Bergedorf. 300 Kilometer neue Leitungen müssen verlegt werden, damit Wärmepumpen, E-Ladesäulen und Photovoltaikanlagen das Netz nicht überlasten.
Die Energiewende zeigt in Bergedorf bald ihr hässliches Gesicht: 313 Kilometer Stromleitung müssen allein in den kommenden zehn Jahren unter den Straßen neu verlegt werden, damit die unzähligen privaten wie öffentlichen neuen Ladepunkte für E-Autos, die geplanten Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen nicht zum Blackout führen.
„Das bedeutet in den kommenden fünf bis zehn Jahren umfangreiche Baustellen und nicht zuletzt etliche Staus“, bestätigte André Menzel von Stromnetz Hamburg jetzt im Wirtschaftsausschuss der Bezirksversammlung.
Stromnetz Hamburg: 300 Kilometer Leitungen in Bergedorf verlegen
Im Vergleich zu den anderen sechs Hamburger Bezirken mit bis zu 1024 Kilometern neuen Leitungen beim Spitzenreiter Wandsbek ist Bergedorfs Erneuerungsbedarf zwar mit Abstand der kleinste. Doch auch hier sind auf den Straßen erhebliche Staus zu erwarten, müssen die neuen Leitungen doch überwiegend unter dem Asphalt der Fahrbahn verlegt werden, weil vielfach die üblichen Trassen unter Fußwegen und angrenzenden Flächen schon voll belegt sind.
„Wir werden jeweils in 500 Meter langen Abschnitten arbeiten und uns gezielt einzelne Viertel vornehmen, um schneller fertig zu werden – auch wenn das dort für einige Wochen zu erheblichen Verkehrsengpässen führt“, verweist André Menzel auf erste Erfahrungen in Tonndorf und Eilbek, wo Tiefbauer im Auftrag von Stromnetz Hamburg bereits aktiv sind.
Versorgungssicherheit gezielt in einzelnen Stadtvierteln ausbauen
Die Unverzichtbarkeit des Netzausbaus unterstreicht Ramezon Korkmaz von der Umweltbehörde: „Die Energiewende stellt unser Stromnetz vor ganz neue Herausforderungen. Das gilt sowohl für die wachsende Vielfalt der Einspeisungen, als auch für die steigenden Ansprüche der Abnehmer von privaten Haushalten über die E-Mobilität bis hin zu Großabnehmern wie der Industrie.“
„Unsere absolute Priorität bleibt dabei die Versorgungssicherheit. Und genau deshalb müssen wir jetzt nachrüsten“, unterstreicht Dr. Björn Dietrich. Wie groß der Bedarf ist, macht der Stromnetz-Hamburg-Vorstand mit einigen Zahlen deutlich.
So steige die Zahl der Wärmepumpen in Hamburg von aktuell rund 6000 bis zum Jahr 2045 voraussichtlich um sagenhafte 3000 Prozent auf dann mindestens 170.000. Bei den Solaranlagen geht es im gleichen Zeitraum von 13.500 hinauf auf 150.000 und bei den Ladepunkten für E-Mobilität von 7500 auf prognostizierte 237.000.
Fabrik der Zukunft sollte rechtzeitig ihren Strombedarf anmelden
Hinzu kommen die Bedarfe der Unternehmen und natürlich der großen Industriebetriebe, zu denen auch die Fabrik der Zukunft zählt, die der Körber-Konzern als neue Hauni bis 2027 nahe der A25 am Curslacker Neuen Deich errichten will. „Dafür empfiehlt es sich, die Anforderungen rechtzeitig mit uns abzusprechen und natürlich die Anträge zu stellen“, sagte Björn Dietrich im Bergedorfer Wirtschaftsausschuss. Das gelte auch für alle größeren privaten Projekte.
Riesige Anforderungen an das seit dem Rückkauf der Netze im Jahr 2014 wieder kommunale Hamburger Unternehmen, das heute schon 1500 Mitarbeiter zählt und für die gut 30.000 Kilometer Stromleitungen innerhalb der Hansestadt verantwortlich ist.
Beim Blick in die nähere Zukunft gibt sich Dietrich dennoch optimistisch: „Der erste Ausbauschritt bis ins Jahr 2028 ist bereits gesichert. Und zwar durch langfristige Verträge mit Tiefbauunternehmen und das Aufstocken unseres Investitionsetats von 95 Millionen Euro in 2016 auf heute schon 430 Millionen und in Zukunft bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr.“
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Dass es auch anschließend reibungslos weitergeht, mag der Manager noch nicht unterschreiben. „Aber genau daran arbeiten wir jetzt“, gibt sich Björn Dietrich optimistisch – und verspricht zusammen mit der Umweltbehörde auch die bisherigen Engpässe in den Genehmigungsverfahren selbst kleinerer privater Projekte endlich in den Griff zu bekommen. „Solche Probleme gefährden den Erfolg der Energiewende insgesamt, weil mit der Akzeptanz der Bürger gespielt wird. Das darf nicht sein.“
Schon heute sei Bergedorfs Stromnetz immerhin so gut, dass es alle geplanten Wärmepumpen und E-Ladesäulen verkrafte, ebenso wie die Einspeisung durch neue Photovoltaik-Anlagen an fast jeder Stelle im Bezirk, unterstreicht André Menzel: „Die Mittel- und Niedrigspannungsnetze haben hier noch ausreichend Kapazität. Und an den schleppenden Genehmigungsverfahren arbeiten wir in Hamburg behördenübergreifend mit Hochdruck.“