Bergedorf. Sportgeschichte als Passion: Hans-Martin Lippold steht vor Vollendung der Arbeit zur Historie des ASV Bergedorf 85. Wann es soweit ist.
Hans-Martin Lippold ist ein Freund präziser Angaben. „Mir fehlen noch 83 Spielberichte zum ASV Bergedorf 85 aus den Jahren 2005 bis 2009“, schrieb er an die Sportredaktion. „Können Sie helfen?“ Wir konnten. Für die Suche nach den Zeitungsartikeln in unserem Archiv reiste der 79-jährige Reinbeker dann extra aus Süddeutschland an, wo er heute wohnt. Nach zwei Tagen war es vollbracht. Und so ist er seinem großen Ziel, der Fertigstellung der „Elstern“-Chronik, nun 83 Spielberichte näher gekommen.
Im kommenden Herbst, so hofft er, wird er das Großprojekt zu einem glücklichen Ende gebracht haben. Bis dahin jedoch werden Ehefrau Helga und Labrador-Hündin Amelie noch viel Geduld mit dem Rentner aufbringen müssen, denn die Sportgeschichte ist nun eine ganz große Passion von ihm. „Ich liebe es, mich in die Geschichte der ,Elstern‘ zu versenken“, schwärmt er. Seit Jahren arbeitet er bereits die ASV-Historie auf. „Motivationsprobleme habe ich dabei überhaupt nicht“, versichert er.
Hans-Martin Lippold, der Chronist der „Elstern“, ist schon fast am Ziel
Das hat seine Frau auch schon gemerkt. „Er kann mit unendlicher Energie die Frage klären, wie die Tabelle in einem bestimmten Spieljahr war“, hat Helga Voitl-Lippold schmunzelnd beobachtet. Das Ehepaar lebt in Westhausen in Baden-Württemberg, eine Ewigkeit weit weg vom Bergedorfer Stadion an den Sander Tannen. Aber nicht weit genug, um die Leidenschaft für die „Elstern“ zum Abkühlen zu bringen.
„Mein erstes Mal bei den ,Elstern‘ war ich 1958 in der Aufstiegsrunde zur Oberliga gegen den Bremer SV“, erinnert er sich. „Das Spiel war damals noch auf Grand im Billtalstadion. Ich war Schüler in Reinbek, öffentliche Verkehrsmittel dorthin gab es nicht, ein Fahrrad hatte ich nicht, also bin ich den ganzen Weg gelaufen. 8000 Zuschauer waren da. Die ,Elstern‘ haben zweimal geführt, aber am Ende hieß es 2:2, und ich bin mit schlechter Laune zurück nach Hause gelaufen.“
In der Oberliga Nord geht es gegen den HSV, FC St. Pauli und Werder Bremen
Doch die Saat für eine lebenslange Leidenschaft war gelegt. Im entscheidenden Aufstiegsspiel gegen den Itzehoer SV war Hans-Martin Lippold zurück im Billtalstadion. „Dieses Mal waren 18.000 Zuschauer da, das kann sich heute kein Mensch mehr vorstellen“, schwärmt er. „Ich war schon Stunden vorher da. Hauptsache, man hatte einen Sitzplatz in der ersten Reihe. Das war der größte Albtraum, dass sich da so ein Zwei-Meter-Riese vor einen setzen könnte.“
Mit 1:7 hatten die Bergedorfer in Itzehoe verloren, doch im Rückspiel setzten sie sich mit 5:2 durch und stiegen als Sieger der Aufstiegsrunde in Deutschlands höchste Spielklasse auf. Fünf Jahre vor der Einführung der Fußball-Bundesliga sollten auf die Bergedorfer nun in der Oberliga Nord Spiele gegen Uwe Seelers Hamburger SV (vor 27.000 Zuschauern!), FC St. Pauli, Werder Bremen und viele andere Größen des deutschen Fußballs warten. Sie alle mussten auf dem gefürchteten Schlackeplatz im Billtalstadion antreten, bevor die „Elstern“ dann später auf den Rasenplatz an den Sander Tannen umzogen.
Ein Bergedorfer Fußballmärchen in zwei Bänden
Es waren die goldenen Jahre des Vereins. Der Weg vom Zweiten Weltkrieg bis zum Bergedorfer Fußballmärchen 1958 bildet den Inhalt des ersten Bandes zur ASV-Historie, der mittlerweile vergriffen ist. Die Oberliga-Jahre 1958 bis 1963 beleuchtet Band 2, die anschließende Zeit in der Regionalliga von 1963 bis 1971 schließlich das dritte Werk, das Hans-Martin Lippold zu Papier gebracht hat.
Nun also soll die Oberliga-Zeit von 1971 bis 2009 den Abschluss bilden. Die Amateurjahre sind der größte Batzen mit dem legenden DFB-Pokalspiel 1982 als Höhepunkt, als die Bergedorfer gegen Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Co. bis zur Schlussminute mit 1:0 führten und dann doch noch verloren.
Das legendäre Spiel des ASV Bergedorf 85 gegen Bayern München
Hans-Martin Lippold hat den Beinahe-Triumph damals aus der Entfernung erlebt. Nach der Schule hatte er eine Lehre als Chemielaborant absolviert, die Chemotechnikschule und Ingenieursschule angeschlossen und war beruflich schließlich in Ellwangen im Forschungszentrum des Batterieherstellers Varta gelandet. „In jeder alkalischen Rundzelle von Varta ist ein bisschen Gehirnschmalz von mir eingearbeitet“, schmunzelt er.
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Er blieb in Süddeutschland, war jahrelang Stammgast beim Bayernligisten FC Gundelfingen, und die „Elstern“ wären vielleicht nur eine ferne Erinnerung gewesen, wäre Lippold nicht eines schicksalsträchtigen Tages pensioniert worden. „Da habe ich dann angefangen zu schreiben“, erinnert er sich. „Die Erinnerung verblasst ja sonst. Man muss es niederschreiben.“
Mit Band 4 will Hans-Martin Lippold seine Arbeit nun zum Abschluss bringen
Nach dem ersten Band wollte er aufhören. Doch sanfter Druck von Ehefrau Helga („Um Gottes Willen, was soll ich denn dann mit dir machen. Da stehst du sonst ja bloß rum und guckst in die Kochtöpfe“) mag entscheidend dazu beigetragen haben, dass die Bände 2 und 3 folgten. „Ich habe mich regelrecht im Archiv des Hamburger Abendblatts festgebissen“ erinnert er sich.
Privat pflegte er Kontakte zu ehemaligen „Elstern“-Größen wie Karl-Heinz Pörschke oder Manfred Lüneburg, verschickte Spielberichte, sammelte Eindrücke aus erster Hand. In der Reha nach einer Herzoperation 2013 hat er dann begonnen, die Arbeit wieder zu intensivieren. Band 4, der die Entwicklung im Amateurbereich bis hin zum finanziellen Zusammenbruch der „Elstern“ 2009 beschreibt, soll die große Schlusskurve sein. Danach vielleicht alle vier Bände in ein Buch? Mal schauen.