Hamburg. Peter Schütze fährt mit seinem Verkaufswagen durch die Vier- und Marschlande und verkauft Brot und Kuchen. Warum er seinen Beruf liebt.
Rund 20 Verkaufswagen – Schlachter, Fischhändler, Kaufleute mit Vollsortiment, Milch- und Backwarenverkäufer – rollten Anfang der 1960er-Jahre durch die Vier- und Marschlande. Zu Beginn der 90er-Jahre waren es immerhin noch rund ein Dutzend, darunter auch rollende Supermärkte, die neben Eiern, Käse, Milch und Wurst auch Getränke und Waschmittel an Bord hatten.
Heute gibt es nur noch zwei Verkaufswagen im Landgebiet. Neben der Bäckerei Bahn ist nur noch Peter Schütze mit seinem Backwaren-Verkauf auf vier Rädern übrig geblieben. Das von seinem Vater gegründete Unternehmen gibt es seit 60 Jahren.
Hamburg Einzelhandel: Mit dem Verkaufswagen übers Land
Peter Schütze fuhr schon als Kind bei seinem Vater Walter Schütze mit, war später, von 1977 an, bei ihm als Verkäufer angestellt. 1990, ein Jahr nachdem sein Vater gestorben war, übernahm der Junior das Geschäft. Seitdem hat er mit seinem Verkaufswagen – inzwischen fährt er das dritte Modell – weit mehr als 200.000 Kilometer heruntergerissen.
Schütze, aufgewachsen in Neuengamme, wo er noch heute lebt, wird am 1. April 65 Jahre alt. Doch an Ruhestand denkt er nicht. „Ich mache weiter, solange meine Gesundheit mitspielt, das Auto noch fährt, es sich finanziell lohnt und mir die Arbeit Spaß macht“, sagt Schütze.
Mit dem Renault in neun Jahren 87.000 Kilometer abgerissen
Der Verkaufswagen – ein maßgefertigter Renault mit Spezialaufbau und nach oben hin geöffnetem Kühltresen – ist neun Jahre alt und hat 87.000 Kilometer auf dem Tacho. „Seine beiden Vorgänger fuhren 14 beziehungsweise zehn Jahre“, sagt der Kaufmann, der hofft, dass der Renault „noch sechs, sieben Jahre mitmacht“.
Schützes Hauptgeschäft sind Backwaren – Brote, Brötchen und Kuchen, die er von der Bäckerei Bahn und Bäcker Heinz bezieht, „den beiden letzten Bäckern in unserer Region“. Hamburger Tageszeitungen, Zeitschriften, Kaffee, Kekse, Süßwaren und Knabberkram runden das „Best-of-Sortiment“ ab. Schütze: „Es ist aus Platzgründen überschaubar.“
Mengen der einzelnen Produkte sind deutlich kleiner geworden
Dabei habe sich die Auswahl im Laufe der Jahrzehnte trotz sinkenden Umsatzes nicht gravierend verändert: „Früher hatte ich von allen Produkten größere Mengen dabei“, sagt der 64-Jährige. Damals konnten die Kunden aber noch in das Fahrzeug hinein, der aktuelle Wagen hat eine Verkaufsklappe an der Seite. „Dadurch, dass die Menschen hineinkommen und die gesamte Auswahl gut überblicken konnten, haben sie auch mehr gekauft.“
Der Hauptgrund für den seit Jahren und Jahrzehnten stetig sinkenden Umsatz sei jedoch ein anderer: „Die Zahl der Kunden sinkt, da heute bei Weitem nicht mehr so viele Menschen tagsüber zu Hause sind wie früher. Damals gab es viel mehr Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe, in denen die Menschen gearbeitet haben. Heute fahren sie mit dem Auto zur Arbeit und zurück und stoppen auf dem Weg am Supermarkt.“ Die Haushalte waren früher auch größer.
Touren durchs Landgebiet haben sich im Laufe von 60 Jahren nicht verändert
Dienstags bis freitags zwischen 6 und 8 Uhr stellt Schütze seinen Verkaufswagen vor seinem Wohnhaus am Kirchwerder Landweg 190 auf, um frisch gebrühten Filterkaffee und geschmierte Brötchen zu verkaufen. Dieses Geschäft laufe nach wie vor gut, zahlreiche Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit oder mit ihren Kita- oder Schulkindern an Bord würden stoppen.
Danach macht sich der Vierländer auf den Weg durchs Landgebiet. „Jeden Tag fahre ich eine andere Tour, die sich wöchentlich wiederholt.“ Die Fahrten, die fünf bis neun Stunden dauern würden, hätten sich seit dem Start des Familienunternehmens vor 60 Jahren nicht groß verändert.
Viele Menschen kennen ihn seit seiner Kindheit
Freitags und sonnabends hält Schütze mit seinem „Einkaufswagen“ jeweils rund 60-mal, um zu verkaufen. „Dienstags bis donnerstags sind es etwas weniger Stopps.“ 90 Prozent der Kunden seien Stammkunden, weiß der Kaufmann. Viele würden ihn seit seiner Kindheit kennen. „Sie sagen, dass sie die Uhr nach mir stellen können – plus/minus fünf Minuten.“ Denn er halte stets zur selben Zeit vor den Häusern seiner Kunden.
„Freitags und sonnabends kaufen auch viele Familien für das Wochenende bei mir ein. Dann sind einfach mehr Menschen zu Hause.“ Der Vor-die-Haustür-Lieferservice koste die Kunden keinen Aufpreis, betont Schütze: „Bei mir zahlen sie für Brot und Kuchen den gleichen Preis wie anderswo auch.“ Gut an kommt auch, dass der Vierländer sich stets die Zeit für einen Klönschnack nimmt, „gern auch auf Platt“.
„Kontakt zu vielen netten Menschen“: Der Kaufmann liebt seinen Beruf
Montags kümmert sich der gelernte Bürokaufmann um Buchführung und Einkauf. „Der Rest des Tages gehört meinem siebenjährigen Enkel“, sagt der Großvater, der zwei Kinder hat. Sonntags kümmert er sich um den Renault: „Dann wird das Fahrzeug gründlich gereinigt.“
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Knapp 400 Kunden beliefert der 64-Jährige wöchentlich. Auch wenn die Nachfrage sinkt: Schütze liebt seinen Beruf: „Ich habe Kontakt zu vielen netten Menschen und fahre regelmäßig durch das schöne Landgebiet.“
In seiner knappen Freizeit geht Peter Schütze gern zum HSV
Unterstützt wird Schütze von Ehefrau Bettina (63). Sie hilft ihm unter anderem beim Einkauf, liefert Bestellungen per Pkw aus. Bestellungen sind unter Telefon 040/723 15 33 möglich. Der Lieferservice werde vor allem sonntags genutzt: „Dann bestellen die Leute gern Kuchen aus meinem Sortiment.“
In seiner knappen Freizeit lässt Schütze keine Langeweile aufkommen: Er ist Ensemblemitglied der Speeldeel Fründschaft in Altengamme, die Theaterstücke in niederdeutscher Sprache auf die Bühne bringt, tanzt seit 1968 bei der Vierländer Speeldeel und engagiert sich im Vorstand des Fördervereins Erntedankfest ehrenamtlich als Kassenwart.
Zum Lokalderby gegen den FC St. Pauli kann er nicht ins Stadion
Der „glühende HSV-Fan“ hat außerdem eine Dauerkarte für seinen Lieblingsfußballverein – „genau wie meine Tochter“. Mit der besuche er regelmäßig Heimspiele: „Das sind dann immer schöne Vater-Tochter-Tage.“
Bei dem Duell gegen den FC St. Pauli im Volkspark am Freitag, 3. Mai, könne er seinen HSV allerdings nicht im Stadion anfeuern: „Da bin ich vorher mit dem Verkaufswagen unterwegs, das passt leider zeitlich nicht.“ Ob er die Tour nicht ausnahmsweise abkürzen könne? „Auf keinen Fall. Das Geschäft geht vor. Schließlich verlassen sich die Kunden auf mich.“