Curslack. „Schritt für Schritt zwischen Hoffen und Bangen“, titelte die Curslacker Stadionzeitung. Von beidem gab es gegen Osdorf reichlich.
Das Unheil nähert sich in der Nachspielzeit. In diffusem Licht. Wieder einmal hat sich Osdorfs Christopher Grünewald über rechts durchgesetzt, den Fußball nach innen gegeben, pfannenfertig für Mitspieler Papa Ndiaye in den Fünf-Meter-Raum serviert. Die Zuschauer auf der Ostseite des Sportplatzes am Gramkowweg können ob der tief stehenden Sonne, die hinter dem Kasten von SVCN-Fänger Leon Giese langsam untergeht, nur erahnen, wie brenzlig diese Situation wird. Gleich müsste er doch jubelnd abdrehen, der Ndiaye – tut er aber nicht? Der ist nicht drin? Entsetzen bei den Gästen. Einer, der nie um einen Spruch verlegen ist, bringt es auf den Punkt: „Den mache ich doch mit 50 noch rein, wenn ich im Rollstuhl sitze“, haut Antonio „Toni“ Ude aus dem Trainerstab des TuS Osdorf raus. Der SV Curslack-Neuengamme rettet ein 3:3 im Abstiegskracher über die Zeit.
Ein Ergebnis zwischen dem Letzten (19.) und dem Vorletzten (18.) der Fußball-Oberliga, das beide näher an den Abstieg aus der Hamburger Beletage bringt. Das sieht Witalij Wilhelm, Kapitän der Gastgeber, allerdings anders: „Keiner denkt bei uns an die Landesliga“, meint der Führungsspieler. Das Stimmungsbarometer des Teams steht (noch) nicht auf Gewitter. Aus dem Alltag berichtet Wilhelm von hoher Trainingsbeteiligung, von einer intensiven Analyse und „von vielen neuen Sachen, die wir ausprobieren“.
Die Moral stimmt beim SVCN: Fehler werden sofort ausgebügelt
Das trägt zunächst auch Früchte. Wer den SVCN die erste Hälfte lang verfolgt, sieht, dass die Mannschaft von Spielertrainer Marcello Meyer etwas unreif, aber beherzt über das eigene Kunstgrün passt, grätscht, spielt. Auffälliges Plus: Wer einen Fehler macht, versucht diesen sofort selbst wieder zu korrigieren. Linksverteidiger Abbas Sharba ist so ein emsiges Beispiel: Ihm springt die Kugel häufiger zu weit vom Fuß weg – doch dann wird eben geackert, bis der Ball zurückerobert oder geklärt ist.
Auffälliges Minus: die Effektivität. Die 2:1-Halbzeitführung ist ein schlechter Scherz. Moritz Kühn initiiert über rechts einen Großbrand nach dem anderem im Strafraum der Gäste, Florian Rogge spielt kluge Pässe, Hendrik Bombek räumt ab, was abzuräumen ist – und Luca Winterfeld (6.) und Louis Jacobs (21.) besorgen die zwischenzeitliche 2:0-Führung. Fares Hadj trifft unter anderem Pfosten (15.) und mit einer verrutschten Flanke die Latte (16.), sodass der SVCN eigentlich hätte deutlicher davonziehen müssen.
Doch Osdorf, bis kurz vor der Halbzeit an Teilnahmslosigkeit kaum zu überbieten, kommt durch Grünewald aus dem Nichts zum Anschluss (43.). „Das war schon der Knackpunkt“, hadert Wilhelm. „Wir haben klar die besseren Chancen, aber die Bälle wollen einfach nicht rein.“
Florian Rogge hat die Entscheidung auf dem Fuß und vergibt
Ein Problem der bisherigen Curslacker Saison bleibt, dass sie häufig einen Vorsprung aus der Hand geben. Dazu braucht es leider nicht viel – Osdorfs (legitime) Qualität besteht darin, durch Nickligkeiten körperlicher und verbaler Art das Treiben wild werden zu lassen. Dazu mehr Druck auf die wieder einmal improvisierte Viererkette der Vierländer durch lange Bälle und das Ziehen zahlreicher Standards – das ist nichts für den SVCN. Grünewald gelingt folgerichtig der 2:2-Ausgleich (63.), weil Giese unmotiviert herausläuft und sich überlupfen lässt – doch Stjepan Brkic, Geburtstagskind und bester Curslacker, bringt die Gastgeber mit einem überlegten Schuss ins lange Eck wieder mit 3:2 in Führung (65.). Hätten „Flo“ Rogge freistehend vor Gäste-Keeper Tjark Grundmann nicht die Nerven versagt, wäre Curslacks dritter Saisonsieg wohl in Sack und Tüten gewesen (67.).
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Doch die Schlusssequenz passt zu einem Schlusslicht. Curslack-Kapitän Wilhelm, sicher als Innenverteidiger nicht auf seiner Lieblingsposition unterwegs, entscheidet sich um Bruchteile von Sekunden falsch, erwischt in einem Zweikampf – wen wohl? – Christopher Grünewald im eigenen Strafraum. Die Folge: Mehmet Eren verwandelt den Elfmeter zum 3:3 (82.). Für den Verursacher übrigens keine so klare Angelegenheit: „Der ,Schiri’ (Kevin Rosin vom SV Lieth, d. Red.) war da der Meinung, dass ich meinen Gegenspieler getroffen habe. Dabei haben wir beide jeweils einen Tritt des anderen wahrgenommen.“
Dass die Partie nicht vollends kippt, ist zum einen dem Außenpfosten zu verdanken, den Grünewald per Dropkick trifft (88.) und jenem anfangs beschriebenen Unvermögen Ndiayes. Der zielte freistehend über das Tor. Vielleicht war es ja die tief stehende Sonne.
SV Curslack-Neuengamme: L. Giese (4); Kühn (2), Bombek (2), Wilhelm (4), Sharba (3); Rogge (3), Brkic (1-2); Winterfeld (3) ab 74. Meyer (-), Donkor (3-4) ab 85. Lechler (-), Jacobs (2-3); Hadj (3) ab 64. Borgmann (-)