Neuallermöhe. Dass Eigentümer eine Art Mauer um ihr Grundstück bauten, ärgert Anwohner in Neuallermöhe. Doch auch das Bezirksamt wird kritisiert.
Vorher, so sagen Nachbarn, sei hier alles so schön grün gewesen. Eine lange und hohe Hecke habe das Grundstück umgeben, auch ein Baum stand noch im Garten des Hauses. Nun aber hängt der Haussegen ziemlich schief am Ricarda-Huch-Ring in Neuallermöhe: Denn die Hecke um das Eckgrundstück beim kleinen Spielplatz wurde inzwischen durch einen langen, mannshohen Zaun, ersetzt, der wie eine Mauer aussieht. Und viele Nachbarn, die angrenzend wohnen, ärgern sich über das grau-weiße Bauwerk, das sie vor der Nase haben – und das so auch gar nicht zulässig sei, wie sie meinen.
Der Ärger begann, nachdem das Eckgrundstück vor etwa drei Jahren an neue Eigentümer verkauft wurde. 2022 hätten die neuen Bewohner – ein älteres Ehepaar – damit begonnen, die vorhandene Hecke abtragen zu lassen und stattdessen den Zaun in der Optik einer Mauer zu bauen, berichten die Nachbarn. „Wir haben ihnen gesagt, dass sie fürs Entfernen der Hecke eine Genehmigung brauchen“, sagt etwa Anwohner Wolfgang B. Und auch, dass sie sich bei einer Mauer an gesetzliche Auflagen halten müssten. Doch die Hecke wich, der hohe Zaun kam. Und der Ärger war da.
Grundstücksmauer in Neuallermöhe sorgt für Nachbarschaftsärger
Seitdem laufen etliche Einsprüche beim Bezirksamt Bergedorf, wie dieses auch bestätigt. „Es liegen mehrere Nachbarbeschwerden vor“, so Sprecher Lennart Hellmessen. Und die Zahl derer, die sich über den Zaun empören, ist wohl noch höher als die Zahl der Beschwerdeführer: Mehr als ein halbes Dutzend Anwohner kommt zum Vor-Ort-Termin mit unserer Redaktion. „Ein scheußlicher Anblick“, „schrecklich“: Für die Optik finden die Nachbarn deutliche Worte. Vor allem aber wurmt sie, dass sich die Eigentümer über geltendes Recht hinwegsetzten, wie sie sagen. Und dass das Bezirksamt lange zusah.
Denn zum einen hätten die Eigentümer eigentlich vom Bezirksamt die Auflage bekommen, die Hecke durch eine neue zu ersetzen. Das sei nie geschehen und „leider“ vom Bezirksamt auch nie kontrolliert worden – was dieses allerdings bestreitet. Zum anderen sei die Mauer beziehungsweise der Zaun in dieser Form gar nicht zulässig. „Die Hamburgische Bauordnung ist da eindeutig“, sagt Wolfgang B. Nur 1,50 Meter hohe Einfriedungen, die durchbrochen sind und „nicht verunstaltend“ wirken dürfen, sind gestattet. Nachbar Miroslaw S. hat zudem den Gestaltungsrahmen für Neuallermöhe aus dem Jahr 1987 zur Hand, aus dem hervorgeht, dass Mauern hier nur niedrig und aus roten Ziegeln sein dürfen. Alternativ sind Hecken und Holzzäune erlaubt. Warum also musste die alte Hecke weichen? Der bessere Sichtschutz könne kein Grund sein, denn weil auch der Baum fiel, könnten sie jetzt theoretisch „mehr vom Grundstück sehen als vorher“, sagen die Anwohner unisono.
In der Winterzeit und abends haben Scheinwerfer die Terrasse beleuchtet
Doch nicht nur die Nachbarn ärgern sich über die Situation. Auch die betroffenen Eigentümer sind bedrückt. Sie hätten viele gute Gründe für den Bau des Zaunes gehabt, sagt die Eigentümerin, die ihren Namen mit Annette S. angibt: „Gerade in der Winterzeit oder abends haben die Autoscheinwerfer der angrenzenden Reihenhäuser immer unsere Terrasse beleuchtet“, berichtet sie. Weil das Grundstück nun mal so angelegt sei, dass der Garten nach vorn zur Straße zeige und das Haus im hinteren Teil liege, habe es keine andere Möglichkeit gegeben, um eine sichtgeschützte Terrasse und somit etwas Privatsphäre zu haben. Eine neue Hecke sei keine Alternative gewesen: „Wir sind über 60, wir können die nicht mehr pflegen, das ist in diesem Alter nicht so einfach.“ Und der Abtrag der alten Hecke habe einen guten Grund gehabt: „Darunter lagen Bahnschwellen mit Chemikalien drin, die mussten dringend weg, das war unzulässig.“
Vor dem Bau des Zaunes habe sie einen der Nachbarn noch direkt angesprochen. „Er war einverstanden“, sagt Annette S. Erst danach habe der Ärger angefangen. Nicht nur der Zaun, auch vieles andere habe den Nachbarn nicht gepasst, die bei allen Steinen oder Pflanzen hätten mitreden wollen. „Es ist aber unser Grundstück.“ Auf die Mauer seien Schimpfwörter gekritzelt worden, Dinge seien auf das Grundstück geworfen worden. „Ich habe Angst bei diesen Leuten“, sagt Annette S. – und klingt sehr aufgewühlt. Sie habe immer das Gespräch gesucht, doch sie werde nicht mal mehr gegrüßt.
Eigentümer haben nun einen Anwalt eingeschaltet
Die Nachbarn weisen zurück, den Eigentümern jemals in irgendeiner Weise geschadet oder sie bevormundet zu haben und beteuern: „Vor uns muss niemand Angst haben.“ Sie wollen gern Brücken bauen. „Ich könnte zum Beispiel eine Hecke für sie schneiden, solange ich das noch kann“, bietet etwa Nachbar Miroslaw S. an. Und auch die anderen Anwohner hätten gern eine friedliche Einigung, auch wenn keiner genau weiß, wie diese aussehen könnte. Denn der Zaun war teuer, sagt die Eigentümerin. Der Rückbau und Bau einer neuen Lösung würde viel Geld verschlingen. Zudem findet sie den Zaun schön, „und andere Nachbarn auch“, sagt sie. Sie hätten einen Anwalt eingeschaltet, sagt Annette S. Schließlich seien Zäune wie dieser inzwischen vielfach in Neuallermöhe zu finden, „da sagt doch auch keiner was“.
Das bestätigen die Nachbarn. Gleichwohl seien diese wohl auch nicht zulässig, nur werde eben kaum durch das Bezirksamt kontrolliert. Die Anwohner kritisieren, dass die Verwaltung auf ihre Eingaben und Anfragen nur langsam reagiere. Es sei „unverständlich, warum die zuständige Stelle des Bezirksamtes Bergedorf trotz eines klaren Verstoßes gegen den Gestaltungsrahmen für Neuallermöhe-Ost bis heute keine Entscheidung getroffen hat“, sagt etwa Miroslaw S. Das Bezirksamt verweist indes bei länger dauernden Antworten auf „Kapazitätsgründe“ und bittet um Verständnis.
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Dabei ist die Rechtslage auch aus Sicht des Bezirksamtes eindeutig. Die Verwaltung bestätigt, „dass die Mauer nicht genehmigt und im derzeitigen Zustand auch nicht genehmigungsfähig ist“, wie Sprecher Lennart Hellmessen schreibt. Es laufe bereits ein HOZ-Verfahren (Herstellung ordnungsgemäßer Zustände), doch dessen Ausgang sei „noch in der abschließenden Ergebnisfindung“.
Wohl alle Anwohner fänden es eigentlich schön, wenn es wieder wie am Anfang wäre, als die neuen Eigentümer in den Stadtteil zogen – und mit den anderen Nachbarn friedlich das Sommerfest feierten.