Hamburg. Seniorinnen kritisieren Beteiligung der Partei an Bergedorfer Wahlkampagne in der Bezirksversammlung. Gab es sogar Handgreiflichkeiten?
Über den richtigen Umgang mit der AfD lässt sich trefflich streiten. Und genau das tun derzeit auch Parteien, Verwaltung, Gerichte und Menschen überall in Deutschland: Nachdem gerade erst das Verwaltungsgericht Schleswig entschieden hat, dass die AfD das Schloss Reinbek für eine Veranstaltung nutzen darf, obwohl die Stadt dies mit einer Nutzungssatzung unterbinden wollte, ist weiter Zunder in der Debatte.
Sollte die AfD – in Teilen gesichert rechtsextrem, aber dennoch eine demokratisch gewählte Partei – wo immer möglich ausgeschlossen werden? Oder stärkt dies, neben den rechtlichen Bedenken, nur ihre Opferrolle?
Politik Hamburg: Omas gegen rechts legen in der AfD-Debatte nach
Auch in Bergedorf hat die Debatte jüngst an Fahrt aufgenommen. Denn der Bezirk darf 10.000 Euro für eine Wahlmotivations- und Informationskampagne vor allem für 16-jährige Erstwähler ausgeben, überlegte deshalb, Videos mit allen Fraktionen zu drehen. Dass die AfD dabei zunächst nicht explizit ausgeschlossen wurde, fiel erst später auf: Der Jugendhilfeausschuss diskutierte nun darüber, dass nur „eindeutige demokratische Parteien“ mitmachen sollten. Dazu gab es widerstreitende Meinungen.
Das wiederum rief jetzt Die Linke, das Bergedorfer Bündnis gegen rechts und auch die Omas gegen rechts auf den Plan: Sie demonstrierten vor der Bergedorfer Bezirksversammlung gegen den befürchteten „Dammbruch“ im Umgang mit der AfD. Dabei soll es sogar handgreiflich geworden sein: Ein AfD-Fraktionsmitglied geriet mit den älteren Damen aneinander.
Demonstrationen vor dem Rathaus in Bergedorf sind rechtmäßig
Mit Transparenten hatten sich die Seniorinnen auf die Treppe gestellt, die zum großen Sitzungssaal führt. „Demokratie schützen + leben“ stand unter anderem darauf. Ihm sei mit dem Transparent der Zugang zum Rathaus verweigert worden, und als er es beiseitegeschoben habe, sei ihm auf die Schulter gehauen worden, schildert es AfD-Mann Eugen Seiler. Die angebliche Oma-Attacke hatte er wohl schon vorausgesehen, denn: „Ich habe das auf Video.“
Die Seniorinnen wiesen den Vorwurf strikt von sich, zeigten sich im Gegenteil sehr betroffen von der Art und Weise, wie der Mann filmend auf sie zukam. Auch Bezirksamtsleiterin Schmidt-Hoffmann erinnerte daran, dass Demos vor dem Rathaus absolut rechtmäßig seien, „es gibt keine Bannmeile“.
Aufgeregtheit, Panik, Angst im Umgang mit der AfD herausnehmen
Der Vorfall war wohl Wasser auf den Mühlen der Omas gegen rechts. Sie waren zum Demonstrieren vor das Rathaus gekommen, um in der Einwohnerfragestunde zu warnen: Die „Brandmauer gegen rechts“ könnte bröckeln, wenn die AfD an der Wahl-Motivationskampagne beteiligt werde. Wie auch Die Linke fürchten sie eine schleichende Normalisierung der Partei, finden den Vorgang „skandalös“.
Die Wogen ließen sich jedoch schnell glätten. CDU-Fraktionschef Julian Emrich plädierte zunächst dafür, „die Aufgeregtheit, die Panik, die Angst im Umgang mit der AfD herauszunehmen und sich stattdessen inhaltlich zu stellen“.
Politik Bergedorf: AfD kennt „außer Parkplätzen und Flüchtlinge“ kein anderes Thema
In Bergedorf gebe es genügend Ansatzpunkte, denn die AfD mache „schlechte parlamentarische Arbeit“, plappere Anträge aus anderen Bezirken nach, begehe viele handwerkliche Fehler in den Drucksachen und kenne „außer Parkplätzen und Flüchtlingen“ kein anderes Thema. Nicht Ausgrenzung von parlamentarischen Rechten sei also das Mittel der Wahl, sondern inhaltliche Debatten.
Für die Wahlmotivationskampagne „könne er aber beruhigen“, eine Beteiligung der Fraktionen sei ohnehin vom Tisch. „Profis sagen: Lasst Politiker da lieber raus.“ Vielmehr sollen beispielsweise Influencer jetzt für eine Wahlbeteiligung der Jungwähler werben, ohne eine politische Wertung.
AfD hofft auf ordentlichen Stimmenzuwachs
Auch SPD-Fraktionschefin Katja Kramer betonte, sie habe immer geplant, die Kampagne von Profis machen zu lassen, „nicht von uns ehrenamtlichen Politikern“, also auch nicht mit Beteiligung der AfD.
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AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn sah seine Partei wiederum zu Unrecht verunglimpft. Bei den anstehenden Bezirksversammlungswahlen im Juni, so Krohn weiter, hoffe er auf ordentlichen Stimmenzuwachs – und dann auch einen Ausschussvorsitz in Bergedorf. „So wie uns das zusteht!“
FDP-Fraktionschefin Sonja Jacobsen erinnerte kühl daran, warum die AfD bisher keinem Ausschuss vorsitzt: „Weil Sie jemanden benannt haben, der dann gesagt hat: Ich kann das nicht, ich will das nicht.“ CDU-Mann Jörg Froh habe sich dann bereiterklärt, einzuspringen.