Hamburg. Lenni Sieveking hat eine Eins vorm Komma. Als Gesellenstück hatte er sich etwas besonders Schwieriges vorgenommen.

Rund 100 Werkstunden in zweieinhalb Wochen hat Lenni Sieveking an seinem Gesellenstück gearbeitet. Plus zusätzliche Zeit zuvor am Zeichentisch mit dem beratenenden Ziehvater Rainer Curdt. Entstanden ist eine sehenswerte Vitrine in Asien-Optik – mit Winkeltüren, Sprossen, Beinen und Papierwänden dahinter, wie es häufig bei japanischer Einrichtungsweise zu sehen ist. Ein hübsches, sauber gefertigtes Stück aus Esche und Nussbaum vermeintlich aus Fernost, doch entstanden aus den Händen eines 20-Jährigen in einem Lohbrügger Handwerksbetrieb.

„Zeichnerisch war es nicht so schwer, aber in der Detailarbeit lag die Herausforderung“, sagt Lenni Sieveking. Er erhielt im Abschlusszeugnis die Note 1,7. Die Belohnung für zweieinhalb Jahre Ausbildung in der Tischlerei Willi Curdt & Co GmbH in der Osterrade 22, die sich zu gleichen Teilen aus theoretischen und praktischen Leistungen ergibt wie dem Zeichnen, Rechnen, verschiedenen Arbeitsproben – und eben jenem Gesellenstück. Sievekings Chef ist total zufrieden: „Mit ’ner Eins vor dem Komma, das ist immer gut“, sagt der Geschäftsführer der Tischlerei Willi Curdt. Sieveking konnte aufgrund seiner hervorragenden Leistung auch um ein halbes Jahr verringern.

Ausbildung: Gesellenstück steht jetzt bei Mama im Wohnzimmer

Es kommt nicht von ungefähr, dass Lenni so ein talentiertes Händchen besitzt: Schon der Opa war gelernter Tischler, arbeitete allerdings als Diakon, verbrachte jedoch viel seiner Freizeit an der Werkbank. „Da war ich als kleiner Junge beim Basteln schon immer dabei“, erinnert sich Lenni Sieveking. Aber immer nur Bastelei reichte ihm irgendwann nicht mehr aus: Auf dem Grundstück seines Elternhauses packte er beim Terrassenausbau mit an, „mit 13 Jahren hab’ ich dann mein eigenes Zimmer ausgebaut“, berichtet der neue Tischlergeselle.

Mittlerweile steht die Vitrine im Wohnzimmer der Mama in Altengamme, die laut dem Sohn viel Spaß an dem einmaligen und hübschen Accessoire hat. Für immer? „Nun“, sagt der ausgelernte Azubi, „da bin ich gesprächsbereit.“ Wer sich für den Schrank interessiert und etwa 6000 bis 7000 Euro übrig hätte, kann sich bei Lenni Sieveking melden. Der Rechtsverteidiger des Tabellenzweiten der Fußball-Kreisklassen-Staffel 3, SV Altengamme IV, baut in seiner Arbeitsecke schon am nächsten Unikat. Es wird ein Kleiderschrank.

Fünf Azubis sind für Curdt „das Rückgrat unseres Betriebs“

Der Einser-Azubi ist ein Exempel für beste Ausbildungsbedingungen in der Tischlerei Curdt, ein von Eike Curdt nun schon in dritter Generation geführtes Handwerksunternehmen mit 25 Mitarbeitern. Fünf Azubis lernen zurzeit an der Osterrade. „Das Rückgrat unseres Betriebs“, betont Eike Curdt, denn jeder zweite Ausgelernte bleibt an der Osterrade. Auch Lenni Sieveking wird selbstverständlich übernommen. Curdt betreibt bei der Gelegenheit in seiner Funktion als Sprecher der Betriebsunion Bergedorf gleich noch Werbung für das Bergedorfer Praktikumsrondell, bei dem junge Menschen innerhalb kürzester Zeit in möglichst viele Betriebe hineinschnuppern können.

Kleiner Wermutstropfen für Sieveking: Gesellenbrief und Belobigung lassen noch auf sich warten, „auch eine Freisprechung wird es aufgrund von Corona nicht geben“, bedauert Eike Curdt. Die Tischlerei Curdt sucht übrigens noch zum 1. September neue Lehrlinge. Vielleicht kommt dabei ja wieder ein japanisches Edel-Werkstück heraus? Trockener Kommentar von Lenni Sieveking: „Kommt drauf an, was Altengamme ausspuckt.“