Hamburg. Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung Neuengamme vermittelt 40 Freiwillige als Schulbegleiter pro Jahr. Der Bedarf ist noch größer.
Ein kleines Mädchen gab vor mehr als 35 Jahren in Neuengamme den Anstoß für eine Einrichtung, die heute in der gesamten Stadt dringend benötigte Unterstützung in Schulen bringt. Die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) Neuengamme vermittelt Freiwillige als Schulbegleiter für Kinder und Jugendliche, die aufgrund eines geistigen oder körperlichen Handicaps Unterstützung im Schulalltag benötigen.
Eben diese Unterstützung brauchte damals auch das Mädchen aus Neuengamme. Pastor Jürgen Köhler wollte nicht akzeptieren, dass die junge Vierländerin nicht an Aktivitäten Gleichaltriger teilnehmen konnte – und organisierte einen Begleiter. „Seitdem wurden mehr als 500 Freiwillige vermittelt“, sagt Susanne Dabelstein aus Curslack, die seit 2000 in der ISB tätig ist und nun gemeinsam mit Susanne Timmermanns eine Doppelspitze bildet. Komplettiert wird das Team von Sabine Grugel.
Schulbeleiter vom ISB unterstützen Kinder und Jugendliche mit Handicap
Zuvor hatte Pastor Martin Waltsgott, der kürzlich in den Ruhestand verabschiedet wurde, mehr als 25 Jahre lang die ISB als Einrichtung der Neuengammer Kirchengemeinde unter dem Dach der Diakonie geleitet. Sein Ausscheiden ist längst nicht die erste Veränderung, die die ISB, die ihren Sitz im Gemeindehaus an der Felstegel hat, durchlebt und gemeistert hat: „Und wir sind gut darin, uns Veränderungen zu stellen und uns weiterzuentwickeln“, sagt Susanne Timmermanns.
Zu Beginn wurden Schwerstbehinderte jeden Alters begleitet, seit Ende der 1990er-Jahre hat sich die ISB auf die Schulbegleitung fokussiert. Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen soll dadurch im Rahmen der Inklusion an allen Schulen ein Schulbesuch ermöglicht werden. Ebenso verändert haben sich die jungen Menschen, die vermittelt werden oder viel mehr ihre Bereitschaft: Am Anfang waren es Zivildienstleistende, die die Aufgabe als Ersatz für den Wehrdienst übernommen haben.
Soziale Kompetenzen machen sich gut im Lebenslauf
Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht übernehmen nun diverse Geschlechter in einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) die Aufgabe, möchten sich also freiwillig engagieren. Das mache sich auch gut im Lebenslauf, weiß Susanne Dabelstein. Schließlich würden solch soziale Kompetenzen bei potenziellen Arbeitgebern auch schon mal mehr zählen als 15 Punkte in Englisch oder Mathe auf dem Zeugnis, erklärt die Vierländerin.
Sie findet es nach wie vor rührend, wenn die Freiwilligen nach dem Jahr von „ihren Kindern“ sprechen, weil sich in den zwölf Monaten eine enge Bindung aufgebaut hat, sagt Susanne Dabelstein. Die Einsatzstellen liegen längst nicht mehr nur in den Vier- und Marschlanden und Bergedorf, sondern auch in Poppenbüttel, Blankenese oder Harburg. Aktuell arbeitet die ISB mit 18 Schulen zusammen, berichtet Susanne Timmermanns.
Zahl der Kinder mit frühkindlichem Autimsus ist deutlich gestiegen
Ebenso sind die Wohnorte der jungen Freiwilligen in der gesamten Stadt verteilt. Wichtig ist allein, dass sie nicht älter als 26 Jahre sind, erklärt Susanne Dabelstein. Die Anzahl der jungen Menschen, die jedes Jahr von der ISB vermittelt werden, ist deutlich gestiegen: Waren es Anfang der 2000er-Jahre noch etwa acht bis neun Zivis pro Jahr, sind es heute 40 bis 50 Freiwillige zeitgleich.
Und es könnten noch mehr sein: „Der Bedarf ist sehr groß“, weiß Susanne Timmermanns. Gerade auch die Zahl an Kindern mit frühkindlichem Autismus sei gestiegen, berichtet die Vierländerin. Woran das genau liegt, ob vielleicht einfach mehr diagnostiziert werde, vermag sie nicht zu sagen. Auffällig sei aber, dass es mehr Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf gebe.
Auch Wickeln kann zu den Aufgaben der Schulbegleiter gehören
Die Freiwilligen begleiten Kinder und Jugendliche mit geistiger, körperlicher oder seelischer Behinderung während ihres Schulbesuches. Sie nehmen zusammen mit den zu betreuenden Kindern und Jugendlichen am Unterricht teil und unterstützen sie im Schulalltag. Auch Hygienepflege gehört dann dazu, „und dazu zählt nicht nur Hände waschen, sondern auch schon mal das Wickeln“, sagt Susanne Dabelstein.
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Wer sich das aber partout nicht vorstellen kann, der werde dazu auch keinesfalls gezwungen. „Wichtig ist, dass sich alle gut dabei fühlen“, betont Susanne Dabelstein. Das ISB-Team steht daher das ganze Jahr über als Ansprechpartner bereit und ist in engem Austausch mit den Schulen.
Starten können die Freiwilligen nicht nur zum neuen Schuljahr, sondern das ganze Jahr über. Der Höchstsatz des Taschengelds für maximal 38,5 Einsatzstunden pro Woche liegt aktuell bei 538 Euro, bei einer eigenen Wohnung wird auch Wohngeld gezahlt. Zu erreichen ist das Team über die Telefonnummer 0176/47779713.