Hamburg. Widerstand gegen die Kündigungen wächst. Vor allem die Pächter einer „Pufferzone“ sind verärgert. Und sie haben gute Argumente.
Wer in Ralf Wehrings Garten kommt, kann nicht anders als staunen. Kleine Frösche hüpfen durch einen winzigen Teich, Blumen und Kräuter blühen überall, jede Ecke des riesigen Gartens ist mit Natur und Leben erfüllt. Und doch soll all das schon in wenigen Monaten dem Erdboden gleichgemacht werden: Wie berichtet sollen die Grabeländer der Gartenkolonie „Schwarzer Weg“ (ein Kunstbegriff für das verzweigte Gelände am Neuen Weg) bis Ende des Jahres für den geplanten Innovationspark weichen. Doch nun regt sich immer mehr Widerstand. Einige Pächter pochen auf den Wert der Natur hier mitten in der Stadt. Andere bezweifeln, dass die Kündigung rechtens ist. Und sie haben einige Argumente auf ihrer Seite.
Kleingarten in Hamburg: Viele Pächter sind hier seit Jahrzehnten
Die Gemengelage ist so kompliziert wie das Gelände selbst. Die Fläche ist eine Art längliches Dreieck zwischen A 25, Curslacker Neuer Deich und Pollhof. Die Zufahrt ist am Neuen Weg. Es gibt mehrere Eigentümer – darunter Hamburg Invest (HIE) und Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) – und etwa 170 „Grabeländer“. Die Anlage am Bahngelände entstand einst ungenehmigt, doch die Pächter wurden geduldet, haben hier teils seit Jahrzehnten ein zweites Zuhause. Weil aber nur etwa 125 von ihnen offizielle Pachtverträge haben und das undurchdringliche Gelände zuletzt dubiose Gestalten und auch Brandstifter anzog, geriet die Anlage zunehmend als „Gartenkolonie des Schreckens“ in Verruf. Zu Unrecht, wie viele andere Gärten zeigen.
Nun also die Kündigungen. Und die aktiven Pächter sind vereint in ihrem Ärger. „Das hier ist ein absolutes Versagen der Stadt Hamburg“, sagt nicht nur Victor Steinmann. Der 35-jährige Forstwissenschaftler, der hier seit einigen Jahren ein Grundstück hat, meint damit nicht nur die über Jahre fehlende Pflege durch die Stadt, das Verwahrlosen mancher Gärten und Wege, den vergessenen Müll. Sondern auch den Umgang mit den Pächtern. Denn obwohl die Gärtner von den Bauplänen wussten, seit Jahren nur Einjahresverträge hatten, so wurde ihnen doch „nie ein Zeithorizont“ genannt oder das Ende auch nur angedeutet, sagt er.
Kleingärten sollen weichen: Pächter sind empört
Im Gegenteil: „Letztes und dieses Jahr wurden hier noch Grundstücke verpachtet“, weiß Gärtnerin Nina Schmidt zu berichten. Und Daniela Mießner kann eine E-Mail zeigen, in der ein von der Stadt beauftragter Verwalter zwar von einer offenen Situation spricht – aber Interessenten auf eine Warteliste setzt.
Empört sind vor allem die Pächter, deren Grundstücke direkt an ein Bodendenkmal grenzen. Dieser geschützte Boden darf und soll nicht bebaut werden. Die Flächen direkt neben diesem Bodendenkmal – etwa 30 Gärten mit zehn aktiven Pächtern – gelten als „Pufferzone“. So geht es auch aus der Senatsantwort auf eine Linken-Anfrage von August 2020 hervor. Dennoch wurden sie mitgekündigt.
Ihnen sei immer gesagt worden, dass sie in der Pufferzone nicht von der Kündigung betroffen sein, sagt Victor Steinmann. Und er ärgert sich nicht nur, sondern wundert sich auch: „Solange nicht geklärt ist, welchen Schutz das Bodendenkmal braucht, ist es doch gar nicht sinnvoll, den Pächtern in der Pufferzone zu kündigen.“ Schlimmstenfalls werde später festgestellt, dass Gartennutzung dort erwünscht sei – dann aber seien all die grünen Paradiese bereits zerstört.
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Wirtschaftsbehörde sagt, die Kündigungen seien rechtmäßig
Während die Sprecherin der Hamburger Wirtschaftsbehörde auf Nachfrage sagt, die Kündigungen seien „rechtmäßig“, jedoch sei für die Pufferzone der Landesbetrieb Immobilienmanagement zuständig, sehen andere bereits Klärungsbedarf. In einer Anfrage ans Bezirksamt möchte Bergedorfs CDU-Fraktionschef Julian Emrich unter anderem wissen, wie denn nun der konkrete Status des Bodendenkmals sei – und welche rechtlichen und planerischen Konsequenzen das für die Pufferzone und ihre Gärtner habe. Die Antwort steht noch aus.
Auch die Grabeländer außerhalb der Pufferzone sind frustriert. Sie verstehen nicht, dass die Stadt Hamburg hier jetzt Tatsachen schafft, obwohl viele Details, wie der nötige Ausgleich für den Innovationspark, noch gar nicht feststehen. Hinzu komme der Wert der Natur gerade in Zeiten des Klimawandels. Sie meinen, dass es mehr als gelegentlicher Briefe bedurft hätte: „Die Stadt hätte wenigstens einmal mit uns sprechen sollen.“