Hamburg. Dabei haben Dörte Plautz und Björn Schering einander zunächst nichts von ihren Plänen erzählt. Heute haben sie einen Verlag.
Das Schreiben spielt in ihrer Familie schon seit Generationen eine große Rolle: Als Großvater Ernst-Günther Friedrichs im September 1939 seine Frau und Kinder in Fünfhausen verlassen musste und in die Wehrmacht eingezogen wurde, da verging bis zu seinem Tod in Russland im Februar 1942 kein Tag, an dem er nicht einen Brief an seine Liebsten in der Heimat schrieb. Bis heute ist Dörte Plautz damit beschäftigt, die Feldpost ihres Großvaters in altdeutscher Schrift zu entziffern.
Doch die gebürtige Vierländerin belässt es längst nicht mehr beim Lesen – sie erzählt nun auch selber Geschichten: Unter dem Pseudonym Julie Scherborn, der sich aus ihrem Geburtsmonat Juli und ihrem Mädchennamen, geborene Schering, zusammensetzt, hat die 56-Jährige im Herbst 2022 ihren Debütroman veröffentlicht. Und damit nur wenige Monate vor ihrem ZwillingsbruderBjörn Schering, der zeitgleich unter die Autoren gegangen ist.
Dörte Plautz und Björn Schering sind als Zwillinge in Fünfhausen aufgewachsen
Allerdings wussten die Zwillinge gegenseitig nichts von ihrer schreibenden Tätigkeit, als sie damit starteten. Als ihr Bruder ihr eines Nachmittags davon berichtete, dass er seinen ersten Roman schreibt, da entgegnete sie nur: „Du, ich auch.“ Das war längst nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass die Zwillinge unabhängig voneinander dieselbe Idee hatten: So hatten sie in einem früheren Manuskript ihrem Protagonisten denselben Nachnamen gegeben oder greifen in ihrem nächsten Werk beide die Themen „evangelikale Sekten“ und „Astronomie“ auf.
Die Spielorte ihrer Romane aber sind unterschiedlich: die Geschichte „Mr. Hoverys Erbe. Eine Suche nach Sherlock Holmes“ von Dörte Plautz spielt, wie es der Titel bereits erahnen lässt, in England. Denn die 56-Jährige ist selbst großer Fan der Geschichten des weltberühmten Meisterdetektivs aus London. Mittlerweile ist die Figur zum Allgemeingut geworden. Wer gut begründen kann, warum Sherlock Holmes in der eigenen Geschichte eine Rolle spielen soll, darf ihn auch benutzen, erklärt Dörte Plautz.
Debütroman von Dörte Plautz spielt auf zwei Zeitebenen in England
Ihr Debütroman spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahr 1952 erfährt das Leben des britischen Juristen Jeremy Hovery eine entscheidende Wende: Er entdeckt das streng gehütete Geheimnis seiner Großeltern. Bei seiner Such nach der Wahrheit muss er tief in der Vergangenheit graben. Seine Geschichte führt die Leserinnen und Leser in die Londoner Baker Street im Jahr 1895. Zu jener Zeit befinden sich die Hoverys in einer ausweglosen Situation. Doch sie erhalten Unterstützung von keinem Geringeren als dem bekanntesten Detektiv der Welt.
„Die Geschichte soll einen wie ein Strudel mithineinziehen in die alte Zeit“, erklärt Dörte Plautz, die dabei vor allem auch auf die passende Sprechweise Wert legt. „So ein Gesieze hat ja auch eine besondere Magie“, stellt die studierte Sängerin fest. Nachdem sie das professionelle Singen nach einer chronischen Erkrankung mit Pfeifferschem Drüsenfieber aufgeben musste, ist das Schreiben ihr neuer Kanal, sich kreativ auszuleben. Doch sie wollte nicht einfach nur so schreiben, das Manuskript gar irgendwann in der Schublade versenken. „Die Geschichte muss unter Leute, um einen Abschluss zu haben“, findet Dörte Plautz.
Björn Schering entführt in seinem Krimi auf die ostfriesische Insel Wangerooge
Also gründete sie kurzerhand gemeinsam mit ihrem Bruder den Zeitperlen Verlag, in dem nun beide ihre Bücher veröffentlichen. Dort ist im Frühjahr 2023 auch der Debütroman von Björn Schering erschienen. „Jensen und die Stille der Insel“ spielt auf der ostfriesischen Insel Wangerooge, wo der Vierländer selbst schon viel Zeit verbracht hat. Die Idylle der Nordseeinsel beginnt zu wanken, als der langjährige Bürgermeister verschwindet. Für Kommissar Peter Jensen beginnt eine fieberhafte Suche. Geplagt von chronischem Schlafmangel, ermittelt der Kommissar unter wortkargen Sturköpfen und ausgestopften Schafen.
„Als er bei seinen Ermittlungen auf ein grausames Geheimnis stößt, offenbaren sich um ihn herum menschliche Abgründe und das Schicksal einer verborgenen Liebe kommt ans Licht“, verrät Björn Schering, der früher beruflich viel Schreiben musste. 16 Jahre lang war er im Bundestag tätig und verfasste dort Gesetzesentwürfe, Abhandlungen und Reden für Abgeordnete. Dann wagte er 2021 einen Neuanfang in Leipzig. „Und ab da konnte ich plötzlich schreiben, was ich wollte“, erinnert sich Björn Schering, der heute im Büromanagement tätig ist. Also ließ er seiner Fantasie freien Lauf.
Zu den Büchern gibt es den passenden Kaffee der Manufaktur Becking Kaffee
„Ich tauche total in die Welt ein und kann die Charaktere frei entwickeln. Das ist zu einem wirklich schönen Hobby geworden“, stellt Björn Schering fest. Schon bald soll es Nachschub von „Kommissar Jensen“ geben. Der zweite Fall mit dem Titel „Jensen und der Blick in die Sterne“ befinde sich derzeit im Lektorat und soll Ostern erscheinen, kündigt Björn Schering an. Im Herbst soll dann auch der zweite Roman von Dörte Plautz erscheinen und einen „Skandal um Sherlock Holmes“ aufdecken, verrät die Autorin.
- Krimireihe aus Ochsenwerder: Dritter Fall für Bette Hansen
- Neuer Roman: Marschlande ist eine bewegende Frauengeschichte aus Hamburg
- Debütroman einer Nettelnburgerin: Eine Jugend mit Gefühlen im Schatten
Die Geschwister können auch für Lesungen gebucht werden – gern auch gemeinsam. „Lesungen machen total viel Spaß, weil das Publikum immer wieder unterschiedlich ist“, stellt Björn Schering fest. Es wird aber längst nicht nur vorgelesen: Dörte Plautz bindet auch gern Zaubertricks, Hutwechsel, Musik oder eine Nebelmaschine mit ein, um die passenden Effekte zu erzielen. Und vor allem gibt es auch immer den passenden Kaffee zum Buch. Denn ihr Mann Sönke betreibt in Altona die Rösterei Becking, in der auch Dörte Plautz tätig ist. Die Sorten „Hovers Hall Coffee“ und „Hamburger Kapitänskaffee von 1902“ tauchen daher auch in den Büchern der Zwillinge auf – und werden bei einer Lesung ausgeschenkt.
In ihrer Heimat der Vier- und Marschlande gab es im vergangenen Jahr eine Lesung in Christines Café auf dem Milchhof Reitbrook, und dort wollen die Zwillinge auch in diesem Jahr gern wieder zu Gast sein. Buchungen für Lesungen, Bestellungen der Bücher und weitere Informationen gibt es im Internet unter zeitperlen-verlag.de.