Wohltorf. Die Ballschule am Tonteich, die mit dem TTK Sachsenwald kooperiert, geht bei der Nachwuchsförderung neue Wege. Die Nachfrage ist groß.
Das Mädchen war drei Jahre alt, als es zum ersten Mal einen Tennisschläger in die Hand nahm. Mit fünf gewann es sein erstes Tennisturnier, mit sieben war es so gut, dass der Vater kurzentschlossen seinen Beruf aufgab, um sich ganz der Tenniskarriere seiner Tochter zu widmen. Es war eine weise Entscheidung. Das Mädchen von einst kennt heute die ganze Welt: Es ist Steffi Graf, die größte Tennisspielerin aller Zeiten.
Doch so berühmt die heute 54-Jährige auch sein mag, ihr Werdegang im Kleinkinderalter ist nicht gerade der Wunschtraum der Sportwissenschaftler. Längst hat sich die Erkenntnis etabliert, dass sich Kinder im Vorschulalter möglichst vielseitig bewegen sollten, um eine gute Grundlage für spätere Sportarten zu legen. Seit Jahrzehnten gilt vor allem das Kinderturnen als besonders geeignet dafür. Mittlerweile gibt es jedoch auch andere Ansätze. Einen davon verfolgt die Ballschule am Tonteich in Wohltorf, die mit dem TTK Sachsenwald kooperiert.
Sport für Dreijährige – Was ist dabei kindgerecht, was nicht?
Zielgruppe der Ballschule sind drei- bis sechsjährige Kinder, die behutsam an ein bewegtes Leben herangeführt werden sollen. „Wir haben die Lizenz zur Begeisterung“, schwärmt Hockey-Trainerin Victoria Plettenberg. Die frühere Jugend-Nationalspielerin ist selbst dreifache Mutter, hat Kinder im Alter von vier und zwei Jahren sowie ein Neugeborenes.
„Die Ballschule ist ein Baustein der sportlichen Förderung eines Kindes“, erläutert Plettenberg. „Man darf sich das nicht zu spezialisiert vorstellen.“ Denn zunächst geht es auch hier erst einmal um eine allgemeine motorische Grundlage. Früher war die Ballschule in den TTK integriert, mittlerweile ist sie ein selbstständig handelndes Unternehmen, das von vier Gesellschafterinnen und Gesellschaftern geführt wird, darunter Plettenberg und der langjährige TTK-Tennistrainer Alexander Jonscher.
Spielerisch Freude am Umgang mit verschiedenen Bällen lernen
Das Konzept der Nachwuchsförderung fußt auf der 1998 an der Uni Heidelberg entwickelten Heidelberger Ballschule, die den Ansatz eines „ABCs des Spielenlernens“ verfolgt. Das bedeutet, Kleinkinder sollen in der Gruppe Spaß an der Bewegung und Freude am Umgang mit verschiedenen Bällen erleben – vom Luftballon oder der abgeschnittenen Poolnudel bis hin zu Tennisball oder Hockeyball. Erst später erfolgt dann die Spezialisierung auf bestimmte Sportarten wie Tennis oder Hockey, wovon dann auch der TTK Sachsenwald profitiert.
Im Unterschied zum Turnen oder der Leichtathletik tritt hier also schon in jungen Jahren das Gruppengefühl und vor allem die Einbindung in ein Mannschaftsgefüge hinzu. Jonscher ist von den Vorzügen der Ballschule überzeugt. „Wir bringen allen Kindern das Fangen bei, und bei uns kommen die Kinder auch früh ins Laufen“, weist er auf mögliche Defizite hin, die entstehen können, wenn Kinder ihre motorische Grundausbildung allein über das Kinderturnen erfahren.
Bei den Kindern und Jugendlichen ist bereit jeder Zehnte zu dick
„Wir sind breiter aufgestellt und können uns daher auch besser auf die Kinder einstellen“, ist sich Jonscher sicher. Berührungsängste mit dem Sportgerät Ball gebe es bei den Jüngsten dabei kaum. „Viele Trainer genießen bei den Kindern so ein Vertrauen, dass da erst gar keine Angst aufkommt“, versichert der TTK-Tennistrainer. „Alle haben Lust darauf.“ Auch die spätere Spezialisierung auf eine Sportart ergäbe sich oft ganz automatisch: „Die Kinder wollen irgendwann in die Aktion kommen.“ Es gehe bei der Ballschule eben auch darum, „den jüngsten Nachwuchs für den TTK abzusichern“.
Kinder frühzeitig an Sport heranzuführen, dafür gibt es für die Eltern gute Gründe. 9,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen, so hat das Bundesministerium für Gesundheit ermittelt, sind übergewichtig. Als Ursachen nennt das Ministerium zum einen einen höheren Stress im Schulalltag der Jugendlichen, zum anderen die verstärkte Nutzung elektronischer Medien.
Schülerinnen und Schüler von vor 30 Jahren waren fitter als die von heute
Das hat messbare Folgen. An Schulen in Leipzig und Umgebung wurden über drei Jahrzehnte hinweg identische Tests der sportlichen Leistungsfähigkeit vorgenommen. Ergebnis: Schafften Schüler im Schnitt früher 22 Liegestütze, so sind es heute nur noch 16, bei Schülerinnen fiel die Zahl von 14 auf acht. Um eine vier Meter hohe Kletterstange zu erklimmen, brauchten die Jungs vor 30 Jahren acht Sekunden, heute 14, die Mädchen damals zehn Sekunden, heute 14.
Wer das für Zufall hält, den mag eine Studie aus Großbritannien überzeugen, bei der über 30 Jahre hinweg bei Neun- bis Elfjährigen der Ruhepuls gemessen wurde. Ergebnis: Er liegt bei den Jugendlichen von heute im Schnitt zwei Schläge höher. Das mag sich nicht nach viel anhören, gilt aber als Indiz für einen schlechteren Fitnesszustand.
Wer in jungen Jahren im Sport nicht mithalten kann, hört oft schnell wieder auf
Eltern sind also gut beraten, gegenzusteuern. Es muss ja nicht so extrem wie damals bei Steffi Graf sein. Kinderturnen, Bewegungs-Kindergärten und Ballschulen ermöglichen niedrigschwellige Einstiege. „Kinder, die bei uns in den Kursen früh beginnen, bleiben zudem oft zusammen und durchlaufen gemeinsam die verschiedenen Altersstufen“, hat Jonscher beobachtet. Das sei auch bei einer späteren Spezialisierung von Vorteil, ergänzt Plettenberg. „Gerade im Hockey und Tennis hören viele Jugendliche schnell wieder mit dem Sport auf, wenn sie nicht früh damit angefangen haben“, hat sie beobachtet.
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Trotzdem ist bei einer Spezialisierung stets Vorsicht geboten. „Fangen Kinder zu früh mit Sport an, bei dem nur eine bestimmte Muskelgruppe trainiert wird, können Schäden am Skelett die Folge sein. Wichtig ist es daher, den ganzen Körper zu trainieren“, warnte Ilona Gerling, Dozentin an der Sporthochschule Köln, in einem Gespräch mit dem „Spiegel“.
Die Ballschule am Tonteich bietet Kurse für Drei- bis Sechsjährige ab
Das Konzept der Heidelberger Ballschule sieht daher einen langsamen Prozess von einem „spielerisch-impliziten sportspielübergreifenden Lernen“ über einfache Ballspiele, etwa Wurf- oder Torschussspiele, hin zu einem sportartenspezifischen Lernen, also dem Training in einer bestimmten Sportart vor.
Die Ballschule am Tonteich bietet dazu neun Kurse für die verschiedenen Altersgruppen an, die gut nachgefragt sind. Näheres dazu können Interessierte der Homepage www.ballschule-tonteich.de entnehmen.