Hamburg. Fast ein Viertel weniger Stände in nur fünf Jahren. Händler-Präsident schlägt Alarm: „Betriebe müssen aufgeben, weil Nachwuchs fehlt.“

Diese Zahlen alarmieren: Innerhalb der vergangenen fünf Jahre sind die Wochenmärkte im Bezirk um fast ein Viertel geschrumpft. Doch dieser Rückgang von 219 Marktständen pro Woche im Jahr 2018 auf aktuell nur noch rund 170 ist nur der sichtbare Teil. Hinter den Kulissen gibt es ein akutes Händlersterben.

Wie die Statistik des Bezirksamts belegt, schrumpfte auch die Zahl der sogenannten Marktbeschicker, die die Märkte in Lohbrügge, Bergedorf, Neuallermöhe und Bergedorf-West ansteuern, um 22 Prozent. Konkret sind es heute 15 Familienbetriebe weniger, die Blumen oder Obst und Gemüse, aber auch Fisch, Fleisch und andere Lebensmittel an ihren Ständen anbieten.

Marktbeschicker-Präsident: „Händlersterben hat sich schon seit 20 Jahren abgezeichnet“

„Immer mehr Markthändler müssen aufgeben, weil sich die neue Generation diesen harten Job mit seinen wenig attraktiven Arbeitszeiten bei immer weiter schrumpfenden Einnahmen nicht mehr antun will“, sagt Wilfried Thal, als Präsident des Landesverbands des ambulanten Gewerbes und der Schausteller quasi Cheflobbyist der Markthändler. „Das alles ist schon seit 20 Jahren bekannt, aber Politik und Verwaltung haben uns nie zugehört. Erst jetzt, wo das im Händlersterben unübersehbar wird, sind alle plötzlich schockiert und tun so, als hätten sie von nichts gewusst.“

Hier wird aus der Not eine Tugend gemacht: Wo kein Marktstand mehr steht, wird der Lohbrügger Markt zum Parkplatz gemacht.
Hier wird aus der Not eine Tugend gemacht: Wo kein Marktstand mehr steht, wird der Lohbrügger Markt zum Parkplatz gemacht. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Entsprechend hält sich seine Begeisterung über einen Bergedorfer Erfolg zur Attraktivitätssteigerung seiner Wochenmärkte in Grenzen: Nach Anträgen aus allen politischen Lagern hat die Wirtschaftsförderung im Rathaus jetzt eine Absprache mit dem Werbetafel-Betreiber Ströer verkündet, wonach ab März an drei Standorten für die Wochenmärkte geworben werden wird.

Ab März werden die Werbetafeln an den Hauptstraßen auf Bergedorfs Wochenmärkte hinweisen

Konkret flimmert auf den elektronischen Werbeträgern am Curslacker Neuen Deich 66, an der Kreuzung Nettelnburger Landweg/Rahel-Varnhagen-Weg und an der Bergedorfer Straße 85 Werbung für die Wochenmärkte. Und zwar von Dienstag bis Sonnabend jeweils für sechs Stunden zu deren Öffnungszeiten zwischen 8 und 13 Uhr.

„Eigentlich eine gute und richtige Maßnahme. Aber sowas hätten wir schon zur Jahrtausendwende gebraucht“, sagt Wilfried Thal, der mit seiner Kritik aber gar nicht die lokale Politik und Verwaltung meint. „Sie haben uns immer nach Kräften unterstützt und tun das mit Projekten wie diesem ja auch weiterhin. Aber wurde den Markthändlern durch diverse Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und EU-Ebene immer neue Pflichten und Verantwortungen auferlegt, die sich für die Familienbetriebe und die ganze Branche zu ökonomischen Fallstricken ausgewachsen haben.“

CDU-Bürgerschaftsfraktion will die Sorgen der Wochenmarkt-Händler 2024 thematisieren

Dazu gehört etwas der Umgang mit den sogenannten Handkassen, die von den Finanzämtern aus Sorge vor Steuerbetrug schon seit Jahren weitgehend unterbunden werden. Oder die Kunststoff-Verordnung mit ihren detaillierten Vorgaben zur Entsorgung durch die Händler. Die Liste der Beispiele ist so lang, dass der Landesverband im Herbst acht Seiten brauchte, um die CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft detailliert in Kenntnis zu setzen. Sie will das Thema 2024 aufgreifen.

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„Wochenmärkte sind traditionell ein Ort des ständigen Wandels. Und das soll auch so bleiben“, sagt Wilfried Thal. Er selbst sei ein großer Fan von innovativer Konzepte, etwa von Ständen mit einer Auswahl fertig gekochter Suppen, den Kaffee-Wagen oder den Food-Trucks. „Aber wir müssen uns genau überlegen, ob unsere Wochenmärkte nur so in Zukunft noch lebensfähig sein können – ganz ohne frische Lebensmittel aus der Region.“

Genau diese Frage stehe jetzt im Raum: „Bleibt der heutige Rahmen unverändert, verlieren die klassischen Marktbeschicker unwiderruflich ihren Nachwuchs“, sagt Thal. Um das zu verhindern, dürfe der Wochenmarkt der Zukunft nicht mehr als Ansammlung fliegender Händler gesehen werden, sondern „wie ein Einkaufszentrum, dessen Attraktion die Stände mit frischen Lebensmitteln aus der Region sind“.