Hamburg. Seit 75 Jahren gibt es die Firma Willy Curdt in Lohbrügge. Der Familienbetrieb setzt auf Spezialprodukte. Das zahlt sich aus.
Nach 30 Jahren hat das alte Inventar ausgedient. Und es wird ja irgendwie auch etwas Besonderes erwartet, wenn ein erfolgreiches Handwerksunternehmen 75. Jubiläum feiert. Beides hat Firmenchef Eike Curdt zum Anlass genommen, den Verwaltungs- und Bürobereich der Tischlerei Willi Curdt Co & GmbH zu entkernen, alles von der Fensterbank bis zum Schreibtisch auszutauschen. Das macht die Traditionstischlerei aus Lohbrügge größtenteils selbst.
Selbermachen und immer nach neuen Geschäftsfeldern suchen – ein Prinzip, das sich an der Osterrade 22 als erfolgreich erwiesen hat. So werden dank Rainer Curdt, dem Vater von Eike, auch nicht nur die klassischen Produkte einer Tischlerei gefertigt. Seit dem Jahr 2011 werden auch Brandschutztüren, seit 2014 zudem Brandschutzfenster produziert. Ein paar Jahre zuvor war die Industrie in diesem Segment noch derart dominant, dass die Türen von den Tischlereien fertig eingekauft wurden, um sie beim Kunden einzubauen.
Tischlerei Willy Curdt: Brandschutztüren und -fenster aus Holz
„Seitdem haben wir diese Sparte jedes Jahr weiterentwickelt“, berichtet Eike Curdt. Die nach EI30 oder EI90 zertifizierten Bauelemente sind Absatzrenner, verkaufen sich bei Lieferzeiten zwischen vier und sechs Wochen bis hinunter in den süddeutschen Raum rasant, weil sie schließlich wichtige Lebensretter sein können.
EI30 bis EI90 steht für die Anzahl der Minuten, denen die Holztüren beziehungsweise Holzfenster im Brandfall den Flammen standhalten, sie am Durchtritt in weitere Räume hindern. Die Zeitvorgaben basieren auf Erfahrungswerten der Feuerwehr, wie lange sie braucht, Menschen aus brennenden Wohnungen zu retten. Und bei Curdt wird die Entwicklung vorangetrieben: „Aktuell sind wir dabei“, erzählt Eike Curdt, „die Produktion von Brandschutztüren der Klasse EI90 einzuführen.“ Bislang gibt es sie nur als EI30.
Weiteres Spezialprodukt der Tischlerei sind Raumspartüren
Ein weiteres Spezialprodukt seit dem vergangenen Jahr: Curdt und sein 26-köpfiges Team (darunter vier Auszubildende) fertigen jetzt auch Raumspartüren. Diese Türen falten sich beim Öffnen etwa zu einem Drittel der Fläche zusammen und tragen zur Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Menschen mit Rolllator oder Rollstuhl bei. Nachfrage kommt bislang vor allem aus Seniorenheimen und Rehakliniken.
Im Gegensatz zu vielen anderen Handwerksbetrieben klagt Curdt nicht über Nachwuchssorgen. Seine Tischlerei übernimmt Lehrlinge größtenteils nicht nur, sondern bindet viele Mitarbeiter auch eine gesamte Arbeitskarriere an den Betrieb. „Keiner will hier zwingend weg“, sagt der Chef des Familienbetriebs in dritter Generation. Seine Auszubildenden kann er sich noch aussuchen: „Wir haben für zwei freie Plätze 60 Bewerbungen vorliegen.“
Warum der 75. Geburtstag erst jetzt nachgeholt wird
Eigentlich hätte der von Namensgeber Willi Curdt am 16. Dezember 1948 gegründete Betrieb seinen „75.“ folglich Ende 2023 feiern können, „doch so kurz vor Weihnachten hat ja keiner Zeit“, entschied Eike Curdt. Nun kommen 150 geladene Gäste am Sonnabend, 1. Juni, direkt neben dem Handwerksbetrieb in den „Grand Palais“. Da werden Rainer (78) und sein Nachfolger Eike Curdt (40) die Firmenhistorie Revue passieren lassen. Die Curdts unterstützen das Hospiz am Deich und freuen sich beim Jubiläum über Spenden dafür.
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Großvater Willi (1909–1998) hatte den Betrieb 1948 in einer kleinen Garage an der Sanmannreihe mit einem Azubi und einem Moped gegründet. Später ging es dann in einen etwa 500 Quadratmeter großen Betrieb an der Seyboldtsraße 19, bevor unter Führung von Rainer Curdt 1994 der Umzug an den heutigen Standort Osterrade 22 folgte. Eike Curdt hat seit vier Jahren das Zepter in der Hand und gibt sein persönliches Lebensziel aus: „Die 100 Jahre will ich voll machen. Denn einen Betrieb wie unseren gibt es nicht allzu häufig.“