Wohltorf. Die ukrainischen Hockey-Frauen bereiten sich auf die Hallen-Europameisterschaft vor. Testspiel gegen TTK Sachsenwald am Donnerstag.
Eine junge Frau sitzt in einem Luftschutzbunker. Es ist nachts um halb zwei, sie trägt nur ein T-Shirt, doch sie zittert nicht vor Kälte. Es ist der Lärm der Artillerieeinschläge, der sie schaudern lässt. Eine andere Frau sieht tagsüber eine Brücke vor sich explodieren, hält sich vor Schreck die Hand vor den Mund, bevor die Druckwelle sie umreißt. Eine dritte filmt eine Straße hinunter als plötzlich eine gewaltige Explosion die Straße wegreißt.
Es sind Hockey-Spielerinnen des MSC Sumchanka, die ihre Eindrücke vom Krieg in der Ukraine in den vergangenen Monaten in einem Film festgehalten haben. Der Verein hat seine Heimat in Sumy im Nordosten des Landes, etwa 340 Kilometer östlich von Kiew. Die russische Grenze ist hier ganz nah, keine 50 Kilometer weit weg. Die Front verläuft weiter im Süden, doch durch die Luftschläge ist der Krieg überall.
Hockey-Spielerinnen kommen aus Mariupol, Charkiw und anderen Kriegsorten
Der MSC Sumchanka ist gleichbedeutend mit dem Nationalteam des Landes. Die besten Spielerinnen der Ukraine sind in einem Leistungszentrum in Sumy zusammengezogen. Sie kommen aus Mariupol, Charkiw, Isjum und anderen Orten, die in den vergangenen Wochen und Monaten die Weltnachrichten dominiert haben.
Zwischen der Welt des Krieges und der Welt des Friedens liegt eine 30-stündige Busfahrt. So lange ist das Nationalteam unterwegs, bevor es am Mittwochmittag beim TTK Sachsenwald in Wohltorf eintreffen wird. Dort schlagen die Ukrainerinnen ihr Lager für die Vorbereitung auf die Hallen-Europameisterschaft in Hamburg (7. bis 11. Dezember) auf. Wenn denn alles glatt geht. Denn zum Team gehören auch zwei Betreuer im wehrdienstfähigen Alter. Ob sie mit ausreisen dürfen, ist unklar.
TTK-Frauen fiebern dem Duell mit der Ukraine entgegen
„Sobald das Team angekommen ist, wollen sie gleich trainieren. Da sind die Trainer knallhart“, weiß Margarete Bowien, Jugendwartin des TTK Sachsenwald. Der Kontakt ins Krisengebiet ist nicht so leicht, Zoom-Konferenzen sind oft nur mit Dolmetscher möglich. „Aber gerade viele der Spielerinnen sprechen auch Deutsch oder Englisch“, betont Bowien.
Am Donnerstagabend steht um 19.30 Uhr in der Hockeyhalle am Tonteich ein Testspiel gegen die Regionalliga-Frauen des Vereins an. „Die Mädels sind schon ganz aufgeregt und fiebern dem Ganzen entgegen“, schmunzelt Frauen-Trainer Magnus Meyer-Tauffmann.
Heldinnen der tausend Kleinigkeiten
Gemeinsam mit den Jugendwarten Margarete Bowien und Nicolaus Bley organisiert er den Besuch der Ukrainerinnen – und stürzt dabei von einem Problem ins andere. So erfuhr Meyer-Tauffmann erst zu Wochenbeginn, dass im Windschatten der Nationalspielerinnen auch noch ein Jugendteam aus der Ukraine mitreist, für das nun in Windeseile privat Unterkünfte organisiert werden müssen. „Diese Information hätten wir vor ein paar Wochen gebraucht“, stöhnt er. Zudem fehlt es dem Jugendteam an Material – Schläger und Schuhe. Also zogen die TTK-Spielerinnen los, richteten Unterkünfte her, organisierten die Sachen, werden so zu Heldinnen der tausend Kleinigkeiten.
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„Intern sind wir gut aufgestellt“, ist Bowien daher auch auch überzeugt, dass der Verein die Herausforderung wuppen wird. Insgesamt vier Wochen werden die Ukrainerinnen in Wohltorf verbringen. Das Nationalteam ist in einem nahe gelegenen Hotel untergebracht, die Jugendspielerinnen privat. Gegessen wird im Vereins-Restaurant, der „Taube“. Das alles kostet viel Geld, und so hat der Verein eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um die Kosten zu decken.
Im Jahr 2010 gewann die Ukraine den Europameistertitel
Immer vormittags werden die Ukrainerinnen beim TTK trainieren. Der Besuch des Trainings wird für Interessierte aber nur an einzelnen Tagen erlaubt sein. „Wir wollen nicht, dass die Leute permanent zum Training kommen, wie es ihnen gefällt“, macht Bowien klar. An den Wochenenden stehen für das Nationalteam Vorbereitungsturniere und Testspiele an, bevor es dann am 7. Dezember mit dem Start der Hallen-EM in der Sporthalle Hamburg ernst wird. Im Jahr 2010 war die Ukraine Hallenhockey-Europameister der Frauen, der bisher größte Erfolg. Damals gewannen sie in Duisburg das Finale gegen Spanien mit 6:5.
Deutschland ist als Austragungsort also ein gutes Omen. Doch nach dem Turnierende am 11. Dezember wartet wieder eine 30-stündige Busfahrt – zurück in eine Welt, in der nichts mehr so ist, wie es einmal war.
So können Sie den Aufenthalt des ukrainischen Nationalteams unterstützen: Name: TTK Tontaubenclub Sachsenwald e.V., IBAN: DE 47 2305 2750 0081 4322 13, Verwendungszweck: MSC Sumchanka Ukraine (Für eine Spendenbescheinung bitte Name und Adresse angeben)