Bergedorf. Neuer Service der „gelben Engel“ wird gut angenommen. Und für Autofahrer gibt es ebenfalls zusätzliche überraschende Angebote.
Die ersten Krokusse trauen sich aus der Erde, es riecht nach Frühling. So mancher Bergedorfer hievt nun sein Fahrrad aus dem Keller, macht es flott und radelt los. Was aber, wenn mitten auf der Strecke die Kette reißt? Oder der Schlauch platzt, nachdem man eine der vielen Schlaglochpisten überwunden hat? Ganz einfach: ADAC-Mitglieder rufen flugs den Pannendienst an. Denn was viele nicht wissen: Der „gelbe Engel“ kommt auch für Zweiräder.
Es begann mit einer Testphase in der Hamburger Innenstadt: Drei Pannenhelfer radeln auf E-Bikes samt Anhängern voller Werkzeug durch Eimsbüttel, Altona und das Schanzenviertel. Emsig reparieren sie Schaltungen und defekte Beleuchtung. Die Hilfe ist durchaus gefragt, immerhin können 88 Prozent der Hilfesuchenden gleich weiterradeln. Seit Juni 2023 bietet der ADAC seinen Mitgliedern (und deren minderjährigen Kindern) nun bundesweit eine Fahrrad-Pannenhilfe an – sofern die gelben Engel mit dem Auto herankommen: Der Marschbahndamm in Kirchwerder zum Beispiel wird also nicht bedient.
Neuer Service: ADAC hilft auch bei Fahrradpannen – und als Schlüsseldienst
In Hamburg seien es knapp zehn Anfragen täglich, im Sommer werde die Nachfrage „wohl stark steigen“, erwartet ADAC-Sprecher Christof Tietgen. Geholfen wird bei Betriebs-, Brems- oder Bruchschäden, die eine Weiterfahrt verhindern. Besonders oft sorgt ein Nagel dafür, dass der Reifen geflickt werden muss. Manchmal auch ist es eine verbogene Speiche oder nach einem Unfall ein Knick in der Felge – das kann auch einem Rollstuhlfahrer passieren, dessen Gefährt nach einer Karambolage klemmt.
Ob Pedelec, Lastenrad, Liegerad oder Fahrradanhänger, die gelben Engel reparieren alle Fahrradtypen. Bloß kann der leere Akku eines E-Bikes nicht schnell aufgeladen werden: Wer es nicht schafft, motorfrei weiterzutreten, muss sich zur nächsten Werkstatt abschleppen lassen. Und es gibt noch eine weitere Einschränkung: Fahrradschlösser werden nicht geknackt, denn auf der Straße lässt sich nur selten feststellen, ob es sich bei einem Hilfesuchenden wirklich um den rechtmäßigen Eigentümer des Rades handelt.
Pannenhilfe: Jeder vierte Deutsche ist Mitglied im ADAC
21,8 Millionen Mitglieder zählt der ADAC in Deutschland, das ist also etwa jeder vierte Einwohner. Allein im Großraum Hamburg vertrauen 600.000 Menschen dem ADAC, der nicht nur Havaristen dient, sondern auch in anderen Notlagen hilft: Wenn nämlich die Haustür zugefallen ist. Nach einem Pilotprojekt in Hamburg, München und Berlin wird seit Mai 2023 bundesweit ein Schlüsseldienst angeboten – auch für Nicht-Mitglieder. Allein in Hamburg wurden zehn Kollegen ausgebildet, die rund um die Uhr gerufen werden können. Telefon: 089/76 76 55 77.
„Es gibt ja viele schwarze Schafe in dieser Branche. Aber wir geben Sicherheit und ziehen die Leute nicht über den Tisch“, betont Christof Tietgen und verweist auf die feste Preisstruktur: Mit An- und Abfahrt beträgt der Grundpreis montags bis freitags (6 bis 21 Uhr) 95 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Nachts, wochenends und an Feiertagen werden 169 Euro berechnet, bei einer Arbeitszeit bis zu 45 Minuten vor Ort. Im Nachgang kann bargeldlos per Rechnung gezahlt werden. Wenn indes die Tür nicht einfach bloß zugefallen, sondern abgeschlossen ist, wird ein örtlicher Fachbetrieb hinzugezogen, der zusätzliche Verbrauchsmaterialien berechnet (ein Ersatzzylinder oder das neue Einsteckschloss etwa kosten jeweils 30 Euro).
„In Hamburg zählen wir täglich eine Handvoll Einsätze, aber der Schlüsseldienst wird sich noch stärker herumsprechen. Immerhin wollen wir innerhalb einer Stunde vor Ort sein“, sagt Viktor Peters. Er ist seit Sommer der neue Regionalleiter der Pannenhilfe Nord mit Sitz an der Kurt-A.-Körber-Chaussee in Bergedorf. Er leitete zuvor in Nürnberg die Aero-Dienst GmbH, die für den ADAC den Krankenrücktransport aus dem Ausland übernimmt: „Wir haben jährlich 1500 Menschen aus dem Urlaub zurückgeflogen, oft Neugeborene oder Herzinfarkt-Patienten“, sagt er. „Auch wer in Kroatien einen Unfall mit dem Wohnmobil hat, will dort definitiv nicht im Krankenhaus liegen.“
Pannenhilfe: 192.965 Hilferufe 2023 im Großraum Hamburg
Inzwischen beschäftigen ihn aber mehr kaputte Zündungen und Zylinderkopfdichtungen, geplatzte Kühlerschläuche und Scheiben, die durch Steinschlag gerissen sind: Aus Hamburg gab es im vergangenen Jahr insgesamt 192.965 Hilferufe von Autofahrern, mehr als im Vorjahr (186.067). Das könnte an den im Schnitt zehn Jahre alten Autos liegen: „Und weil die Leute angesichts der Inflation sparen müssen, behalten sie ihre Wagen auch immer länger“, so Peters.
Es sind im Schnitt 530 Einsätze am Tag: 2023 bearbeitete die Straßenwacht in Hamburg 127.480 Fälle, 65.485 weitere Einsätze übernahmen die sogenannten Mobilitätspartner, das sind etwa die Firmen Reinsch und Groth mit ihren gelben Abschleppwagen. „Wir haben 84 Pannenhelfer und suchen gerade sechs weitere Kfz-Mechatroniker, damit wir noch schneller werden“, sagt Bergedorfs Bereichsleiter Holger Adams, der die „gelben Engel“ im Großraum Hamburg von Lüneburg bis nach Stade schickt – und stolz auf die Reparaturfähigkeiten seiner Kollegen ist: „80 bis 90 Prozent der Kunden können mit ihrem Auto auf eigener Achse weiterfahren.“
Maximal eine Stunde sollen die Havaristen warten müssen, was in zwei Drittel der Fälle auch gelinge. „Aber unser Ziel sind 40 Minuten“, so Adams – wobei der Verkehr in Hamburg „dramatisch zugenommen“ habe, wegen der vielen Staus und Baustellen.
50 Telefon-Disponenten arbeiten an der Kurt-A.-Körber-Chaussee
Gerade montags und freitags sei besonders viel los, vor allem im Winter. Absoluter Rekordtag war zuletzt der 4. Dezember mit 902 Einsätzen. Aber auch im vereisten Januar war Geduld gefragt, musste manchmal drei bis vier Stunden auf Hilfe gewartet werden: „Da waren aber leider auch viele unserer Jungs krank“, erinnert Susanne Heesch, die seit 1997 die Pannenhilfe-Zentrale der ganzen Region Nord leitet. An der Kurt-A.-Körber-Chaussee arbeiten 50 Disponenten im Schichtdienst am Telefon und lotsen 340 „gelbe Engel“. „Das Gebiet reicht von der holländischen Küste bis nach Dänemark. Es umfasst Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, runter bis südlich von Göttingen“, so Heesch.
Da kann das Telefon auch schon mal ausgelastet sein, aber es gibt einen Trick: Schon die Hälfte der Kunden meldet sich online über die ADAC-App, so die Chef-Disponentin: „Da haben wir gleich eine Standort-Übermittlung und die hinterlegten Kfz-Daten. Dann geht es schneller“, weiß Susanne Heesch, die in den kommenden Wochen viele Anfragen von Wohnmobil-Besitzern erwartet: „Da braucht es oft Starthilfe, wenn die Wagen monatelang gestanden haben.“
ADAC-Pannenhilfe: Schlappe Batterie ist der Klassiker
Mehr als klassisch sei die schlappe Autobatterie – und schnell behoben, meint Philipp Retzko. Seit 2011 ist der Kirchwerderaner ein „gelber Engel“ und liebt seinen Job: Meist seien die Menschen ja dankbar für Hilfe, „ganz selten gibt es auch genervte Gnadderköppe.“ Aber der Mechatroniker und Servicetechniker darf manchmal auch ein bisschen Seelentröster sein: „Es kommt schon vor, dass ein Senior einfach mal den Rückwärtsgang nicht reingekriegt hat. Und sich ein bisschen schämt.“
Dagegen ist es schon ein ganz anderer Schnack, wenn mal jemand mit dem allerneuesten BMW-Modell auf Bergedorfs Straßen liegenbleibt. „Das Schadensbild verändert sich. Da geht es meist um Software, wenn die Kontakte des Bordsystems nicht richtig kommunizieren“, weiß Holger Adams. In einem solchen Fall könne man sich natürlich auch über die BMW-App orten lassen, „aber deren Leute sind ja nicht in einer Stunde vor Ort und schleppen zur Werkstatt deiner Wahl“.
Neuer Service der ADAC-Pannenhilfe: Fehlerauslese online
Und so will sich der ADAC auch nicht das Geschäft nehmen lassen: Seit eineinhalb Jahren schon läuft ein Pilotprojekt, bei dem bundesweit 10.000 Smart-Connect-Stecker ausgegeben wurden. Damit ist dann online eine On-Board-Ferndiagnose möglich: „Manchmal reicht es, den Fehler zurückzusetzen. Oder wir können insofern grünes Licht geben, dass man problemlos bis zur nächsten Werkstatt fahren kann“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. Derzeit werte man noch die aktuellen Zahlen aus, aber sehr wahrscheinlich werde das Angebot fortgesetzt.
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Denn der Markt verändert sich, immer wieder gibt es neue Wünsche der ADAC-Mitglieder an ihren Mobilitäts-Dienstleister. Das gilt auch für alle Elektroautos, die vereinzelt sogar schon als Gebrauchtwagen zu haben sind. Wer vor dem Kauf wissen will, wie gut die Batterie noch ist, kann einen Schnelltest machen: Das ist der neueste Service in der ADAC-Zentrale an der Amsinckstraße.