Hamburg. Immer mehr verlassen die Kirche. Pastor Jonas Goebel von der Auferstehungsgemeinde Lohbrügge entwickelt kreative Ideen dagegen.
Die evangelisch-lutherische Auferstehungskirche auf dem Kurt-Adams-Platz 9 in Lohbrügge ist bunt geschmückt. Ein Adventskranz hängt von der Decke und im Altarraum steht eine mehr als zwei Meter hohe Tanne. In seiner Kirche hat PastorJonas Goebel alles bereit gemacht für die Besucher der Weihnachtsgottesdienste.
Doch seine Kirche wird nur zum großen Fest wirklich gut gefüllt sein. Im Rest des Jahres bleibt auf den Bänken des riesigen Gotteshauses aus den frühen 60er-Jahren regelmäßig sehr viel frei. Denn auch im Bezirk Bergedorf wenden sich immer mehr Menschen von der Kirche ab. Ein Trend, der sich immer weiter fortsetzt: 2022 gab es laut dem Bezirksamt in Bergedorf 1263 Kirchenaustritte, in diesem Jahr waren es bis zum 11. Dezember bereits 1292.
Kirche braucht besondere Angebote gegen Mitgliederschwund
Pastor Goebel versucht, diesem Trend entgegenzuwirken. Gerade jetzt zu Weihnachten, mit besonderen Angeboten in seiner 2400 Mitglieder starken Gemeinde. Der 34-Jährige ist gebürtiger Hamburger und leitet die Gemeinde seit April 2019. Ihm ist bewusst, dass er die Austrittswelle zwar nicht aufhalten kann. Aber er erlebe eben auch, dass positive Erlebnisse in und mit der Kirche Menschen durchaus dazu bewegen, nicht auszutreten, sagt Goebel: „Oft ist es ein Prozess, bis jemand die Kirche wirklich verlässt.“
In seiner Gemeinde am Kurt-Adams-Platz 9 gibt es zu den Festtagen neben der traditionellen Christmette an Heiligabend um 23 Uhr bereits am Nachmittag um 15 und 18 Uhr Krippenspiele für Kinder und Erwachsene. Zudem wird am ersten Feiertag ein Lagerfeuer-Gottesdienst gefeiert, mit Essen und Trinken unter freiem Himmel (17 Uhr).
Vor allem die Krippenspiele sind in Lohbrügge ein Publikumsmagnet
Tatsächlich lockt nicht allein die traditionelle Christmette die Lohbrügger, sondern besonders die Veranstaltungen drumherum., hat der Pastor beobachtet: „Die Krippenspiele werden sehr gern von jungen Familien mit Kindern besucht.“ Die Atmosphäre sei schön und die vielen Gäste gingen zufrieden nach Hause.
Im vergangenen Jahr seien zu den beiden Veranstaltungen am Nachmittag zusammen bis zu 500 Menschen gekommen. Und auch für dieses Jahr rechnet Jonas Goebel mit ähnlich vielen Besuchern. Das besondere Highlight in diesem Jahr wird ein Hund sein, der im Krippenspiel mitwirkt.
Am ersten Weihnachtsfeiertag Gottesdienst am Lagerfeuer
Um eine andere Atmosphäre als in der Kirche zu schaffen, verlagert Jonas Goebel die Gottesdienste ohnehin gern nach draußen „Wir wollen das locker und ungezwungen gestalten“, sagt er. Der Gottesdienst am ersten Weihnachtsfeiertag ist deshalb angekündigt als „Lagerfeuer & Abendmahl“ und lädt vor die Kirche. „Die Atmosphäre draußen ist toll und die Stimmung um das knisternde Feuer einmalig“, erzählt der Geistliche.
Neben der Messe werde es warme, alkoholfreie Getränke und Stockbrot geben. „Das beste Feedback für mich ist, wenn die Leute wiederkommen“, sagt Goebel. Er freue sich über jeden Besucher, der den Weg in die Kirche finde – und sei es auch nur einmal im Jahr zu Weihnachten. Das Fest, so Jonas Goebel, sei für viele eben eine Zeit, in der mal in Ruhe über das Leben, den Alltag oder die Familie nachgedacht werden kann. Das gelte auch für ihn selbst, „wenn der Stress der Vorbereitungen vorbei ist“.
Zum Kirchenaustritt entscheiden sich vor allem junge Leute unter 40 Jahren
Ihm sei aufgefallen, dass es gerade jüngere Menschen seien, die aus der Kirche austreten. „Wenn ich eine Mitteilung bekomme, dass jemand die Kirche verlassen hat, dann meistens von Personen unter 40 Jahren“, sagt er. Er selbst könne das auch ein Stück weit nachvollziehen, denn einerseits sei für viele das Angebot der Kirche nicht mehr so verlockend. Andererseits seien es finanzielle Aspekte, wie die der Inflation, die Menschen veranlassen, die Kirchensteuer zu sparen.
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„Jeder schaut heutzutage überall, ob das Angebot, für das man zahlt, auch zu einem passt“, sagt er. Wenn der Nutzen fraglich werde, kündige man eben. „Deshalb wird die Zahl der Austritte in den nächsten Jahren weiter hoch sein“, lautet seine Prognose. Genau deshalb werde er weiter moderne Gottesdienste feiern, die „Sister Act“ heißen, oder „Lagerfeuer & Abendmahl“. Und die gern als Livestream ins Internet kommen oder auch Teil von Podcasts sind.
„Mir geht es darum, Aufmerksamkeit zu schaffen und die Leute da zu erreichen, wo sie sich aufhalten. Nämlich häufig online“, sagt Jonas Goebel. Und letztlich, so der Geistliche, sei es eben auch egal, wo die Leute an den Gottesdiensten teilnehmen würden, ob jetzt vor Ort in der Kirche oder bequem von zu Hause vorm Bildschirm aus.