Hamburg. Bayerns Vize-Ministerpräsident war zu Besuch in Bergedorf. Was sich die hiesigen Freien Wähler von ihrem Gast erhofften.
Informationsstände von Parteien auf Wochenmärkten, an Bahnhöfen oder an anderen gut frequentierten Orten gehören knapp zwei Monate vor den Bezirksversammlungswahlen und der Europawahlam 9. Juni in ganz Hamburg zum Stadtbild. Wenn sich aber an einem dieser Infostände drei Personenschützer mit „Knöpfen“ in den Ohren aufgebaut haben, weist dies auf den Besuch eines besonders prominenten Politikers hin.
So geschehen am Sonnabendmittag in der Bergedorfer Innenstadt. Hubert Aiwanger, Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie stellvertretender Ministerpräsident von Bayern, machte unter den wachsamen Augen von drei Bodyguards des Bayerischen Landeskriminalamts am Johann-Adolf-Hasse-Platz Wahlkampf für seine Partei Freie Wähler. Der 53-Jährige unterstützte Daniel Meincke, den Spitzenkandidaten zur Bezirkswahl in Bergedorf und Hamburger Landesvorsitzenden der Partei.
Hubert Aiwanger zu Gast bei den Freien Wählern in Bergedorf
„Wir haben Herrn Aiwanger eingeladen. Und er hat trotz seines straffen Terminplans tatsächlich zugesagt. Bei der Kommunalwahl 2019 haben wir 2,9 Prozent bekommen. Und nun müssen wir rein und hoffen, das mit der Unterstützung von Herrn Aiwanger zu schaffen“, sagte Meincke. Er hatte seinen Parteichef morgens vom Flughafen abgeholt und dann zum Infostand im Schatten der Kirche St. Petri und Pauli gefahren. Dort stand der bestens gelaunte Aiwanger dann drei Stunden Bürgern Rede und Antwort, bevor es für ihn zurück nach München ging.
„Ich habe hier eine ganze Reihe von interessanten Gesprächen geführt. Ich finde die Hamburger sehr sympathisch, das sind ganz offene, vernünftige Leute. Es geht darum, sich einfach die Sorgen und Nöte des Normalbürgers anzuhören“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister. Der Kontakt zum Bürger sei für ihn das Entscheidende, so der 53-Jährige. Denn: „In meinen Augen hat sich die Politik – insbesondere die Bundes-Ampel – viel zu weit vom Bürger entfernt. Man redet nicht mehr mit den Leuten.“
Dass er sich nicht davor scheut, Klinken zu putzen, um für Stimmen zu werben, hatte Aiwanger bereits im bayerischen Landtagswahlkampf 2023 unter Beweis gestellt. Der Diplom-Agraringenieur war praktisch 24 Stunden pro Tag im Einsatz – ob nun im Festzelt oder auf dem Marktplatz. „Ich habe meine Auftritte nicht mehr gezählt“, sagte er lachend.
Flugblatt-Affäre tat der Popularität Aiwangers keinen Abbruch
Allerdings fiel ein dunkler Schatten über seinen Wahlkampf, als die „Süddeutsche Zeitung“ von einem antisemitischen Flugblatt berichtete, das Aiwanger als Elftklässler verfasst und verbreitet haben soll. Der stellvertretende Ministerpräsident wies die Vorwürfe zwar empört von sich: „Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend“, doch ein fader Beigeschmack blieb. Auch dann noch, als sich sein älterer Bruder Helmut Aiwanger dazu bekannte, Urheber des 35 Jahre alten Schreibens zu sein.
Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Der Beliebtheit und Popularität des Wirtschaftsministers in Bayern tat die Flugblatt-Affäre indes keinen Abbruch. Bei den Landtagswahlen holten die Freien Wähler 15,8 Prozent und wurden zweitstärkste Kraft hinter der CSU. Beide Parteien setzten ihre Koalition fort, obwohl Aiwanger kein Geheimnis daraus macht, dass er und Ministerpräsident Markus Söder keine Freunde fürs Leben mehr werden: „Es funktioniert inhaltlich, wir sind ja in vielen Themen politisch deckungsgleich. Wir streiten ja weniger um die Inhalte, als eher um dieselben Wähler. Das ist die Ursache des Dilemmas.“
Um den heißen Brei herumzureden, das ist so gar nicht die Sache des Niederbayern. Das wurde auch bei seinen Gesprächen mit den Bergedorferinnen und Bergedorfern deutlich. Wort- und gestenreich stellte er seine Standpunkte vor. Dazu zählen unter anderem die Forderung nach niedrigeren Abgaben sowie Energiepreisen und die Abschaffung der Erbschaftssteuer. „Das kann ich aber nur machen, wenn ich nicht so viel Geld ausgebe für Bürgergeld-Empfänger, die arbeitsfähig sind, und unkontrollierte Zuwanderung“, erklärte er.
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Es sind solche Sätze, die in der jüngeren Vergangenheit dafür sorgten, dass Aiwanger vorgeworfen wurde, er würde am rechten Rand nach Stimmen fischen, eine Nähe zur AfD haben. Doch das wies der Freie-Wähler-Chef in Bergedorf noch einmal von sich, untermauerte, nicht mit ihnen zusammenzuarbeiten zu wollen. Seiner Ansicht nach tragen primär die Grünen Schuld am Höhenflug der AfD: „Wenn sie nicht so linksradikal wären, wäre die AfD nicht so stark.“ Aiwanger machte kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen die Grünen. Das „Belehrende, Bevormundende und Oberlehrerhafte“ der Partei sei ihm zuwider.
Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr hoffe er, mit den Freien Wählern die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern und dann eine Koalition mit der CDU, CSU und FDP bilden zu können. Dafür aber muss der 53-Jährige wohl noch viele, viele Termine wie den in Bergedorf wahrnehmen. Denn derzeit liegt seine Partei bei Wahlumfragen bundesweit bei nur drei Prozent.