Hamburg. Vom Krankenbett direkt in den großen Saal des Rathauses in Bergedorf. So erlebte Sozialdemokrat Peter Gabriel (85) die letzte Sitzung.

Es war eine ganz enge Entscheidung und im Endeffekt eine Punktlandung: Noch in der vergangenen Woche war Peter Gabriel total unsicher, ob er tatsächlich den Weg direkt aus dem Krankenbett auf den Chefstuhl der Bergedorfer Bezirksversammlung körperlich bewältigen würde. Der 85-Jährige hatte sich am 18. April durch einen Ausrutscher in der Dusche das linke Bein gebrochen und lag seither mit Oberschenkelhalsbruch im Bergedorfer Agaplesion Bethesda Krankenhaus. Doch Gabriel ließ sich die letzte Sitzung dieser Legislatur als seit 2019 amtierender Präsident der Bezirksversammlung nicht nehmen – und wurde dabei nicht nur mit materiellen Geschenken zum Abschluss seiner 52-jährigen Karriere als Kommunalpolitiker in den Ruhestand geschickt.

Auch viele liebe und parteiübergreifend wertschätzende Worte hat sich das Urgestein aus Ochsenwerder verdient. Verbindlich und bestimmt sei er, immer an der besten Entscheidung für den Heimatbezirk Bergedorf interessiert, souverän, gelassen, stets für einen reibungslosen Ablauf der Sitzungen (auch unter komplizierten Corona-Bedingungen) verantwortlich und auch ein gehöriges Maß emotional. Plötzlich steht der körperlich Gehandicapte hinter seiner Bank, hat leicht feuchte Augen. „So viel Lob auf einmal kann einer allein gar nicht ertragen. Da habt ihr bei mir ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt“, bedankte sich der extrem gerührte Gabriel, als die Standing Ovations des gesamten Plenums mal kurz abebben. Gesprochen hatten zuvor seine Stellvertreterin Stephanie Pelch (CDU), Katja Kramer (SPD-Fraktionsvorsitzende Bergedorf), Heinz Jarchow (SPD) sowie Cornelia Schmidt-Hoffmann (Verwaltungschefin des Bezirks Bergedorf). Gabriels Emotionalität bemerkte Katja Kramer (33) positiv, auch weil sie ihn so „nahbar“ mache.

Peter Gabriel sagt Auf Wiedersehen: Nun ist Zeit für Nachfolger

Bei den Bezirkswahlen am 9. Juni wird Peter Gabriel nicht mehr für seine Sozialdemokraten, denen er seit 1972 angehört, antreten und sich auch nicht mehr in einen Fachausschuss wählen lassen: „Um Jüngeren Platz zu machen.“ Ihn zeichnete vor allem aus, was sich so leichthin Alltagsgeschäft nennt und doch so wichtig ist – die Nähe des Kommunalpolitikers zu Bürgern, der immer bei den Menschen nachfragte, die Probleme, Sorgen oder Kritik hatten.

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„Peter wollte stets ,hier vor Ort etwas bewegen‘“, zeichnet Katja Kramer in ihrer Laudatio nach. Als sein hauptsächliches politisches Betätigungsfeld erwies sich die Stadtplanung und -entwicklung, den zugehörigen Ausschuss leitete er rund 30 Jahre lang. Mehr als nur geprägt wurden durch seine politische Arbeit die neuen Stadtteile Neuallermöhe und Oberbillwerder, die Neugestaltung des Bergedorfer ZOB und weitere Projekte im Zentrum. Mit Gabriel verabschiedet sich im übrigen auch das dienstälteste Mitglied der Bezirksversammlung – seit 1986 war er dabei.

Was das 85-jährige Polit-Urgestein wohl demnächst macht

Um 20.08 Uhr, also nach über zweistündiger präsidialer Tätigkeit, verlässt Gabriel seine letzte Sitzung. Im Rollstuhl über eine extra angefertigte Rampe, reich bepackt mit Geschenken und Blumen. Wieder gibt es Ovationen. Wird sich Peter Gabriel wirklich aus dem politischen Leben Bergedorfs zurückziehen? Sich vielleicht ganz seiner Ehefrau Marianne widmen, mit der er 60 Jahre verheiratet ist? Oder seinem liebsten Hobby, der stattlich großen und so detailreichen Modelleisenbahn? So ganz scheinen seine Wegbegleiter das nicht zu glauben: „Wenn dir langweilig wird: Wir freuen uns immer über Gäste“, lud Stellvertreterin Stephanie Pelch schon mal vorsorglich ein.