Wentorf/Reinbek. Jede Woche treffen sich die ältesten Mitglieder im Wentorf-Reinbeker Golf-Club. Auch bei größter Hitze. Ausreden gibt es nicht!

Die Mittagshitze steht über Bahn 16 im Wentorf-Reinbeker Golf-Club. Hans Walter Behr steigt aus seinem Golf Cart und schaut hinüber zur Fahne, von der sein Ball etwa 25 Meter entfernt liegt. Zu viel, das ist klar. Doch was soll‘s? Der 94-Jährige nimmt Maß und haut mit aller Energie, die in ihm steckt, auf die kleine Kugel. Der Ball hoppelt in Richtung Grün. Behr geht hinterher, holt noch einmal aus und noch einmal. Endlich ist die Kugel im Loch, und er kann es gut sein lassen.

Seit 30 Jahren ist Hans Walter Behr Mitglied im Wentorf-Reinbeker Golf-Club. Jedes Loch hat der Supersenior schon Dutzende Male anvisiert. Der Ehrgeiz ist immer noch groß, doch das Sportliche schon lange nicht mehr wichtig. Ein paar Schläge mehr oder weniger, wen kümmert es? „Bei unseren Golfrunden ist die Geselligkeit das Hauptziel“, betont der frühere Holzhändler, dessen Urgroßvater einst 1820 die Firma gründete, in der Behr sein Berufsleben verbracht hat. „In der Gemeinschaft kann man es schließlich am besten verkraften, wenn es beim Spielen mal nicht so läuft.“

Neun Supersenioren des WRGC sind sportlich gern noch aktiv

Insgesamt neun Personen umfasst die Gruppe der Supersenioren im Wentorf-Reinbeker Golf-Club. Vier sind über 90, die anderen fünf immerhin auch schon über 80. Doch Ausreden gibt es nicht: Jede Woche ist Abschlag. „Beim Golf kann ich am besten abschalten“, betont Christian Enterlein, mit 87 Jahren einer von den Jungspunden in der Gruppe. Genauso wie der 86-jährige Helmut Schreiber. „Bei diesen Temperaturen ist das Golfspielen schon ein bisschen gefährlich“, ist sich Schreiber bewusst. Doch die traditionelle Runde ausfallen lassen? Das kommt nicht infrage.

Hans Walter Behr (94) hebt in glühender Mittagshitze die Fahne aus dem Loch, um einlochen zu können.
Hans Walter Behr (94) hebt in glühender Mittagshitze die Fahne aus dem Loch, um einlochen zu können. © Volker Gast | Volker Gast

Sport war immer ein wichtiger Teil ihres Lebens, heute ist er das Lebenselixier. Hans Walter Behr war früher Bergsteiger. „Ich bin mit Bergführer auf den Montblanc gestiegen“, erzählt er. „Von 15 Leuten haben es damals zehn nach oben geschafft. Außerdem habe ich zwei Trekkingtouren im Himalaya gemacht, bin bis auf 5600 Meter Höhe gekommen. Nur der Mount Everest hat mich nie interessiert. Das ist eine einzige Müllhalde.“

Nur die Ältesten im Verein dürfen diese Bälle spielen

Heute liebt Behr seine Golfrunden mit Hugo Winter (93), Arno Geerds (93) und Hans-Jürgen Lutz (90). Dieses Quartett der Über-90-Jährigen bildet den harten Kern der Supersenioren. Der Verein hält seine „Oldies“ in Ehren, hat ihnen gerade einen Satz persönliche Bälle geschenkt. „WRGC Superseniors“ steht da drauf, so weiß jeder im Verein, wem diese Bälle gehören. Und hübsch international ist es auch, falls sie mal im Ausland abschlagen.

Die Aufschrift „Superseniors“ und das Logo des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs kennzeichnen die persönlichen Bälle der „Oldies“.
Die Aufschrift „Superseniors“ und das Logo des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs kennzeichnen die persönlichen Bälle der „Oldies“. © Volker Gast | Volker Gast

Golfreisen werden von Trainer Stuart Griffin für die Mitglieder direkt im Club angeboten. Ein Riesengeschäft. „In Südafrika waren wir schon, in Kapstadt, das war schön“, erzählt Hans-Jürgen Lutz. „Aber mein liebster Golf-Urlaub war auf Gran Canaria.“ Der 90-Jährige hat das Golf-Virus gründlich in seiner Familie verteilt, Sohn Hans-Martin und Enkel Hans-Felix sind mit ihren Familien ebenfalls Mitglieder.

Wentorf-Reinbeker Golf-Club wandelt sich vom Nobelclub zum Familienverein

Seit 34 Jahren ist Hans-Jürgen Lutz, der 45 Jahre lang eine Fahrstuhlfirma hatte, bereits Mitglied im WRGC, Hans Walter Behr seit 30 Jahren. „Damals sah man das hier im Verein noch sehr kritisch, neue Mitglieder aufzunehmen“, erinnert sich Lutz. „Man musste einen Bürgen haben.“ „Genau, damals hieß es immer: ,Wir sind hier ja kein Heiratsbüro‘“, fällt Behr schmunzelnd ein. Das hat sich gründlich geändert. Heute ist der noble Wentorf-Reinbeker Golf-Club offen für Familien und hat seine Mitgliedsbeiträge entsprechend gestaffelt.

Hugo Winter (93) spielt den Ball in Richtung Fahne.
Hugo Winter (93) spielt den Ball in Richtung Fahne. © Volker Gast | Volker Gast

Doch die Über-50-Jährigen stellen immer noch 60 Prozent aller Mitglieder und sind als volle Beitragszahler das finanzielle Rückgrat des Vereins, der sonst seinen Etat von 1,2 Millionen Euro kaum stemmen könnte. 1320 Euro kostet ein Jahresbeitrag für einen Erwachsenen. Eine Investition, die sich lohnt, davon ist Hans-Jürgen Lutz überzeugt. „Dieser Platz ist wie ein Park“, schwärmt er. „Jedes Fairway ist eine neue Herausforderung. Was ich am Golfspiel mag, ist es, auf der Bahn meinen Körper in Richtung Fahne auszurichten, mich zu konzentrieren, dann auszuholen und zu schlagen. Wenn man das alles beherzigt, gelingt es auch.“

12.000 Schritte auf dem Golfplatz, während andere im Seniorenheim sitzen

Weil jeder seinem eigenem Tempo und seinem eigenen Rhythmus folgt, gelingt das Sporttreiben auch noch mit über 90 Jahren. Akribisch verfolgt Lutz dabei mit Hilfe einer Pulsuhr seine sportlichen Leistungen. „Heute habe ich schon 12.000 Schritte gemacht“, rechnet er vor. „Das sind 6,5 Kilometer, ein ganz normaler Wert.“ In einem Alter, in dem andere längst im Seniorenheim mit Animationsprogrammen dazu gebracht werden müssen, sich vom Fernseher zu lösen, suchen die Senioren im Wentorf-Reinbeker Golf-Club ihre persönliche Herausforderung in der freien Natur.

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Doch weil so viel Einsatz hungrig macht, ist das anschließende gemeinsame Mittagessen im Club ebenso gesetzt wie die Golfrunde selbst. Hier werden dann die großen Krisen dieser Welt – der Krieg und der HSV – verhandelt. Die abendlichen Bilder aus der Ukraine machen betroffen, lassen Erinnerungen wieder wach werden. „Beim Ende des Zweiten Weltkriegs war ich 15 Jahre alt“, erinnert Hans Walter Behr. „Ich habe das alles ja noch bewusst miterlebt.“

Krise beim HSV? Da gibt es doch eine ganz einfache Lösung!

Doch zumindest was den HSV angeht, kann Hugo Winter schließlich verschmitzt mit einer Lösung aufwarten. „Der HSV bleibt auch künftig mein Hauptverein“, versichert der 93-Jährige. „Aber nächste Saison will ich beim FC St. Pauli in der Loge sitzen.“ Zumindest dann, wenn gerade keine Golfrunde ansteht.