Hamburg. Team der Baptisten betreut Männer, die im Container neben der Friedenskirche Lohbrügge wohnen. Sie sind dankbar – und suchen Arbeit.

Auf dem kleinen Gaskocher brodelt Geschmortes im Topf, nebenan steht eine Spülkiste mit Kartoffelpüree. Lebensmittelspenden von der Tafel. Pawel Korolczuk hat es sich gemütlich gemacht in dem kleinen Container, der neben der Friedenskirche am Ladenbeker Furtweg steht. Seit nunmehr 30 Jahren betreut das Team der Baptisten hier ehrenamtlich das städtische Winternotprogramm und hilft jeweils zehn obdachlosen Männern. Der 45-jährige Pole ist einer davon.

Irgendwann kehrte er seiner Heimatstadt Biała Podlaska (an der Grenze zu Belarus) den Rücken: „Meine Eltern sind tot, ich habe keine Familie. Und mein Chef hatte mir hier eine richtige Arbeit mit Papieren versprochen“, sagt der Mann, der kaum Deutsch spricht – bis auf das Wort Steuernummer: „Es war leider nur Schwarzarbeit. Jetzt habe ich Angst, kann keine Meldung mit Steuernummer machen und habe nur meinen Ausweis.“

Obdachlose in Hamburg: Winternotprogramm ist lebensrettende Hilfe in der Kälte

Zurück nach Polen will er auf keinen Fall, weil nicht nur die Mieten da so teuer geworden seien: „Da kostet ein Toastbrot jetzt zwei Euro, hier nur die Hälfte“, meint Pawel, der zuletzt in einem Zelt übernachtete, unter der Brücke an der Helgoländer Allee, nahe des großen Bismarck-Denkmals.

Zum Glück lernte er vor 17 Monaten auf der Reeperbahn die 30-jährige Monika Skiba kennen, die für ihn übersetzt und Hilfe anbietet: „Wenn mir das Jobcenter Geld bewilligt, gebe ich ihm 200 Euro, damit er sich eine Meldung kaufen kann.“ Aber auch die arbeitslose Pflegehelferin und Reinigungskraft lebt in einem Container, in Hammerbrook, und braucht Geld. Schließlich hat sie vor vier Jahren zwei Töchter (9 und 14 Jahre alt) in Polen zurückgelassen: „Die eine wohnt bei ihrem Vater, die andere bei meiner Schwester.“

Küche im Container: Zum Glück gibt es bei der Tafel kostenfreie Lebensmittel für wohnungslose Menschen.
Küche im Container: Zum Glück gibt es bei der Tafel kostenfreie Lebensmittel für wohnungslose Menschen. © bgz | Anne Strickstrock

Fast jeden Morgen fährt das Paar mit dem Bus in die Stadt und sucht sich ein Frühstück: Das gibt es im CaFeé mit Herz an der Seewartenstraße, im Haus Bethlehem oder bei der Alimaus am Nobistor. Anschließend gehen sie betteln, manchmal in Billstedt, an den Landungsbrücken oder am Fischmarkt: „Da sitzen wir dann mit einem Pappbecher, aber nach ein paar Stunden tut mir der Rücken weh“, sagt Monika. Ihre Augen hellen sich auf, als sie von dem „ganz normalen Mann“ erzählt, der 100 Euro gab, „einen großen Schein“.

Aber die beiden sind genügsam und brauchen nicht viel: „Ich will nur Arbeit und lerne schnell alles“, sagt Pawel. Anstreichen und Spachteln, Laminat legen, Fenster einsetzen und Rigipsplatten verlegen – das alles sei kein Problem, aber: „Bitte mit Papieren.“

„Nächste Woche bestimmt Arbeit“

Ähnlich ergeht es seinem Container-Nachbarn, der gerade an die Tür klopft: Rimantas Girdvainis stammt aus Litauen, genauer: aus Naujoji Akmenė, einer kleinen Stadt dicht an der Grenze zu Lettland. „Ich brauche Arbeit“, sagt der 44-Jährige, der seit 2019 in Deutschland ist: „Ich habe im Lager gearbeitet, Frikadelle, Verpackungen, Gärtner und Fensterputzer“, zählt er auf. Bloß das „Lauki“ sei er leid, das heißt Warten auf Deutsch: „Ich habe Steuernummer, dicke Jacke und Arbeitsschuhe. Und Zeitarbeit sagt, ich kann Baustelle abreißen. Aber immer nur sagt: nächste Woche.“

„Ich kann und will arbeiten“, sagt Rimantas Girdvainis (44) aus Litauen.
„Ich kann und will arbeiten“, sagt Rimantas Girdvainis (44) aus Litauen. © bgz | Anne Strickstrock

Auch er möchte gern in Deutschland bleiben: „Hier ist es schön. Und der Mindestlohn ist doppelt so hoch wie in Litauen.“ So könne er seiner 24-jährigen Tochter etwas Geld vom Jobcenter abgeben. Jedenfalls sei er der Bergedorfer Kirchengemeinde dankbar, dass er nicht mehr im Schlafsack vor Karstadt schlafen müsse: „Alles ist besser als Straße.“

Auch ein Russe und ein Deutscher sind in den Wohncontainern der Baptisten untergekommen. „Den Ungarn mussten wir gerade ins Krankenhaus bringen lassen. Schlaganfall oder so, da sind wir ja nicht geschult“, meint Sven Dümmel, der seit neun Jahren im Team ist. Der gelernte Koch ist selbst krank, aber er hilft gern – „solange es keine Gewalt gibt“. Montags bis freitags ist das Teambüro von 18 bis 19 Uhr besetzt, da werden Gespräche angeboten, aber auch Seife, Mülltüten und Klopapier verteilt. „Einmal hatten wir Läuse. Und einmal war ein Franzose da, der den Toilettencontainer ignorierte“, erzählt er.

Auch interessant

Teamleiter Klaus Spicher jedenfalls ist stolz auf alle sechs Ehrenamtlichen, die seit 30 Jahren dieses Angebot am Laufen halten. Zwar gibt es inzwischen nicht mehr das sonntägliche Mittagessen, weil einfach kaum einer kam. Aber ganz sicher ist es ein gutes Zeichen von Menschlichkeit, den Obdachlosen mit Respekt und Höflichkeit zu begegnen. Noch bis zum 1. April finanziert Hamburgs Sozialbehörde das Winternotprogramm, das Obdachlosen einen Schutz vor dem Erfrieren bietet.