Hamburg. Bergedorfer Anglerverein setzt mehr Fische als erwartet an der Bille aus. Die meisten werden auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Seit Sonntagmittag hat Bergedorf 120.000 neue Einwohner – zumindest vorübergehend. Es handelt sich um kaum einen Zentimeter große Meerforellen, die der Anglerverein in Bille, Forstgraben und Bornmühlenbach ausgesetzt hat. Die Aktion ist Teil des langfristigen Versuches, die Tiere wieder in den Bergedorfer Fließgewässern anzusiedeln. Die wanderlustigen Fische sollen außerdem zeigen, wie gut die Fischtreppe am Serrahn funktioniert.

Eigentlich wollten die Angler in Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde und der Bergedorfer Zeitung am Sonntag nur 100.000 Fischlein in ihr neues Zuhause entlassen. Weil dem Züchter in Garstedt bei Winsen/Luhe in letzter Sekunde ein Kunde absprang, gab es noch einmal einen Nachschlag. Auch zur Freude des guten Dutzend Schaulustiger, die sich entlang des Billewanderwegs eingefunden hatten.

Anglerverein setzt 120.000 Meerforellen an der Bille aus

Per Anhänger brachte Stephan Weisener, Vorsitzender des Anglervereins, den Fischnachwuchs an den Billewanderweg. Mit Gummistiefeln oder Wathose ausgerüstet, stapften die Vereinsmitglieder dann in die kleineren und größeren Gewässer. Ein schneller Schnitt mit dem Messer, um den Plastiksack zu öffnen und Tausende winzige Forellen schwammen in die Freiheit. Trödeln war nicht angesagt. „Der Züchter sagt, die Fische sollten nicht länger als zwei Stunden in den Transportsäcken bleiben“, erklärte Weisener. Am Ende brachten die Angler die Aktion in anderthalb Stunden über die Bühne, inklusive Anfahrt.

Mehr als zwei Stunden sollen die Fische nicht in den Transportsäcken verbringen. Die Angler arbeiten zügig und konzentriert.
Mehr als zwei Stunden sollen die Fische nicht in den Transportsäcken verbringen. Die Angler arbeiten zügig und konzentriert. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Die Forelleneier stammen aus Dänemark, in Garstedt schlüpften die Fische, ernährten sich aber bislang nur von ihrem nahrhaften Dottersack. „Gefüttert wurden sie noch nicht, die Tiere sollen sich gar nicht erst an die Fütterung durch Menschen gewöhnen“, sagte Jens Kiesel vom Anglerverein. Die hungrigen Mini-Forellen können sich jetzt in Forstgraben und Bornmühlenbach direkt auf Mückenlarven stürzen.

Der Großteil des Fischnachwuchses landete in den beiden kleinen Nebengewässern, weil dort die Zahl der Fressfeinde geringer ist. „Wenn wir alle in die Bille entlassen, sind am Ende vor allem die Raubfische satt“, betonte Kiesel. Manche der Fischlein werden dennoch schon in den nächsten Tagen in die Bille schwimmen, andere erst langsam in den kleinen Gewässern heranwachsen. Ab Herbst machen sich die Forellen dann auf den Weg in die Nordsee – die meisten jedenfalls.

Auch bz-Chefreporter Ulf-Peter Busse durfte einen Sack Fischlein in die Freiheit entlassen.
Auch bz-Chefreporter Ulf-Peter Busse durfte einen Sack Fischlein in die Freiheit entlassen. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Tatsächlich handelt sich bei Bach- und Meerforelle um die gleiche Art (Salmo trutta). Einige der Billeforellen könnten sich also entscheiden, ihr ganzes Leben im Bergedorfer Süßwasser zu verbringen. Die meisten werden jedoch ins Meer umziehen und irgendwann zum Laichen nach Bergedorf zurückkehren. Dann – so die Hoffnung – können sie im Fangkorb an der Fischtreppe am Serrahn gefangen und identifiziert werden und so zeigen, dass die Treppe, genau wie die Tatenberger Schleuse, ihre Aufgabe erfüllt. Schließlich sind die Forellen wohl aus der Bille verschwunden, weil ihre Wanderungen durch Wehre unmöglich gemacht wurden. Und eine EU-Richtlinie fordert die Passierbarkeit von Flüssen für Fische ein.

„Unser Wunsch ist, dass sich die Forellen dauerhaft wieder in der Bille ausbreiten“, sagte Jens Kiesel. In der Alster sowie in Flüssen wie Trave, Stör und Schwartau waren entsprechende Versuche von Erfolg gekrönt. Die Wasserqualität in dem Fluss ist jedenfalls gut genug. Sobald auch in Reinbek eine Fischtreppe gebaut wird, könnten die Forellen sogar bis in den Sachsenwald reisen. Vor Herbst 2025 rechnet der Anglerverein aber nicht mit den schuppigen Heimkehrern.

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Tatsächlich hat der Verein schon von 2017 bis 2019 insgesamt 10.000 ältere Meerforellen in der Bille ausgesetzt. Doch nur ein Prozent des Fischnachwuchses überlebt bis zur eigenen Geschlechtsreife und nicht alle kehren auch in ihre Heimatgewässer zurück, weshalb sich bislang noch keine Meerforelle wieder in Bergedorf blicken ließ. Bei einer geschätzten Rückkehrquote von 0,1 Prozent könnten sich die 20.000 Bonus-Forellen also noch als Segen erweisen.

Noch bevor der Anglerverein nach den heimkehrenden Meerforellen Ausschau halten kann, wird der Verein zunächst am 1. Mai sein 70-jähriges Bestehen feiern. Die große Party soll im Vereinsheim an der Heinrich-Osterath-Straße 135 steigen.