Hamburg. Ein Astrophysiker hat ein Gutachten verfasst. Fazit: Chancen auf den Titel stehen gut. Hamburg bereitet eine neue Bewerbung vor.

Diese Sommerferien werden kurz für die Hamburger Weltkulturerbe-Experten um Koordinator Bernd Paulowitz: Kaum mehr als vier Monate bleiben noch, dann müssen sie die Bewerbung der Sternwarte Bergedorf um den Welterbe-Titel formuliert und bei der Kultusministerkonferenz eingereicht haben.

Der 31. Oktober ist der letzte Tag, um eine Chance zu haben, auf die sogenannte Tentativliste zu kommen. Sie umfasst den erlesenen Kreis von nur zehn Kandidaten, mit denen sich Deutschland ab 2024 bei der Unesco um das Prädikat „Weltkulturerbe“ bewirbt – jeweils mit nur einem pro Jahr.

Bewerbung der Sternwarte Bergedorf um Weltkulturerbe-Titel

Dass Hamburg sein fast 110 Jahre altes Observatorium auf dem Gojenberg in Bergedorf ins Rennen schickt, ist seit dieser Woche endgültig klar: Dr. Matthias Hünsch, Astrophysiker und Mitglied im Förderverein der Sternwarte, hat im Auftrag der Kulturbehörde ein 51 Seiten starkes Gutachten über den Sinn einer zweiten Bewerbung nach 2012 verfasst. Sein Fazit: Die Chancen auf den Titel stehen gut – auch wenn man den Ausgang des Verfahrens nie sicher vorhersagen kann.

„Auf dieser Grundlage erarbeitet die Behörde für Kultur und Medien derzeit den Antrag für die Tentativliste, der dann bis 31. Oktober bei der Kultusministerkonferenz eingereicht wird“, bestätigte Sprecher Enno Isermann Donnerstag auf Nachfrage unser Zeitung. Vor zehn Jahren war die Sternwarte genau an deren Experten gescheitert – weil unter ihnen kein Fachmann für Technik-Denkmäler war.

Bisher gibt es kein einziges optisches Observatorium, das den Titel trägt

Gutachter Dr. Mathias Hünsch (57).
Gutachter Dr. Mathias Hünsch (57). © Hünsch | Hünsch

Genau das merkt auch Matthias Hünsch an: „Es gibt eine starke Bevorzugung der kunst- und architekturgeschichtlich bedeutsamen Stätten im Welterbe. Leider sind bei vielen Gremien und Gutachtern noch sehr traditionelle Vorstellungen des Weltkulturerbes verbreitet.“

Dass Hünsch trotzdem gute Karten für die Sternwarte sieht, liegt nicht nur an der neu zusammenzusetzenden Expertenrunde der Kultusministerkonferenz: „Die Unesco selbst hat eine Initiative gestartet, astronomische Stätten auf die Welterbeliste zu bekommen. Denn bisher gibt es kein einziges optisches Observatorium, das den Titel trägt.“ Immerhin sei die Astronomie mittlerweile anerkannt als bedeutender Beitrag zur Kulturgeschichte der Menschheit – und die Hamburger Sternwarte in Bergedorf als eines der besten Beispiele ihres Übergangs zur modernen Astrophysik. „Herausragend ist diese Anlage aufgrund ihrer repräsentativen Architektur, des umfassenden und authentischen Instrumentenbestandes, der namhaften Beiträge zur Wissenschaft und des originalen und guten Erhaltungszustandes.“

Die Unesco suche immerhin nach einer Sternwarte

War bisher immer einer gemeinsamen Bewerbung der Sternwarte mit anderen historischen Observatorien bessere Chancen eingeräumt worden – etwa mit La Plata in Argentinien oder Kasan in Russland –, sieht Hünsch jetzt auch eine Hamburger Einzelbewerbung als aussichtsreich an. Immerhin suche die Unesco ja nach einer Sternwarte.

Soll aber doch ein Partnerobservatorium gefunden werden, überrascht Matthias Hünsch mit einem deutschen Duo: Hamburg soll auf das Land Brandenburg zugehen, um das berühmte ehemalige Astrophysikalische Observatorium Potsdam auf dem Telegrafenberg ins Boot zu holen: „Beide ergänzen sich gegenseitig. Sie könnten unter dem Titel ,Sternwarten am Beginn der Astrophysik’ firmieren.“