Hamburg. Martin Waltsgott wird am 5. Mai im Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. Damit endet in Altengamme eine lange Tradition.
Fast hätte es kurz nach seinem Amtsantritt gar keine Kirche mehr in Altengamme gegeben, in der er hätte predigen können. Denn mitten in seinem allerersten Gottesdienst zu Pfingsten brach plötzlich eine Kerze im Kronleuchter in sich zusammen und fiel brennend auf den Teppich. Wie in Zeitlupe habe sich die Szene vor seinen Augen abgespielt, erinnert sich Martin Waltsgott, der damals oben auf der Kanzel stand – viel zu weit weg, um schnell eingreifen zu können. Glücklicherweise habe ein Kirchenvorsteher geistesgegenwärtig reagiert und die Flammen gelöscht.
Fast genau 32 Jahre sind seitdem vergangen. Diese aufregende Szene hat Martin Waltsgott aber nie vergessen, auch wenn er seitdem noch so viele fröhliche und auch traurige Momente in der schmuckvollen Bauernbarockkirche erleben durfte. Ob freudige Anlässe wie Hochzeiten, Taufen und Konfirmationen oder eben auch Trauerfeiern zur Beerdigung: „Die Vielfalt der Aufgaben als Pastor habe ich immer als sehr bereichernd wahrgenommen“, stellt Martin Waltsgott fest, der im Rahmen der ISB Neuengamme auch dafür gesorgt hat, junge Freiwillige zur individuellen Betreuung Schwerstbehinderter, vor allem im Schulbereich, zu vermitteln und zu begleiten.
Nach 32 Jahren: Martin Waltsgott nimmt Abschied von Altengamme
Während seiner Amtszeit gab das Thalia-Theater ein Gastspiel in dem Gotteshaus, gab es mehrere Kunst-Projekte, wurden viele verschiedene Feste gefeiert und Gemeindeprojekte realisiert „Ohne den Einsatz vieler Leute, die sich immer wieder mit ihren kreativen Ideen in das Gemeindeleben einbrachten, wäre das alles nicht möglich gewesen“ betont Martin Waltsgott, der schon mit einem mulmigen Gefühl an seinen nahenden Abschied denkt.
Doch: „Alles hat seine Zeit“, stellt der 62-Jährige in seinen Abschiedszeilen im Gemeindebrief fest. Und nach 35 Berufsjahren, davon 32 Jahre als Gemeindepastor in Altengamme, sei nun eben die Zeit gekommen, in den Ruhestand zu gehen. Der sei keinesfalls durchgetaktet, würde er gern einen Zustand der „kreativen Langeweile“ erreichen, stellt Martin Waltsgott fest. Er habe viele Interessen, um seine Zeit zu gestalten. Etwa lese oder paddele er gern, treffe Freunde und genieße die Natur. Als „Spätberufener“ habe er auch noch das Spiel auf dem Cello gelernt.
Ehepaar zieht in ein kleines Häuschen in Geesthacht
„An Ideen mangelt es mir nicht“, stellt Martin Waltsgott fest, der zeitnah mit seiner Frau Johanna umziehen werde. In Geesthacht, wo seine Frau auch als Lehrerin tätig war, hat sich das Paar ein kleines Häuschen mit Garten gekauft, verrät Martin Waltsgott. Einige Bücher, die die deckenhohen Schränke in seinem Amtszimmer füllen, habe er bereits aussortiert, selbst wenn davon kaum etwas zu sehen sei, weil die Regale noch immer voll sind, stellt Waltsgott fest.
Bis zum Umzug gibt es also noch einige Kisten zu packen. Obwohl es keinen Nachfolger geben wird, der das Amtszimmer bezieht. Martin Waltsgott bedauert, dass die Stelle nicht wieder besetzt wird. „Damit endet in Altengamme eine 777-jährige Tradition“, stellt er fest. Denn so alt wird die aus Feldsteinen gemauerte Kirche in diesem Jahr. Und in all der Zeit hatte es stets einen Gemeindepastor gegeben.
Altengamme wird künftig vom Pfarrsprengel Kirche in Vierlanden betreut
Künftig soll die Gemeinde St. Nicolai, der etwa 1400 Mitglieder angehören, vom Pastoren-Team des Pfarrsprengels Kirche in Vierlanden betreut werden, den die Gemeinden Kirchwerder, Curslack und Neuengamme vor drei Jahren gegründet hatten. So gibt es jeden Sonntag einen Gottesdienst, der reihum in den Vierländer Gemeinden gefeiert wird. Künftig dann auch einmal im Monat in Altengamme.
Auch interessant
- Altengamme: Wie eine uralte Kate um 30 Meter umziehen kann
- Stromausfall: In 2245 Haushalten geht das Licht aus
- Schwer verletzt: Harley-Fahrer rammt entgegenkommendes Auto
Der Gottesdienst zu seinem Abschied liegt aber noch in der Hand von Martin Waltsgott. Er beginnt am Sonntag, 5. Mai, um 10 Uhr. Der Jugendchor, die Kantorei und der Vierländer Posaunenchor werden dabei sein und ihm werden die Pastoren Hans-Jürgen Preuß und Hanno Billerbeck als langjährige Weggefährten zur Seite stehen, bevor Pröpstin Ulrike Murmann den Pastor von seinem Amt entpflichten wird.
Im Anschluss an den Gottesdienst werde es noch einen kleinen Empfang im Gemeindegarten geben, kündigt der Kirchengemeinderat an. Und wer weiß, vielleicht werden ja auch an seinem letzten Gottesdienst noch einmal die Kerzen im Kronleuchter brennen. Denn trotz der Schrecksekunde zu Beginn seiner Amtszeit werden die in St. Nicolai zu Feiertagen und Hochzeiten nach wie vor entzündet. Und so ein Unfall sei „glücklicherweise auch nie wieder passiert“, sagt Martin Waltsgott.