Hamburg. Bei den Regenfällen von 2018 stand das Viertel unter Wasser. Jetzt haben Experten eine Schwachstelle im Entwässerungssystem ausgemacht.
Den Himmelfahrtstag 2018 hat Andreas Beck nicht vergessen. Eigentlich wollte der Nettelnburger mit seiner Frau zum Flughafen aufbrechen, als der Regen einsetzte. Was zunächst noch nach gewöhnlichem Niederschlag aussah, entpuppte sich rasch als massiver Starkregen, der über Hamburg niederging. „Am Ende stand uns das Wasser im Wohnzimmer bis zu den Knöcheln“, erinnert sich Beck.
25 Liter Regenwasser je Quadratmeter in nur 90 Minuten, bis zu 700 Notrufe stündlich bis tief in die Nacht, 1200 eingesetzte Retter – das war am Ende die Bilanz des Wolkenbruchs, der sich auch über Lohbrügge und Boberg ergoss. Straßen und Häuser wurde unterspült. Die Naturkatastrophe verfolgt die Menschen in den besonders betroffenen Stadtteilen bis heute. „Ich kenne eine Familie, die schließlich weggezogen ist“, sagt Hans-Peter Blohm.
Nettelnburg soll vor Starkregen geschützt werden
Genau wie Andreas Beck arbeitet Blohm ehrenamtlich für den Nettelnburger Wasserverband, der die Entwässerungsgräben überwacht und in Schuss hält. Ziel des Wasserverbandes ist es auch, das Viertel auf künftige Starkregenereignisse vorzubereiten. Denn diese werden durch den Klimawandel nicht seltener werden. Besonders eine Schwachstelle des Entwässerungssystems soll jetzt endlich behoben werden – das verspricht zumindest das Bezirksamt.
Nach dem Starkregen von 2018 beauftragte der Wasserverband Nettelnburg ein Ingenieurbüro, das die Entwässerung überprüfen sollte. Die Experten fanden zahlreiche Möglichkeiten, das bestehende System aus Gräben und Leitungen zu übernehmen. An den meisten Stellen können die Mitglieder des Wasserverbands selbst Hand anlegen. „Am Abfluss am Wehrdeich haben wir aber ein unterirdisches Rohr gefunden, an dem ein Mangel vorliegt“, berichtet Hans-Peter Blohm, der Vorsteher des Wasserverbandes ist.
Bezirk Bergedorf will Rohrleitung reparieren
Was das Problem verursacht, weiß bislang niemand. Doch durch die Leitung fließt nicht so viel Wasser, wie eigentlich vorgesehen. „Bei normalem Wetter ist das kein Problem – aber bei einem Starkregen wie 2018 schon“, weiß Blohm. Weil die problematische Stelle unter der Straße Wehrdeich, auf Höhe der Hausnummer 83, aufwendig zu reparieren ist und außerdem nicht mehr im Verbandsgebiet liegt, ist das Bezirksamt Bergedorf dafür zuständig.
Hans-Peter Blohm und Andreas Beck sind froh, dass es mittlerweile eine Zusage aus dem Bergedorfer Rathaus gibt, sich um das Problem zu kümmern. Bezirkssprecher Lennart Hellmessen bestätigt gegenüber unserer Redaktion, dass der Bezirk 2024 mit der Planung der Baumaßnahmen loslegen und „wenn möglich 2025 mit der Umsetzung beginnen“ will.
Versiegelung erschwert die Entwässerung im Viertel
Die Reparatur ist nach Meinung des Wasserverbandes auch deswegen nötig, weil die Entwässerung in Nettelnburg schon seit Jahrzehnten immer stärker belastet wird. Ein Grabensystem durchzieht schon seit 100 Jahren das Quartier. Der Regen läuft in die Gräben und wird von dort überwiegend in Richtung Nordwesten abgeleitet. Ein grundlegendes Problem: Die Nettelnburger haben seit der Nachkriegszeit immer mehr gebaut und dabei immer mehr Flächen versiegelt. Regenwasser versickert seitdem schlechter.
Die Bergedorfer CDU-Fraktion möchte dem mysteriösen Schaden an der Leitung auf den Grund gehen. Die Politiker haben ein Auskunftsersuchen an den Bezirk gerichtet. Im April 2012 hatte Hamburg Wasser Arbeiten an der Abwasserentsorgung im Bereich des Wehrdeichs angekündigt. Nachdem die wochenlangen Bauarbeiten beendet waren, wurde an dieser Stelle laut CDU erneut eine Baustelle eingerichtet. Der Verdacht der Christdemokraten: Das Nettelnburger Entwässerungsrohr wurde bei den Bauarbeiten beschädigt.
- Grubes Fischerhütte nach drei Monaten wieder geschlossen
- AfD in Neuallermöhe stärkste Kraft – was ist da passiert?
- Kundenzentrum Bergedorf ausgebucht? So klappt‘s trotzdem mit einem Termin
Von der Bezirksverwaltung will die CDU jetzt wissen, warum die beiden Baustellen am Wehrdeich eingerichtet wurden und wer eigentlich für die Beseitigung der Schäden verantwortlich wäre. Was die Fraktion ebenfalls wundert: Ein Schlüssel für die Sielabdeckung an dieser Stelle scheint nicht vorhanden zu sein, sodass weder der Wasserverband noch die Gutachter die Lage unter der Erde in Augenschein nehmen konnten.
CDU-Politiker Jörg Froh sieht das Problem weniger im Bergedorfer Rathaus, sondern eher bei den zuständigen Hamburger Behörden. „Die Bergedorfer Verwaltung versucht, die Schäden abzuarbeiten“, betont Froh. Er verspricht in dieser Angelegenheit hartnäckig zu bleiben. Schließlich sei er selbst in Nettelnburg aufgewachsen und habe dort noch viele Freunde. Jörg Froh kennt die Bedeutung des Entwässerungssystems – genau wie Hans-Peter Blohm. „Ohne die Gräben stehen wir hier jeden Tag bei Flut im Wasser“, betont der Experte.