Hamburg. Familienvater (49) aus Neuengamme beschreibt Kindheit und Jugend seines Geburtsjahrgangs in einem Buch. Da gibt es viel zu entdecken.
Jörg Ehrnsberger ist ein professioneller Autor. Der Neuengammer schreibt Bücher und leitet Workshops für Kreatives Schreiben. Nun hat er ein besonderes Buch verfasst: In „Wir vom Jahrgang1974 – Kindheit und Jugend“ berichtet der 1974 geborene Familienvater von dem Lebensgefühl seiner Generation und von den großen Ereignissen, die die Welt zwischen 1974 und 1992 beschäftigten. Während die Texte in der Wir-Form und damit etwas allgemeiner gehalten sind, verhält es sich mit den vielen Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien, die in dem 64 Seiten starken Buch abgedruckt sind, anders: Die meisten Bilder stammen aus Ehrnsbergers Privatarchiv oder sind von Freunden geborgt, zeigen ihn etwa mit seinem Zwillingsbruder Horst Ehrensberger als Babys oder mit früheren Weggefährten bei einem Kindergeburtstag. Auch etliche Glückwunschkarten zur Geburt der Zwillinge, die die Mutter des Autors ihrem Sohn weitergereicht hat, sind in dem Buch abgedruckt.
Die Buchreihe des Wartberg-Verlags umfasst alle Jahrgänge von 1921 bis 2006. Die Jahrgänge 1935 bis 1989 gibt es zusätzlich als DDR-Ausgabe. Jeder Band wurde von einem Autor des jeweiligen Jahrgangs verfasst. Die Bücher werden immer mal wieder aktualisiert, in der Regel von dem ursprünglichen Autor. Er tauscht dann beispielsweise die Namen von Prominenten aus, die in dem jeweiligen Jahr geboren worden sind und deshalb in einer Aufzählung vorkommen, weil die neue Generation eher Influencer als Schlagersänger kennt. Mit der Zuständigkeit für den 1974-Band verhält es sich anders, berichtet Ehrnsberger: „Das Buch gab es bereits und sollte aktualisiert werden, aber der ursprüngliche Autor stand nicht mehr zur Verfügung. So kam ich ins Spiel.“
In dem Buch beschreibt Jörg Ehrnsberger das Lebensgefühl seiner Generation
Der Neuengammer schrieb das gesamte Buch neu – Auflistungen etwa von wichtigen Ereignissen in den einzelnen Jahren oder von 1974 geborenen Prominenten wie Leonardo DiCaprio inklusive. Auch das Layout ist neu. Der Verlag hatte bereits vor mehr als zehn Jahren bei Ehrnsberger angefragt, ob er nicht (als erster) den 1974-Band schreiben wolle, berichtet der Neuengammer. „Damals hatte mich eine andere Autorin empfohlen, aber ich hatte leider keine Zeit dafür“, sagt der Schriftsteller und fügt hinzu: „Die hatten zum Glück noch meine Kontaktdaten und fragten wegen der Neuauflage erneut bei mir an. Diesmal hat es genau gepasst.“ Weil er kurzfristig eingesprungen war, drängte die Zeit: Innerhalb von nur zwei Monaten verfasste Ehrnsberger das Buch – neben seiner Arbeit als Deutschlehrer für Flüchtlingskinder, die er dreimal in der Woche in der Gretel-Bergmann-Schule in Neuallermöhe trifft.
„Dem Laufstall entwachsen, düsten wir auf dem Kettcar umher und baumelten an bunt lackierten Klettergerüsten. Mit der Butterbrottasche um den Hals zogen wir in den Kindergarten und später mit dem Scout auf dem Rücken in die Schule. Im Cola-Rausch feierten wir die ersten Garagen-Partys und daddelten mit Freunden am C 64. Als wir erwachsen wurden, standen die Grenzen in Europa für uns offen und Deutschland war wiedervereint“, heißt es in dem Buch. Bei der Einschulung hielt seine Generation stolz Schultüten gefüllt mit Naschis wie Ahoj-Brause und Bonbons von Storck in der Hand. Das Playmobil-Piratenschiff, das Ehrnsberger gern gehabt hätte, aber, im Gegensatz zum Nachbarsjungen, nie besaß, kommt ebenso vor wie Lego, Fischertechnik, das Langnese-Eis Brauner Bär, Neue Deutsche Welle, Steffi Graf, Techno und Rave, der Terror der Roten Armee Fraktion im Deutschen Herbst 1977, Tschernobyl und natürlich der Mauerfall 1989. „Viele Begriffe tauchen natürlich in beiden Varianten des Buches auf“, sagt Ehrnsberger. Er habe ganz bewusst das alte 1974-Buch erst gelesen, als er mit seiner Arbeit an der Neuauflage fertig war. In die 1973-Ausgabe, die der Verlag ihm ebenfalls zur Ansicht geschickt hatte, schaute er an, um Aufbau und Tonfall zu kennen.
Von den Erinnerungen des Autors geprägt
„Es geht um Orientierungspunkte, um die Generation, die ich in dem Buch vertrete, darum, das Lebensgefühl dieser Zeit widerzuspiegeln. Das Buch ist nicht autobiografisch, aber es ist natürlich von meinen Erinnerungen geprägt.“ Für die „Hardfacts“, also die relevanten gesellschaftlichen Ereignisse in seiner Kindheit und Jugend, und um „ein Gefühl für die Zeit zu kriegen“, habe er viel in Bibliotheken recherchiert.
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Nach dem Buchprojekt arbeitet Ehrnsberger unter anderem an einem neuen Workshop: Darin soll es um das Schreiben von Memoiren gehen. „Die Arbeit an dem Buch hat mich dazu inspiriert.“ Für Menschen, die ihren 50. Geburtstag mit einem besonderen Event feiern wollen, hat der Autor ein spezielles Angebot parat: „Ich lese auf deren Geburtstagsfeier aus dem Buch und erzähle über die Zeit. Auf Wunsch beziehe ich das Geburtstagskind mit ein.“ Begleitet wird die Geburtstags-Lesung von einem Profi-Musiker, der Piano-Jazz spielt, „Lieder aus der Zeit“, betont Ehrnsberger. Wer sich dafür interessiert, erreicht den Neuengammer per E-Mail an joerg@storytelling.coach. Das gebundene Buch „Wir vom Jahrgang 1974 – Kindheit und Jugend“ ist bereits im Fachhandel erhältlich. Es kostet 14,90 Euro.