Hamburg. Gutachter erwartet fast 10.000 zusätzliche Pkw pro Tag in Bergedorf. Doch wer übernimmt die Kosten für Schallschutzfenster?
Der Zukunftsstadtteil Oberbillwerder macht es laut an Bergedorfs Straßen. Und zwar so sehr, dass an weit mehr als 200 Gebäuden per Gesetz Lärmschutz erforderlich wird. „Die betroffenen Immobilien liegen vor allem an den Hauptstraßen, sind aber wie ein Streuselkuchen über den gesamten städtischen Bereich des Bezirks verteilt“, sagte Gutachter Oliver Riek vom Altonaer Lärmkontor am Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung.
Betroffen sind unter anderem die Einzelhäuser zwischen den HEM- und Esso-Tankstellen an der Bergedorfer Straße, aber auch weitere Bereiche entlang der B5 sowie Passagen an Kurt-A.-Körber-Chaussee, Ladenbeker Furtweg, Rahel-Varnhagen-Weg, Felix-Jud-Ring oder Nettelnburger Landweg. Überall schreibt das Bundesimmissionsschutzgesetz Lärmreduzierungen vor, wobei egal ist, ob Temporeduzierungen, Flüsterasphalt, Umleitungen, nächtliche Ampel-Abschaltungen angeordnet – oder Schallschutzfenster eingebaut werden müssen.
Knapp die Hälfte des Kfz-Verkehrs von Oberbillwerder wird Richtung Bergedorf rollen
Grund für die Verpflichtung sind prognostizierte 9800 Fahrten von Kraftfahrzeugen, die täglich über den neuen Zubringer von Oberbillwerder über den Ladenbeker Furtweg auf die B5 nach Bergedorf rollen – knapp die Hälfte des gesamten Verkehrs, die der neue Stadtteil produziert, wenn er zum Ende der 2030er-Jahre seine Zahl von gut 15.000 Einwohnern erreicht hat. Eine Blechlawine, die nach den Berechnungen der Experten allerdings längst nicht überall Nachrüstungen zur Pflicht macht. Denn das Gesetz nur greift, wenn Grenzwerte überschritten werden, oder die Oberbillwerderaner für eine Steigerung von mehr als 2,1 Dezibel sorgen.
„Es ist schon sehr kurios“, kommentierte Sven Noetzel von der Oberbillwerder-kritischen CDU im Stadtentwicklungsausschuss. „Wir diskutieren hier über Autolärm aus einem weitgehend autofrei geplanten Stadtteil, der Bergedorf so sehr belasten wird, dass wir umfangreichen Lärmschutz brauchen.“
Bezirksamt erwartet bei Einbau von Schallschutzfenstern nur anteilige Erstattung durch Hamburg
Offen bleibt vorerst, wo welche Maßnahmen realisiert werden – und wer die eventuell erforderlichen neuen Fenster bezahlt: Birte Grabow von der Stadtplanungsabteilung des Bezirks bat um Verständnis, dass konkrete Maßnahmen jetzt erst diskutiert werden müssten. Schließlich sei das Gutachten gerade erst fertiggestellt worden. „Zudem braucht erst gehandelt zu werden, wenn die ersten Menschen in Oberbillwerder wohnen“, was frühestens in fünf Jahren der Fall sein dürfte. Bei den Einbaukosten der Schallschutzfenster geht Grabow allerdings bereits davon aus, dass Hamburg den Betroffenen Hauseigentümern die Rechnungen nicht komplett, sondern nur anteilig erstatten werde.
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Gar keinen Lärmschutz sieht Oliver Riek vom Lärmkontor bisher übrigens für die B5 zwischen Ladenbeker Furtweg und Einmündung Lohbrügger Landweg sowie den Billwerder Billdeich vor. Dabei kämpfen Anwohner des B5-Abschnitts bereits seit drei Jahren für eine Schutzwand. Begründung des Gutachters: An der B5 sei die Grundstücksfrage für den Bau der Wand unklar. Und auf dem Billwerder Billdeich sei westlich des geplanten Abzweigs nach Oberbillwerder kaum 200 Meter jenseits der Parkstraße Karlshof in Bergedorf-West laut Auftrag des Bezirksamts kein zusätzlicher Verkehr zu erwarten.
Zum Erstaunen der Politiker im Stadtentwicklungsausschuss verliert das Lärmgutachten auch kein Wort zum Baustellenverkehr, der voraussichtlich schon im Herbst dieses Jahres einsetzen wird. Dann startet die bis zu drei Jahre dauernde Sandaufschüttung für Oberbillwerder auf den heutigen Wiesen nördlich des Bahndamms bei Neuallermöhe-West. Begründung des Bezirksamts: Dieser Lärm sei nur temporär und das vorgelegte Gutachten befasse sich mit dauerhaft erforderlichen Maßnahmen.