Aumühle. Kann das wahr sein? Der Tabellenletzte in der Schleswig-Holstein-Liga der Frauen deklassiert den Spitzenreiter. Und zwar so richtig!
Es war der Moment, in dem alle Anspannung von ihnen abfiel. Drei Minuten vor Schluss des Heimspiels in der Schleswig-Holstein-Liga gegen den Tabellenführer SV Sülfeld begannen die Handballerinnen des TuS Aumühle-Wohltorf zu lächeln. Wie die Strahlen einer aufgehenden Sonne, die langsam über eine Landschaft wandern, hellte sich bei einer Spielerin nach der anderen die Miene auf. Ihre Gesichter begannen zu leuchten. Sie wussten, sie hatten es geschafft.
Das Handball-Märchen war tatsächlich wahr geworden. Augenblicke später leuchtete es bei der Schlusssirene von der Anzeigetafel: 33:22 – der Tabellenletzte Aumühle stürzt den Tabellenführer Sülfeld. Insgeheim mögen sie auf einen solchen Erfolg gehofft haben, aber nach zuletzt sechs Niederlagen in Folge, darunter einigen böse Klatschen wie beim 16:40 in Kremperheide oder zuletzt beim 25:35 in Lindewitt, hatte nichts, aber auch gar nichts darauf hingedeutet.
33:22 gegen den Tabellenführer – Handball-Märchen des TuS Aumühle-Wohltorf ist wahr geworden
Eine Riesenüberraschung, nur für einen nicht: TuS-Coach Tim Aldenhövel. „Schon in den vergangenen Spielen hat sich gezeigt, dass wir in dieser Liga auf Augenhöhe gut mitspielen können“, strich er heraus. „Mein Kindergarten hat das bisher nur nicht über die vollen 60 Minuten hinbekommen.“ Das war dieses Mal anders. Nie ließen die Aumühlerinnen einen Zweifel daran aufkommen, wer das Feld als Sieger verlassen würde.
Zur Matchwinnerin avancierte TuS-Torhüterin Carolin Budziszewski, die eine ganze Reihe schwieriger Würfe parierte. Doch die Heldin des Tages wollte von dieser Rolle gar nichts wissen. „Dieser Sieg ist das Ergebnis einer geschlossenen Mannschaftsleistung, vor allem in der Abwehr“, urteilte Budziszewski, mit 36 Jahren die Älteste und Erfahrenste des Teams. „Wir hatten heute alle wahnsinnige Lust, die Gegnerinnen zu ärgern.“
Wenn die Abwehr steht, kann der TuS Aumühle-Wohltorf jeden schlagen.
Immer wieder gelangen den TuS-Abwehrspielerinnen Blocks gegen die Sülfelder Würfe. Sie hielten so die Gäste bei nur 22 Treffern. Weniger Gegentore hatten die Aumühlerinnen nur beim 39:20-Kantersieg gegen Mitaufsteiger HSG 91 Nortorf kassiert. Wenn die Abwehr steht, können die TuS-Frauen jeden schlagen. Bei ihren neun Saisonniederlagen hingegen hatten die TuS-Küken – das Durchschnittalter der Mannschaft liegt bei 19 Jahren – im Schnitt satte 32 Gegentreffer kassiert – ein echter Albtraum.
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Den sie nun mit einem grandiosen Befreiungsschlag hinter sich gelassen haben. Mitgerissen von Budziszewski und ihren Paraden. Die 36-Jährige stammt aus Trittau und hat schon zu Jugendzeiten für den TuS Aumühle-Wohltorf gespielt. Die Mutter zweier Kinder, sechs und zwei Jahre alt, hatte zuletzt acht Jahre lang pausiert, bevor sie sich im Sommer dem Aufsteiger anschloss. „Als mein Sohn dann aber mit Handball begonnen hat, habe auch ich Lust bekommen, wieder zu spielen“, erzählt sie.
Anna Beckmann ist Aumühles Top-Torschützin, Sina Baumgarten zieht die Fäden
Dass die TuS-Damen beschwingt in die gemeinsame Weihnachtsfeier mit den 1. Herren gehen konnten, daran hatten viele ihren Anteil. Rückraumschützin Anna Beckmann zum Beispiel, die mit acht Treffern Aumühles beste Torschützin war. Oder Spielmacherin Sina Baumgarten, die immer wieder mit klugen Anspielen ihre Mitspielerinnen in Szene setzte. Oder Catharina Kafke, die gerade in der ebenso schwierigen wie wichtigen Anfangsphase mit fünf Treffern zum 10:6-Zwischenstand (19.) ihre Mannschaft fast im Alleingang auf die Siegesstraße brachte.
Von Anfang an lagen die TuS-Frauen in Front, trotzdem war beim Stand von 14:11 zur Pause noch nichts entschieden. „Die Begegnung hätte jederzeit kippen können“, war sich Torfrau Carolin Budziszewski bewusst, wie sehr ihr Team wackelte. Doch immer wieder warf sich eine andere Spielerin in die Bresche und hielt Aumühle auf Siegeskurs. So wie die bärenstarke Merle Winkler, die mit vier Treffern nach der Pause Sülfeld fast alleine auf Distanz hielt und bei den Gästen erst gar keine Hoffnungen aufkommen ließ, noch einmal die Wende schaffen zu können.
Der ganz und gar erstaunliche Auftritt der erst 18-jährigen Lina Wöhlert
TuS-Coach Tim Aldenhövel war vor allem von Youngster Lina Wöhlert angetan, die er in der Pause einwechselte, um die linke Außenbahn zu beleben. „Sie war unsere Spielerin des Spiels“, lobte Aldenhövel die 18-Jährige. Die hatte in der Tat eine erstaunliche Partie hingelegt. Es ist ja immer eine zweischneidige Sache, in ein funktionierendes Team eingewechselt zu werden. Gelingen die ersten Aktionen, kann das Selbstvertrauen geben. Misslingen sie, wird es schnell eng. Lina Wöhlert misslangen sie.
Erst verdribbelte sie sich und verlor leichtfertig den Ball, dann verwarf sie frei und mittig vor dem Tor eine sogenannte „hundertprozentige“ Chance. Das schrie alles nach einer schnellen Auswechslung. Und Aldenhövel? Er blieb ungerührt. „Ich habe nichts unternommen, denn ich war mir sicher, dass Lina in diesem Spiel noch ihre Rolle spielen wird“, erläuterte er hinterher. Der Coach sollte recht behalten. Lina Wöhlert steigerte sich, lief ihren Gegenspielerinnen nun immer häufiger davon und krönte ihre glänzende Leistung mit drei Treffern. Bestleistung für sie.
In fünf Wochen startet die Rückrunde. Viel Zeit, den Erfolg zu genießen
So hatte jede ihren Teil beigetragen, gerade das machte diesen Erfolg so besonders wertvoll. Fünf Wochen Zeit haben die Aumühlerinnen nun, um sich an ihrem Handball-Märchen zu erfreuen. Dann geht es am 20. Januar zur HSG 91 Nortorf (17 Uhr, Galgenbergsweg).
Tore TuS Aumühle: Anna Beckmann (8), Merle Winkler (6/1), Catharina Kafke (5), Lilly Petersen (4), Lina Wöhlert (3), Clara Rodrigues Rainho, Louise Fabian (je 2), Myrkka Voß, Sina Winter, Sina Baumgarten (je 1).