Hamburg. Im Prozess vor dem Landgericht Hamburg versucht der Angeklagte, die Tat zu erklären. Vor Gericht geht es außerdem um einen Toten.

Ahmed Karimi (die Namen aller Beteiligten sind geändert) sitzt mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank, während seine Verteidigerin Svenja Gruhnwald eine Erklärung in seinem Namen verliest. Der 19-Jährige steht am Donnerstagmorgen in Hamburg vor Gericht. Wegen eines tödlichen Messerangriffs im Januar 2024. Und wegen eines brutalen Überfalls am 1. Juli 2023. Zu den Messerstichen will sich Karimi erst mal nicht äußern. Den Überfall vom Juli streitet er nicht ab – beruft sich aber auf erhebliche Erinnerungslücken.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Am Tag der Tat stößt der 19-Jährige in den frühen Morgenstunden am Höperstieg in Bergedorf auf den völlig betrunken Jonas Hauptmann. Der Nachtschwärmer ist anscheinend so alkoholisiert, dass er vor den Augen von Ahmed Karimi in ein Rosenbeet stürzt. Daraufhin packt der Angeklagte den Betrunkenen und schlägt ihm viermal wuchtig ins Gesicht. Anschließend greift er in die Umhängetasche seines Opfers und nimmt die Geldbörse hinaus.

Brutaler Überfall: Räuber tritt in Bergedorf auf Kopf seines Opfers ein

Nach wenigen Schritten stellt Karimi fest, dass sich kein Bargeld mehr in dem Portemonnaie befindet. Er dreht um und geht zu Hauptmann zurück, der bewusstlos auf dem Plaster liegt. Mit der Fußspitze tippt er den am Boden liegenden Mann an, vergewissert sich, dass sein Opfer sich nicht verteidigen kann. Dann tritt er ihm mit voller Wucht auf den Kopf, mit einer „Stampfbewegung“, wie es der Staatsanwalt ausdrückt.

Nach Ansicht der Anklage hätte schon dieser Tritt tödlich sein können. Schlimmeres habe nur eine Zeugin verhindert, die sich plötzlich bemerkbar macht. Ahmed Karimi begreift, dass er beobachtet wird und entscheidet sich jetzt zu fliehen. Jonas Hauptmann hat Glück im Unglück. Er kommt mit einem Nasenbeinbruch davon.

Brutaler Überfall in Bergedorf: Angeklagter will sich nur schemenhaft erinnern können

Ahmed Karimi kann sich nach eigener Aussage an keine Details dieser Nacht erinnern. „Ich habe nur noch Fetzen in meinem Kopf und vermische das vermutlich auch mit dem, was ich in der Akte gelesen habe“, sagt der 19-Jährige, als er seine Verteidigerin seine Version der Ereignisse schildern lässt. Schlecht geht es ihm an jenem Abend. Seine Exfreundin hat endgültig mit ihm Schluss gemacht. Karimi: „Ich wollte sie vergessen, mich wegschießen.“

Und das macht der 19-Jährige. Trinkt bei seinem Job als Barkeeper zuerst drei oder vier stark gemixte Whiskey Sour, bevor sich nach Dienstschluss mit einem Freund trifft. Karimi trinkt mehrere Dosen Jackie Cola, raucht mehrere Joints. Der heute 19-Jährige wirft außerdem Tabletten ein. Vermutlich handelt es sich um das Beruhigungsmittel Xanax. „Das habe ich vorher noch nie genommen“, sagt der Angeklagte.

Brutaler Überfall in Bergedorf: Mutmaßlicher Täter will sein Opfer auf der Straße erkannt haben

Mit der S-Bahn macht sich Karimi auf den Heimweg, sein Kumpel steigt in Nettelnburg aus, er selbst fährt weiter bis nach Bergedorf. Seine Erinnerung ist ab jetzt nur noch schemenhaft, sagt er. Anscheinend habe er über sein Handy versucht, einen Service für Prostituierte zu kontaktieren. Dann trifft er auf Jonas Hauptmann. „Es tut mir wirklich leid, es macht keinen Sinn, dass ich ihn auch noch so getreten habe. Ich übernehme die Verantwortung“, lässt er über seine Anwältin ausrichten.

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Das Opfer habe er nicht gekannt. „Ich glaube aber, ich habe ihn ein paar Tage später in Bergedorf auf der Straße getroffen, mit einer Schiene auf der Nase. Da habe ich ihn vielleicht erkannt“, sagt der 19-Jährige. In einem Brief habe er sich bereits bei dem Geschädigten entschuldigt und ihm ohne weitere Bedingungen 650 Euro Schmerzensgeld angeboten. Eine Antwort hat der gebürtige Hamburger bis heute nicht bekommen.

Gutachter soll Schuldfähigkeit feststellen

Ob der Angeklagte während der Tat tatsächlich so berauscht war, dass er sich nicht mehr an die Tat erinnern kann, vielleicht auch nicht mehr voll schuldfähig ist, soll in den kommenden Verhandlungstagen ein Gutachter klären. Von der Tat liegen Videoaufnahmen vor, die der Rechtsmediziner analysieren wird.

Während des Prozesses wird auch ein Raubüberfall mit tödlichem Ende verhandelt, in den Ahmed Karimi auch verwickelt sein soll.
Während des Prozesses wird auch ein Raubüberfall mit tödlichem Ende verhandelt, in den Ahmed Karimi auch verwickelt sein soll. © Christoph Leimig | Christoph Leimig

Insgesamt sind noch elf weitere Verhandlungstage bis zum möglichen Urteil am 30. August eingeplant. Denn Ahmed Karimi ist nicht nur wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und versuchten Raubes aufgrund des brutalen Überfalls auf Jonas Hauptmann angeklagt.

Gemeinsam mit dem heute 20-jährigen Osman Coulibaly wird ihm vorgeworfen, am 20. Januar 2024 einen 35-Jährigen zu einem vermeintlichen Drogendeal überredet und den Mann dann überfallen haben. Als sich das Opfer wehrte, stach Coulibaly mehrfach mit einem Messer zu. Der Mann starb einige Tage später an seinen Verletzungen. Auch Coulibaly wollte zu dieser Tat am Donnerstag keine Aussage machen. Der Prozess wird am Freitag, 21. Juni, fortgesetzt.