhof Burmester mit Reiterhof und Alpaka-Zucht. Helmut Burmester erwartet auch dieses Jahr viele Gäste aus der näheren Umgebung. „Die wollen drei Tage durchatmen. Sie erkunden die große Stadt und legen hier die Füße hoch, laufen sich an der Alster müde und erholen sich an der Elbe.“
Ferienwohnungen auf Hof Eggers werden gern von jungen Familien gebucht
Burmester bietet Zimmer oder Zeltplatz am Moorfleeter Deich und macht Familien damit ein erschwingliches Angebot. Auch die Zusammenarbeit mit Paddel-Meyer hat sich bewährt. Gäste kommen per Kajak zum Hof, bleiben zwei Nächte und paddeln dann über die Dove-Elbe zurück. „Wir kennen uns und unterstützen uns hier“, sagt der Senior (72), der sich selbst ein „Moorfleeter Urgestein“ nennt. Seinen Gästen rät er zur Anreise per Rad. Ruckzuck sei man inzwischen vom Hof in der Hafencity. „Ist ja so schön platt hier!“
Auch auf Hof Eggers haben die Buchungen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Henning Beeken vermietet vier Ferienwohnungen, freut sich über Stammgäste und stadtmüde Land-Schnupperer. Hamburg ist hier etwas weiter weg und auch schneller vergessen: „Zu uns kommen junge Familien, die sich ein paar Tage von der Großstadt erholen wollen“, so Beeken. Hof Eggers bietet ihnen Haus und Hof, Bioprodukte und ökologische Ausflüge, den Besuch im Schweinestall und den Gesang der Nachtigall, wenn die Kinder schlafen.
Haus Anna Elbe bietet Ferienwohungen und Finn-Hüten in direkter Elbnähe
Ähnlich idyllisch – nur ohne Schweine – urlaubt es sich in den Ferienwohnungen und Finn-Hütten vom Haus Anna Elbe. Tatiana und Stefan Timmann, nach ihren Worten „Vierländer mit Migrationshintergrund“, haben das Haus 2015 renoviert und vermieten jetzt im siebten Jahr. Sie hoffen, dass es kein verflixtes wird: „Die Buchungen ziehen wieder an, aber den Stand von 2019 haben wir noch nicht erreicht“, sagt Tatiana Timmann.
„Wir alle merken, dass das Geld bei den Gästen nicht mehr so locker sitzt“, ergänzt ihr Mann. Beide verstehen, dass die Tourismussteuer ihre Gäste nervt. Sie können aber auch nicht alles auf ihre Kappe nehmen. Viel Geld floss in die energetische Sanierung des denkmalgeschützten Hauses, und ja, auch der Bescheid der neuen Grundsteuerfestlegung verspricht wieder mehr Kosten. Es läppert sich also.
Ehepaar Timmann teilt das Erlebte gern mit seinen Gästen
Aber gejammert wird nicht. „Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, sind wir voll happy. Nur bitte nicht die nächste Katastrophe“, zieht Stefan Timmann Bilanz über die ersten, anstrengenden Jahre. Wie viele andere Betriebe hat auch das „Haus Anna Elbe“ den durchgängigen Cafébetrieb auf das Wochenende beschränkt und die Buchungszeiten in den Ferienwohnungen (in den Ferien wochenweise buchbar) und Finnhütten (auch Einzelnächte möglich) an die Wünsche der Gäste angepasst.
Die lieben den Blick auf die Elbwiesen, den Luxus einer Sauna, die Erreichbarkeit von Hamburg, Lauenburg, Lüneburg und die Natur rundherum: „Wir haben ein Paar, das nur wegen der Besenhorster Sandberge immer wieder kommt“ erzählt Stefan Timmann. Die Begeisterung für ihr „Revier“ spürt man den Timmanns an. Egal, ob sie über die „lost places“ der Sandberge, die Elbauen, den Marschbahndamm, Stover Strand oder die Geesthachter Elbinsel erzählen: Sie selbst sind immer noch Entdecker und teilen das Erlebte gern mit ihren Gästen.
Flucht vor dem Lärm der Stadt an den ruhigen Deich in Altengamme
Wie der Hof Eggers ist auch das Haus Anna Elbe bei jungen Hamburger Familien beliebt. Die kommen von der Schanze, wenn ihnen dort übers Wochenende zu viel los ist. Silvester ist besonders beliebt. Wenn in der Stadt das Chaos ausbricht, ist am Deich Ruhe und Sonnenuntergang. Überhaupt: Der doppelte Deich in Altengamme ist Gold wert. Neben Sandkasten und den Spielen im Gemeinschaftshaus bietet der Nebendeich eine verkehrsberuhigte Zone, die Gastkinder immer wieder mit Kreide oder Skateboard in Beschlag nehmen.
Ansonsten – das gibt Tatiana und Stefan Timmann zu denken – ist der Deich gefühlt leerer als in den Jahren zuvor. Beide bedauern, dass das Norddeutsche Haus in nächster Nähe aufgegeben hat. Auch dort kamen die Folgen von Corona und die Kosten der energetischen Sanierung zusammen und das Restaurant musste schließen. Die beiden wünschen sich sehr, dass wieder mehr Gastronomen und Gastgeber an den Deich ziehen – und bleiben.
Sobald die Sonne scheint, steigen die Anfragen nach Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Land
Auf diese Wende wartet auch Martina Illanes von der Bergedorfer Tourist-Information. Während das Gros der Feriengäste über das Internet bucht, erreichen die Fachfrauen am Hasse-Turm pro Woche etwa fünf bis zehn Anfragen nach Übernachtungsmöglichkeiten in den Vier- und Marschlanden. „Sobald die Sonne scheint, werden es mehr“, so Illanes.
Der Wermutstropfen: Seit Corona-Tagen checkt die Tourist-Info in regelmäßigen Rundrufen, wo noch geöffnet ist und welcher Betrieb noch Betten anbietet. Renovierungsdruck und Personalmangel setzen vielen Gastgebern zu. Davon verschont und mit paradiesischen Buchungszahlen auf der grünen Wiese gesegnet sind die am anderen Ufer: Wohnmobilplätze sind auch in diesem Sommer heiß begehrt.
In der Gastronomie sind die Gäste an der Elbe noch zurückhaltender
Fehlt noch das elegante „Dickschiff“ unter den Gastgebern. Es liegt am Zollenspieker und hat die Fähre zur anderen Elbseite direkt vor der Tür. „Wir freuen uns, dass die Zimmerbuchungen am Zollenspieker Fährhaus wieder das Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht haben“, sagt Karoline Pospiech. Anders sieht es noch beim Restaurantbetrieb aus. Hier sind die Gäste zurückhaltender. Was Geschäftsreisende wie Privatreisende an der Lage des gehobenen Hauses lieben, sieht man auf den ersten Blick. Die Elbe bietet eine malerische Kulisse – egal, ob man nur den Zugvögeln zusieht oder selbst auf Erkundungstour geht.
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Marketingchefin Pospiech fällt das Werben also nicht schwer. Seit vielen Jahren ist das Zollenspieker Fährhaus für sie „ein ganz besonderer Ort, der Geschichte, Natur und Gastfreundschaft auf wunderbare Weise verbindet.“ Dass das ernst gemeint ist, zeigt sich am Nebentisch. Da werden ein paar durstige Radler auf dem Weg zu ihrem Bauernhof-Bett in Ochsenwerder mit köstlichem Kuchen und Zitronenwasser aus der großen Kanne versorgt.