Curslack. Nabu zieht unter dem Storchen-Horst auf dem Hof Grundmann in Curslack Bilanz. Dennoch gab es in dieser Saison auch Probleme.

Das teilweise kalte und regnerische Wetter der vergangenen Monate machte Hamburgs Störchen zu schaffen: Einige Jungtiere fielen aus den Nestern und starben, in sechs Nestern gab es jeweils nur ein Junges, zehn Nester blieben ohne Bruterfolg. Vier Jungstörche hat der ehrenamtliche Storchenbetreuer Jürgen Pelch per Hand aufgepäppelt, von denen er zwei bereits wieder in die Freiheit entlassen hat. Die anderen beiden sind jeweils fünf Wochen alt. Sie kommen nun in eine Pflegestation und sollen in einigen Wochen ausgewildert werden. Doch insgesamt sind Pelch und seine Mitstreiter vom Nabu hochzufrieden: In diesem Jahr gab es mit 113 Baby-Störchen so viel Nachwuchs wie seit mindestens 85 Jahren, also vor dem Zweiten Weltkrieg, nicht mehr.

Die Rekordzahl von vor einem Jahr – damals gab es 105 Jungtiere – konnte übertroffen werden. Auch die Zahl der erfolgreichen Brutpaare stieg nochmals an, von 40 Paaren im vergangenen Jahr auf 43. Der Rekord liegt allerdings bei mehr als doppelt so vielen: „Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden schon einmal 98 Brutpaare gezählt“, weiß Pelch.

Bilanz: 113 Störche geboren – so viele wie seit 85 Jahren nicht mehr

Auf dem Hof Grundmann verkündeten Pelch, Malte Siegert (Vorsitzender des Nabu Hamburg) und Umweltsenator Jens Kerstan bei dem offiziellen Termin zur Brutbilanz der Hamburger Störche die erfreulichen Zahlen. In einem Horst auf dem Hofgelände ziehen die Störche „Fiete“ und „Jette“ derzeit zwei Jungstörche groß. Zwei weitere Jungtiere des Paares waren in den vergangenen Wochen tot neben dem Storchen-Horst gefunden worden. Vermutlich hat ihnen die Witterung zu sehr zugesetzt.

Umweltsenator Jens Kerstan (l.) und Storchenvater Jürgen Pelch auf dem Hubsteiger.
Umweltsenator Jens Kerstan (l.) und Storchenvater Jürgen Pelch auf dem Hubsteiger. © Walter Storbeck | Walter Storbeck

Weißstorch „Fiete“ hatte bis vor einem Jahr noch eine andere Partnerin, doch „Erna“ war während der Brutzeit verschwunden. Das damals einzige Jungtier wurde dann allein von seinem Vater großgezogen. „Jette“ flog den Grundmann-Horst in diesem Jahr vermutlich zum ersten Mal an, brütete Ende März. Mit absoluter Gewissheit lassen sich die großen Vögel nicht zuordnen, da sie weder mit einem Peilsender ausgestattet noch beringt sind.

113 Störche geboren: Den beiden Störchen in Curslack sind drei Eier aus dem Nest gefallen

„Fiete“ und seine neue Partnerin hätten jetzt noch mehr Nachwuchs haben können, doch drei Eier waren aus dem Nest gefallen. „Es gab heftige Revierkämpfe mit anderen Störchen“, sagt der Storchenbetreuer. Vermutlich sind die Eier im Tumult auf den Rasen geflogen. Zwei der Eier sind heil geblieben. Das größere Ei legte Pelch für 30 Tage in eine Brutmaschine, „leider ohne Erfolg“. Erst nach einer zweiten Paarung kam der Bruterfolg.

Nabu-Chef Siegert lobte Pelch für dessen wichtiges ehrenamtliches Engagement: „Hinter dieser tollen Bilanz steckt viel Arbeit. Jürgen Pelch leistet seit Dekaden enormes für den Storchenschutz.“ Umweltsenator Kerstan hofft, den Storchenschutz noch weiter voranbringen zu können: „Wir wollen das Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen nochmals erweitern und hoffen, dass das noch in diesem Jahr gelingt.“ Damit werde auch anderen Tier- und Pflanzenarten geholfen.

Dürre und Starkregen: Die Klimakrise macht den Weißstörchen zu schaffen

Trotz des tollen Brutergebnisses zeige sich „einmal mehr, dass die Klimakrise den Weißstörchen zu schaffen macht. Die Tiere leiden unter den Veränderungen der Wetterverhältnisse. Langanhaltende Dürreperioden und Starkregenereignisse führen immer häufiger zu Brutausfällen“, sagt Siegert und fügt hinzu: „Im Süden Deutschlands, der in den vergangenen Wochen von heftigen Überschwemmungen betroffen war, gab es Brutausfälle von bis zu 90 Prozent. Das ist dramatisch und zeigt, dass mehr für den Klimaschutz und hinsichtlich der Folgen auch mehr für den Naturschutz getan werden muss. Alle ergriffenen Maßnahmen kommen am Ende auch den Menschen zugute.“

Der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert wird von einem Fernsehteam anlässlich der Storchenbrutbilanz in Curslack interviewt.
Der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert wird von einem Fernsehteam anlässlich der Storchenbrutbilanz in Curslack interviewt. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Die Jungstörche vom Grundmann-Hof werden in etwa zwei Wochen das erste Mal fliegen. Bei ihrer Geburt wiegen Störche etwa 70 Gramm. Ausgewachsene Männchen bringen es auf durchschnittlich 3800 Gramm. Innerhalb der ersten zwei Lebenswochen verzehnfachen sie ihr Gewicht. Während ihres ersten Lebensmonats werden die Kleinen ständig von mindestens einem Altvogel bewacht. Nach etwa acht, neun Wochen werden sie flügge. Trotzdem versorgen die Eltern sie noch weitere zwei bis drei Wochen mit Nahrung. Im Alter von gut zweieinhalb Monaten sind die Jungtiere selbstständig – aber bereits mit sieben Wochen so groß wie ihre Eltern. Störche, die das erste Lebensjahr überstanden haben, werden im Durchschnitt etwa acht Jahre alt. Es sind allerdings Einzelfälle von mehr als 30 Jahre alten Störchen bekannt.

Die Störche überwintern in Portugal, Spanien oder im 10.000 Kilometer entfernten Afrika

Die ersten Störche, die jährlich aus wärmeren Gefilden zurückkehren, haben den Winter in Spanien oder Portugal verbracht. „Etwa vier Wochen später kehren dann die Störche zurück, die in Afrika in einer Entfernung von 10.000 Kilometern überwintert haben“, sagt Pelch. Im Spätsommer verlassen die Vögel Hamburg wieder – erst die Jungtiere und zwei, drei Wochen später ihre Eltern, die sich hierzulande noch etwas von der Aufzucht ihrer Jungen regenerieren.

Storchenexperte Jürgen Pelch mit einem Storchenei. Es war aus dem Nest gefallen. Auch 30 Tage in einem Brutkasten verhalfen nicht zum gewünschten Bruterfolg.
Storchenexperte Jürgen Pelch mit einem Storchenei. Es war aus dem Nest gefallen. Auch 30 Tage in einem Brutkasten verhalfen nicht zum gewünschten Bruterfolg. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

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In Hamburg finden die großen Vögel mehr als 60 Nester vor, die sie jährlich wieder anfliegen. Drei der Horste befinden sich in Harburg. In allen dreien gab es nun Bruterfolge. Die übrigen Storchen-Horste sind in den Vier- und Marschlanden. Hier finden sie Nahrung – etwa Frösche, Großinsekten, Mäuse, Eidechsen, Salamander und Schlangen – im feuchten Gras nahe von Gräben und auf den Feldern. Weil sich die Vögel hier verstärkt von Amphibien ernähren, sei es wichtig, Feuchtgebiete zu schaffen, betonte Siegert.

Kälte und hohes Gras bereiten den Tieren Probleme bei der Suche nach Futter

Im hohen Gras mögen Weißstörche nicht jagen, weiß Pelch. Doch auf den Feldern steht das Gras, das die Landwirte als Futter für ihre Tiere verwenden, derzeit noch sehr hoch. Pelch: „Weil es lange viel zu kalt war, konnten die Bauern bisher noch kein Heu machen.“ Damit werde frühestens Ende Juni begonnen. Dann können die Störche auf den abgeernteten Feldern Nahrung finden. „Durch die kalten Temperaturen gibt es auch zu wenig Insekten, was es für die Störche noch schwieriger macht“, sagt der Storchenexperte.

Für die offizielle Hamburger Storchenbrutbilanz des Nabu war eigens ein Hubsteiger gemietet worden, von dem aus ins Nest geschaut werden konnte.
Für die offizielle Hamburger Storchenbrutbilanz des Nabu war eigens ein Hubsteiger gemietet worden, von dem aus ins Nest geschaut werden konnte. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

„Fiete“ und „Jette“ und ihr Nachwuchs lassen sich per Webcam des Nabu ins Nest schauen. Sechs Hamburger Störche, die der Nabu mit einem Sender versehen hat, können auf ihrem Rückflug live im Internet verfolgt werden: nabu-hamburg.de/stoerche.