Allermöhe. Alte Schule am Allermöher Deich wurde zu einem Hospiz umgebaut und bleibt trotzdem ein Ort des Lernens. Was das Haus besonders macht.
In dem roten Backsteinhaus am Allermöher Deich 445 lernten Kinder einst Lesen und Schreiben. Seit 1972 wird das Gebäude zwar nicht mehr als Schule „Allermöhe-Oberwärts“ genutzt. Dennoch ist das Haus bis heute eine Schule geblieben, eine „Schule des Lebens“, wie Katja Fischer, Pflegedienstleiterin vom „Hamburger Hospiz am Deich“ feststellt, das im April als erstes Hospiz im Bezirk Bergedorf eröffnet wurde.
Knapp acht Monate liegen mittlerweile seit der Inbetriebnahme hinter dem Team um Geschäftsführer Ralf Herzberg. In der Zeit wurden in dem Haus schon mehr als 70 Gäste und deren Angehörige auf dem letzten Lebensweg begleitet. In der Regel seien ihre Gäste hochbetagte Frauen und Männer gewesen, wie kürzlich eine 94-Jährige, die sich so gewünscht habe, gehen zu dürfen, berichtet Katja Fischer. Doch man musste auch von Gästen Abschied nehmen, die gerade erst das 30. Lebensjahr vollendet hatten oder sich mit Mitte 50 eigentlich darauf freuten, was nach dem nahenden Ruhestand alles noch kommen würde, berichtet die Pflegedienstleiterin.
Hospiz am Deich ist zur einer „Schule des Lebens“ geworden
Das seien auch Momente, die für das Team auch schon mal eine Herausforderung sind und an denen sie weiter lernen würden, weiß die Pflegedienstleiterin. Aber auch bei den Angehörigen – ob Freunde, Enkel, Ehepartner oder Eltern – der sterbenden Gäste nehme sie wahr, dass das Abschiednehmen im Hospiz als besondere Erfahrung mitgenommen wird und das Hospiz auch für sie so eben zu einer „Schule des Lebens“ werde, wie Katja Fischer erklärt.
Leben spielt in dem Haus eine große Rolle, um Sterben und Tod eben auch als Teil des Lebens zu sehen. Jedem Gast würdevolle letzte Lebenstage und einen ganz individuellen Abschied zu gestalten, das ist der Anspruch des Hospizes am Deich. „Und ich bin überzeugt, dass das sehr gut gelingt“, sagt Ralf Herzberg. Er sei sehr glücklich, wie sich das Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen entwickelt habe. Vom Koch über Mitarbeiter in der Hauswirtschaft, psychosoziale Begleitung bis hin zum großen Pflegeteam: „Alle zeigen in der Praxis so eine Haltung, wie wir es uns immer gewünscht haben“, betont der Geschäftsführer.
Nach stockendem Umbau: Auch der Garten und die Terrassen können genutzt werden
Und das werde ihnen auch zurückgespiegelt – oftmals durch ein herzerwärmendes Feedback der Gäste und ihrer Angehörigen. Tatsächlich wirkt das Hospiz warm und heimelig, nicht klinisch-steril. Wer das alte Haus betritt, nimm sofort das Ambiente wahr, sieht die alten Holzbalken, die Holzfußböden, mag sich wie in einem privaten Zuhause wohlfühlen. Es geht fast familiär zu, die gute Gemeinschaft ist zu spüren. Nicht von ungefähr stehen die Türen zu den Zimmern häufig offen, um das Leben auf dem Flur auch mitzubekommen. Im Wohnzimmer oder im Wintergarten kommen Gäste zusammen, um zu spielen oder sich zu unterhalten. Katja Fischer glaubt, dass nicht nur die besondere Atmosphäre des historischen Hauses, sondern auch die begrenzten räumlichen Kapazitäten dabei eine Rolle spielen. „Wenig Platz kann eben auch von Vorteil sein“, sagt sie.
Nachdem der stockende Umbau des historischen Hauses die Inbetriebnahme des Hospizes über viele Monate verzögert hatte, ist nun so gut wie alles fertig: Selbst der Garten ist nun grün, nachdem im Oktober Rollrasen verlegt wurde. Auch die Terrassen im Unter- und Obergeschoss können genutzt werden, Gäste können dort selbst im Pflegebett noch einmal ins Freie geschoben werden. „Wir sind angekommen“, sagt Ralf Herzberg. Ob in der Bevölkerung, Behörde oder Wirtschaft: Man werde mittlerweile als ein Teil von Bergedorf und den Vier- und Marschlanden wahrgenommen, ist der Geschäftsführer überzeugt.
Kontinuierliche Wirtschaftlichkeit des Hospizes ist eine Herausforderung
Man sei toll aufgenommen worden im Bezirk, merke, dass man willkommen ist und gebraucht wird, stellt Herzberg fest. So freue man sich sehr über Geld- und Sachspenden, mit denen das Hospiz immer wieder bedacht werde. Dadurch konnte auch eine Markise für die Terrasse oder jüngst ein Beamer und eine Leinwand für das Wohnzimmer angeschafft werden. So soll es nun auch das erste Mal einen weihnachtlichen Filmnachmittag mit dem Klassiker „Der kleine Lord“ für die Gäste geben. Und auch ein Wohnzimmerkonzert mit der Kantorei der Kirchengemeinde Bergedorfer Marschen samt Waffeln und Punsch ist geplant. Schließlich sei der Advent eine Zeit, die viele Menschen rühre, in der auch das Hospiz mit vielen Spenden bedacht werde, weiß Ralf Herzberg.
Eine kontinuierliche Wirtschaftlichkeit sicherzustellen, ist und bleibe aber eine Herausforderung, wie der Geschäftsführer feststellt. Bei der Finanzierung übernehmen die Krankenkassen 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten des stationären Hospizes. Den restlichen Anteil trägt das Hospiz, insbesondere durch Spenden. 25 Euro pro Tag und Zimmer müssen aufgebracht werden, was eine größere sechsstellige Summe pro Jahr bedeutet. Der Lions Club Hamburg-Billetal habe bereits angekündigt, dass der Erlös aus seinem traditionellen Punsch-Ausschank am frühen Heiligabend in der Bergedorfer City in diesem Jahr dem Hospiz am Deich zugutekommt.
Punsch vom Lions-Club und Adventsumtrunk im Hospiz am Deich
Um sich weiter zu vernetzen und Freundschaften zu schließen, soll nun ein Freundeskreis gegründet werden. Wer Interesse daran hat, kann sich beim Geschäftsführer melden per E-Mail an r.herzberg@hamburger-hospiz-am-deich.de. Auch wenn es nach wie vor Angst und Scheu vor dem Thema Sterben und Tod gebe, sei die Neugier n der Gesellschaft groß, das Hospiz kennenzulernen, weiß Ralf Herzberg. Das Team ist stets offen, das Haus für Interessierte zu öffnen oder auch Vorträge zu halten.
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Zudem gibt es am Sonnabend, 16. Dezember, die Gelegenheit, das Hospiz am Deich zu besuchen: In der Zeit von 14 bis 16.30 Uhr sind Freunde, Nachbarn und Interessierte zu einem weihnachtlichen Adventsumtrunk eingeladen. Gäste können dabei das weihnachtlich geschmückte Wohnzimmer im Anbau, die großzügige Terrasse und den Garten, der erst kürzlich fertiggestellt wurde, begutachten. Dazu gibt es Gelegenheit zu Gesprächen bei Punsch, Kaffee und weihnachtlichem Gebäck.
Um 14.30 Uhr singt die Liedertafel Frohsinn Allermöhe-Reitbrook Weihnachtslieder, Mitsingen ist dabei ausdrücklich erwünscht, betont Katja Fischer. Ab 15 Uhr bieten haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Führungen durch das Hospiz an, dazu gibt es weihnachtliches Basteln für Kinder und eine Vorleseecke, die auch für Erwachsene geöffnet ist sowie einen Büchertisch. Internet: https://deich.hamburger-hospiz.de